15.03.2017 Drucksache 6/3607Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 31. März 2017 Kulturtourismuskonzeption und Erinnerungskultur in Thüringen Die Kleine Anfrage 1887 vom 2. Februar 2017 hat folgenden Wortlaut: Aktuell wird eine neue Landestourismuskonzeption erstellt. Diese soll in diesem Jahr veröffentlicht werden. Neben der Landestourismuskonzeption wurden Belange des Kulturtourismus bisher in einer weiteren Konzeption erfasst. Aufbauthema dieser Konzeption von 2010 war das Feld der Erinnerungskultur. Die Erinnerungskultur umfasste dabei als sogenanntes Aufbauthema die gesamte Bandbreite von der Demokratietradition der Weimarer Republik über die NS-Diktatur, die Sowjet-Besetzung und DDR-Vergangenheit bis zum Mauerfall (Grünes Band). Viele historische Ereignisse und Gedenkstätten in Thüringen weisen in diesem Zusammenhang ein kulturtouristisches Potenzial auf, welches gemäß der sensiblen politischen und gesellschaftlichen Dimensionen dieser Themen behutsam erschlossen werden sollte. Die Ausstellung der KZ-Gedenkstätte Buchenwald ist zum Beispiel nach Besucherzahlen die meist besuchte in ganz Thüringen . Wege und Möglichkeiten einer angemessenen touristischen Inwertsetzung dieser Themen sollten nach der Kulturtourismuskonzeption erst noch erarbeitet werden. Nach meiner Kenntnis gab es diesbezüglich regelmäßige Arbeitsgruppentreffen, die seit geraumer Zeit nicht mehr stattzufinden scheinen. Gerade aktuell erscheint die Bearbeitung dieses Themenfeldes sowohl im Hinblick auf die NS-Diktatur und das SED-Unrechtsregime sowie dem anstehenden Jubiläum der Weimarer Republik aktueller denn je. Ich frage die Landesregierung: 1. Ist durch die Landeregierung eine Fortschreibung der Kulturtourismuskonzeption geplant? 2. Welche Schwerpunkte sieht die Landesregierung im Kulturtourismus für die kommenden Jahre? 3. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung der Erinnerungskultur bei? 4. Was wurde zum Aufbau des Themenfeldes gemäß den Zielen der Kulturtourismuskonzeption unternommen ? 5. Welche Aktivitäten verfolgte die amtierende Landesregierung bisher, um der vorgenannten Zielsetzung gerecht zu werden? 6. Wie viele und bis wann wurden Arbeitsgruppensitzungen zur Bearbeitung des Themenfeldes Erinnerungskultur durchgeführt? Wer war Teilnehmer dieser Sitzungen und welche Ergebnisse wurden erzielt? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Bühl (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3607 7. Finden diesbezüglich noch Arbeitsgruppensitzungen zum Themenfeld Erinnerungskultur statt und wenn nein, weshalb nicht? 8. Welche Veranstaltungen und Themenschwerpunkte plant die Landeregierung anlässlich der 100-jährigen Gründung der Weimarer Republik im Jahr 2019? 9. Welche Ansätze verfolgt die Landesregierung, um eine angemessene und behutsame touristische Inwertsetzung für die Vergangenheit des SED-Unrechtsregimes und der NS-Diktatur zu erreichen? 10. Welche Orte der Erinnerungskultur werden touristisch erschlossen beziehungsweise in Wert gesetzt? Wie werden diese Investitionen finanziert und in welcher Trägerschaft befinden sich diese Orte? Wie erfolgte eine Anbindung dieser Orte an die touristische Serviceinfrastruktur? Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 13. März 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nein Zu 2.: Die Schwerpunktsetzungen der Kulturtourismuskonzeption für Thüringen aus dem Jahr 2011 haben weiterhin Gültigkeit. Zu 3.: Erinnerungskultur wird im allgemeinen Sprachgebrauch als lockerer Sammelbegriff verstanden für den Umgang des Einzelnen und der Gesellschaft mit ihrer Vergangenheit und ihrer Geschichte. In modernem kulturwissenschaftlichem Verständnis umfasst der Begriff alle Repräsentationsmodi von Geschichte und ist auch nicht auf die Zeitgeschichte oder deren Teilabschnitte konzentriert. Der hohe Stellenwert, den die Landesregierung dem kulturellen Erbe und dem aktiven Umgang mit diesem Erbe mit all seinen materiellen und immateriellen "Erinnerungsorten" (lieux de mémoire, Pierre Nora) zumisst, ist dem geltenden Kulturkonzept des Landes zu entnehmen, das kontinuierlich weiterentwickelt wird. Die vom Fragesteller thematisierte Erinnerungskultur zur deutschen Zeitgeschichte ist der Landesregierung ein besonderes Anliegen insbesondere in Zusammenhang mit der Erinnerung an die Opfer und der Sensibilisierung für die Werte und die Gefährdungen von Demokratie. Die Landesregierung lässt sich dabei von externen wissenschaftlichen Experten beraten (z.B. die Empfehlungen der Historikerkommission für eine Landesförderkonzeption für Gedenkstätten und Lernorte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur). Zu 4.: Im Rahmen der Leitprojektgruppe 4 "Stärkung des Kulturtourismus im Marktsegment Kultur und Städte" wurde eine Unterarbeitsgruppe "Erinnerungskultur" gebildet, deren Arbeitsauftrag es war, ein Konzept zu erarbeiten, das die in Thüringen nachvollziehbaren Spuren der demokratischen Entwicklung in Deutschland , insbesondere im 19. Jahrhundert, historisch mit dem Ziel einer touristischen Vermarktung aufarbeitet. Das Konzept mit dem Titel "Thüringer Spuren deutscher Demokratiegeschichte" wurde im April 2013 fertiggestellt . Zu 5.: Im Rahmen der mit der Tourismusstrategie Thüringen 2025 verbundenen Fokussierung auf vier Leitprodukte wird geprüft, inwieweit die in Thüringen nachvollziehbaren Spuren der demokratischen Entwicklung in Deutschland, insbesondere im 19. Jahrhundert, touristisch vermarket werden können. Hierbei wird die Nachfragersicht eine entscheidende Rolle spielen. Zu 6.: Insgesamt wurden im Zeitraum November 2011 bis Juni 2014 sechs Arbeitsgruppensitzungen abgehalten. In der Arbeitsgruppe vertreten waren der Museumsverband Thüringen e.V., die Weimar GmbH, die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanent- 3 Drucksache 6/3607Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode wicklung und Medien, die Thüringer Tourismus GmbH und das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Zu 7.: Es fanden seit Juni 2014 keine weiteren Sitzungen der Unterarbeitsgruppe statt. Die Arbeitsgruppe hat sich seinerzeit verständigt, ihre Arbeit zunächst ruhen zu lassen. Zu 8.: Die erste deutsche Republik wurde bereits am 09. November 1918 proklamiert. 2019 ist das 100-jährige Jubiläum der Verfassungsgebung. Die "Verfassung des Deutschen Reiches" wurde durch die von Februar bis August 2019 umständehalber in Weimar tagende Nationalversammlung am 31. Juli 2019 verabschiedet und von Reichspräsident Ebert am 11. August im thüringischen Schwarzburg unterzeichnet. Sie trat mit ihrer Verkündung im Reichsgesetzblatt am 14. August 1919 in Kraft. Während die republikanische Reichsverfassung in Abgrenzung von der kaiserlichen Reichsverfassung auch als "Weimarer Verfassung" firmierte , wurde die Bezeichnung "Weimarer Republik" erst nach Ende des II. Weltkriegs gebräuchlich, nachdem gegen Ende der Republik ihre Feinde den regionalen Zusatz in abwertender Weise einsetzten. Thüringen und Weimar können heute stolz darauf sein, als Geburtsort der Verfassung der ersten praktizierten parlamentarischen Demokratie in Deutschland gedient zu haben. Der hundertste Jahrestag der Verabschiedung ihrer Verfassung ist ein Ereignis von nationalem Rang, das festlich gemeinsam mit den relevanten Organen auf Bundesebene begangen werden soll. Die Landesregierung hat hierzu bereits im vergangenen Jahr Kontakt mit den zuständigen Bundesstellen aufgenommen. Auf deren Wunsch wird die genauere Formatierung nach der kommenden Bundestagswahl abgestimmt. Dem Anlass gemäß werden thematisch Fragen von Demokratie und Verfassung im Vordergrund stehen. Als authentische Orte stehen Weimar und Schwarzburg im Focus des Interesses. Das Land wird im Themenzusammenhang auch andere Aktivitäten und Veranstaltungen von überregionaler Bedeutung, z.B. von freien Trägern, fördern. Dabei soll insbesondere auch der Blick auf die Demokratiebildung und Verfassungsdiskussion in den damaligen thüringischen Kleinstaaten gerichtet werden. Zu 9.: Eine angemessene und behutsame touristische Inwertsetzung der mit dem Nationalsozialismus und der Teilung Deutschlands verbundenen Geschichte Thüringens findet seit vielen Jahren statt. Sowohl in- als auch ausländische Touristen besuchen Orte wie die Gedenkstätte Buchenwald oder die anderen Thüringer NS-Gedenkstätten sowie die thematischen Einrichtungen und Orte zur Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands (siehe Antwort zu Frage 10). Die Förderung von Museen und Erinnerungsstätten zur deutschen Zeitgeschichte zielt auf die wissenschaftlich fundierte Darstellung, eine professionelle bildungswirksame Vermittlung der Inhalte sowie auf angemessenes Gedenken der Opfer. Alle vom Land geförderten Einrichtungen sind besucherorientiert. Daher gehören Leistungsziele wie die Erhöhung der öffentlichen Wirksamkeit, die Verbesserung der touristischen Vermarktung sowie die Herstellung von barrierefreien Zugängen zu den Parametern, die für Förderentscheidungen herangezogen werden. Das Land unterstützt und fördert auch Kooperationsstrukturen wie den Museumsverband oder den Geschichtsverbund, die ihre Mitglieder in Bezug auf die Erhöhung von landesweiter Wirksamkeit und überregionaler Aufmerksamkeit beraten und vernetzen, z.B. durch gemeinsame Web-Sites . Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. Zu 10.: Der Freistaat Thüringen betreibt selbst keine Erinnerungsorte. Träger sind Vereine, kommunale Zweckverbände oder Stiftungen. Der Freistaat fördert Gedenkstätten und Erinnerungsorte unter Gesichtspunkten besonderer Landesrelevanz und Exemplarität. Dies sind vor allem die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, die Stiftung Ettersberg, die Point Alpha Stiftung, die Grenzmuseen in Schifflersgrund, Teistungen und Mödlareuth. Bezüglich des Grünen Bandes beabsichtigt die Landesregierung dessen Ausweisung als Nationales Naturmonument, um seinen Wert zu unterstreichen und es nachhaltig zu sichern. Bei der Mittelvergabe ist der Freistaat dem Subsidiaritätsprinzip verpflichtet. Im Hinblick auf die in hohem Maße besucherorientierten Gedenkstätten und Erinnerungsorte spielen für Förderentscheidungen u.a. Indikatoren zur Verbesserung der touristischen Vermarktung sowie zur Schaffung oder zum Ausbau von Barrierefreiheit eine entscheidende Rolle, wie es in der geltenden und allgemein zugänglichen Förderrichtlinie zu Kultur und Kunst verankert ist. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3607 Die Landesregierung leistet mit ihrer Gedenkstättenförderung einen wesentlichen Beitrag zur Erschließung des touristischen Potentials der Erinnerungsorte im Freistaat. Die Anbindung an die touristische Serviceinfrastruktur erfolgt in erster Linie durch die Kooperation der jeweiligen Einrichtung mit der lokalen bzw. regionalen Tourismusorganisation. Tiefensee Minister Kulturtourismuskonzeption und Erinnerungskultur in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: