20.03.2017 Drucksache 6/3642Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 11. April 2017 Neuausrichtung des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit Die Kleine Anfrage 1898 vom 7. Februar 2017 hat folgenden Wortlaut: Am 3. Februar 2017 stellte Frau Staatssekretärin Ohler im Rahmen einer Pressekonferenz das überarbeitete Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit vor. Als Konsequenz aus den Ergebnissen des ersten NSU-Untersuchungsausschusses des Thürin ger Landtags hatte sich die rot-rot-grüne Landesregierung darauf geeinigt, die inhaltliche Ausrichtung des Programms weiterzuentwickeln. Das überarbeitete Landesprogramm soll zivilgesellschaftlich Engagierte unterstützen, aber auch die Felder notwendigen staatli chen Handelns beschreiben und beide Ebenen in einer Gesamtstrategie zusammenführen. Ich frage die Landesregierung: 1. Was sind die Kernpunkte der Neuausrichtung des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit ? 2. Aus welchen Gründen wurde eine Neuausrichtung des Landesprogramms ange strebt? 3. Wie bewertet die Landesregierung das Ergebnis dieses Überarbeitungsprozesses? 4. Welche Institutionen waren an der Überarbeitung des Landesprogramms in wel cher Weise beteiligt? Wie erfolgte der Erarbeitungsprozess (bitte Sitzungen und Veranstaltungen auflisten)? Wie wurde die Öffentlichkeit an der Überarbeitung be teiligt? 5. Welche Möglichkeiten bietet das neue Landesprogramm im Bereich der Prävention von politischem Extremismus ? 6. Wie soll der deutschlandweit steigenden Gefahr des islamistischen Terrorismus präventiv durch das Landesprogramm begegnet werden? 7. Wie gedenkt die Landesregierung im Rahmen des neuen Landesprogramms Ge fährdungen der freiheitlich demokratischen Grundordnung aus dem linksradikalen oder -extremen Spektrum zu begegnen? 8. Warum wird nach Medienberichterstattung der Begriff des Linksextremismus im Landesprogramm nicht benutzt, obwohl sich die Zahlen von linksextremistisch ein gestuften Gewalttaten vom Jahr 2014 zum Jahr 2015 mehr als verdoppelt haben? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Bühl (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3642 9. Warum wird die Gefahr des islamistischen Terrorismus im Landesprogramm nicht tiefgreifender als Themenkomplex aufgegriffen? 10. Was unternimmt die Landesregierung, um aktiv Projekte zur Prävention von Rechtsextremismus sowie die sogenannte gruppenbezogene Menschenfeindlich keit und Linksextremismus und Islamismus zu generieren (bitte für die genannten Schwerpunkte einzeln auflisten)? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 17. März 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Das überarbeitete Landesprogramm unterstützt wie bisher alle zivilgesellschaftlich Engagierten, beschreibt aber nun auch die Felder notwendigen staatlichen Handelns und führt beide Ebenen in einer Gesamtstrategie zusammen. Die wichtigsten Veränderungen im Überblick: • Die neue inhaltliche Schwerpunktsetzung liegt auf einer Strategie gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und will den damit verbundenen Ungleichwertigkeitsvorstellungen begegnen. Dabei rückt in den Fokus, dass diskriminierende, menschenfeindliche und antidemokratische Einstellungen ein gesamtgesellschaftliches Problem und nicht nur an den Rändern zu finden sind. • Die Handlungsfelder des Programms sind zukünftig nach primärer, sekundärer und tertiärer Prävention, nach den verschiedenen Bereichen der Landespolitik und des Regierungshandelns strukturiert. Damit ist das neue Programm klarer gegliedert und bietet auch weiterhin den Projektträgern gleichzeitig die Freiheit, in Eigenverantwortung spezifische Konzepte und Maßnahmen umzusetzen. • Das Themenfeld Bekämpfung von "Homo- und Transphobie" soll im derzeit unter Federführung der Thüringer Staatskanzlei erarbeiteten "Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt" behandelt werden. Um dabei vorhandene Ressourcen zu bündeln und sie in ihrer Wirkweise zu optimieren, werden die beiden Landesprogramme aufeinander abgestimmt. • Die bereits bestehenden Strukturprojekte wurden um präventive Angebote in der Schule, der außerschulischen Kinder- und Jugendbildung sowie um die Förderung begleitender Dokumentation und Forschung erweitert. • Nicht zuletzt wurden die Zusammensetzung des Programmbeirates verändert und die Rollen und Aufgaben des federführenden Ministeriums, des interministeriellen Arbeitskreises und des Programmbeirates klarer beschrieben. Zu 2.: Die Überarbeitung und Neuausrichtung des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit ergibt sich aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses 5/1 "Rechtsterrorismus und Behördenhandeln" (Drucksache 5/8080) in Kapitel C.1. Darin heißt es wie folgt: "Rechtsextremismus kann nicht als politisches Randphänomen oder pubertäres Zwischenstadium Jugendlicher abgetan und verharmlost werden. Rechtsextremismus findet seinen Nährboden in rassistischen Vorurteilen und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auch in der Mitte der Gesellschaft. Eine starke demokratische Zivilgesellschaft ist deshalb unverzichtbar bei der Bekämpfung rechtsextremistischer menschenverachtender Ideologien, aus der sich die Straftaten des NSU entwickelt haben. Demokratieförderung, der Ausbau von Teilnahmerechten und die Schaffung einer echten Willkommenskultur sind die wirksamsten Präventionsmaßnahmen gegen Menschenverachtung und Intoleranz. Eine Verstetigung der Unterstützung und Förderung lokaler Akteure, insbesondere auch getragen durch eine verlässliche und solide finanzielle Ausstattung, ist dafür erforderlich. Zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus und gegen alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist daher zu unterstützen und zu fördern, wozu zuvorderst Anerkennung des persönlichen Engagements durch Politik und Verwaltung zu zählen ist. Eine Kriminalisierung dieses Engagements und persönlichen Einsatzes wirkt kontraproduktiv sowie demotivierend und hat zu unterbleiben. Das aktuell in Thüringen bestehende Landesprogramm ist zu überarbeiten und als klares Landesprogramm gegen Neonazismus, Rassismus, Antisemitismus und alle Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu gestalten. Die Finanzierung ist zu sichern und auszubauen." Zu 3.: Das überarbeitete Landesprogramm stellt eine deutliche Weiterentwicklung insbesondere mit Blick auf die Schlussfolgerungen aus dem Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss dar. Die in der Antwort zu Frage 1 beschriebenen Veränderungen werden von einer breiten Zivilgesellschaft unterstützt. 3 Drucksache 6/3642Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 4.: Die Veranstaltungen und Sitzungen zum Überarbeitungsprozess sowie die beteiligten Institutionen werden nachfolgend dargestellt: 1. Beteiligte Institutionen Nr. Institution 1 Evangelische Kirche Mitteldeutschlands/ Moderation 2 Katholisches Büro Thüringen 3 Jüdische Landesgemeinde Thüringens 4 LIGA der Wohlfahrtspflege Thüringen 5 Bürgerbündnisse der Region Mittelthüringen 6 Bürgerbündnisse der Region Ostthüringen 7 Bürgerbündnisse der Region Südwestthüringent 8 Bürgerbündnisse der Region Nordthüringen 9 Flüchtlingsrat Thüringen e. V. 10 Kompetenzzentrum Rechtsextremismus der Universität Jena 11 Landessportbund Thüringen 12 Thüringer Feuerwehrverband 13 Deutscher Gewerkschaftsbund Thüringen/ Moderation 14 Verband der Wirtschaft Thüringens 15 Beauftragte für Integration, Migration und Flüchtlinge 16 Landeszentrale für politische Bildung Thüringen 17 Universität Erfurt 18 Gemeinde- und Städtebund Thüringen 19 Thüringischer Landkreistag 20 Landesregierung, vertreten durch die Ressorts 2. Veranstaltungen und Sitzungen Zeit Art der Veranstaltung Erarbeitungsprozess 08.02.2016 öffentliche Veranstaltung Vorstellung der Analyse "Gefährdungen der demokratischen Kultur " durch das Kompetenzzentrum Rechtsextremismus der FSU Jena 31.03.2016 öffentliche Veranstaltung Vorstellung der Evaluation des Landesprogramms 04.04.2016 Kleine Arbeitsgruppe Konstituierung der "Kleinen Arbeitsgruppe" Verabredung zum Verfahren Arbeit am Text 18.04.2016 Kleine Arbeitsgruppe Arbeit am Text 23.05.2016 Kleine Arbeitsgruppe Grundsatzdiskussion zum Stand der Überarbeitung auf Bitten der Bürgerbündnisse, Rückmeldungen zum verschickten Entwurf für Kapitel 2 (ohne abschließende Diskussion) und Vorstellung der Statistik des TMIK zur PMK 21.07.2016 IMAK Übernahme der Federführung durch die TSK, weitere Verfahrensstrategie , Umgang mit den Vorschlägen und Positionen der Zivilgesellschaft , Arbeit am Text 18.08.2016 öffentlicher Termin Tagung zu "Weiterentwicklung der Strukturen und Projekte im Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit" 22.08.2016 Staatssekretärskonferenz Information über den Sachstand im Überarbeitungsprozess 22.08.2016 IMAK und Arbeitsgruppe Arbeit am Text 26.09.2016 IMAK und Arbeitsgruppe Arbeit am Text 24.10.2016 IMAK und Arbeitsgruppe Arbeit am Text 14.11.2016 IMAK und Arbeitsgruppe Arbeit am Text 21.11.2016 IMAK und Arbeitsgruppe Abschlussdiskussion und Ergebnisfeststellung zur Neufassung des Landesprogramms 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3642 Mit der Einladung zur öffentlichen Veranstaltung im Februar 2016 (Präsentation der aktualisierten Gefährdungsanalyse ) war auch ein Aufruf zur Beteiligung am Überarbeitungsprozess verbunden. Im Ergebnis wurde eine Gruppe mit 20 Institutionen verschiedenster gesellschaftlicher Bereiche gebildet, die den Überarbeitungsprozess über ein Jahr lang begleitete. Dazu wurden der bestehende Text kapitelweise aufgerufen und entsprechende Änderungsvorschläge diskutiert. Die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme bestand auch über den Kreis der direkt beteiligten Institutionen hinaus und wurde auch wahrgenommen. Im Sommer 2016 fand erneut eine öffentliche Veranstaltung (Sommertagung des Landesprogramms für Demokratie , Toleranz und Weltoffenheit) zur Diskussion der Zwischenergebnisse statt. Zu 5.: Das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit versteht sich als Präventionsprogramm gegen ausgrenzende, diskriminierende, menschenfeindliche und antidemokratische Einstellungen. In Kapitel 3 sind dazu Leitziele und Handlungsfelder beschrieben, sowohl für das Regierungshandeln und die Landespolitik als auch für die Bereitstellung von Ressourcen für zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure und Initiativen für eigenverantwortliche Maßnahmen. Die in Kapitel 3.2 beschriebenen Handlungsfelder der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention geben dafür den Rahmen vor. Konkreten Ausdruck finden diese Handlungsfelder in den in Kapitel 4 beschriebenen Strukturen und Projekten, für die entsprechende Ressourcen bereitgestellt werden sollen. Zu 6.: Soweit die Fragestellung auf die Prävention gegen die dem islamistischen Terrorismus zugrunde liegenden Einstellungen abzielt, ermöglichen die in Kapitel 3 beschriebenen präventiven Strategien auch die Bereitstellung von Ressourcen gegen Islamismus. Dem Phänomen des islamistischen Terrorismus muss vorrangig mit sicherheitspolitischen Maßnahmen und kann nur bedingt mit (präventiven) Angeboten des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit begegnet werden. Zu 7.: Die in Kapitel 3 beschriebenen präventiven Strategien ermöglichen auch die Bereitstellung von Ressourcen zur Bekämpfung von Phänomenen im Sinne der Fragestellung. Zu 8.: Das überarbeitete Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit stellt die Auseinandersetzung mit Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in den Mittelpunkt. In Kapitel 2 ist darüber hinaus formuliert : "Die Betonung der Relevanz Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit für die Gefährdung der demokratischen Kultur verschließt nicht den Blick für weitere Formen der Ablehnung demokratischer Kultur und religiöser Freiheit. Die Erkenntnisse der Forschung zu derartigen politischen Einstellungen sind bislang weniger stark entwickelt, gleichwohl sind diese Gefährdungspotentiale für die politische Kultur relevant und erfordern Maßnahmen auf Handlungsebene. Das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit wird der Gesamtheit der unterschiedlichen Infragestellungen der demokratischen Kultur und Religionsfreiheit Rechnung zu tragen haben." Im Kapitel 2.4 wird diese Analyse, auch unter Betrachtung der LKA-Statistik zu den Fällen der "Politisch motivierten Kriminalität – links", ausgeführt und ein Bezug zu den Handlungszielen des Landesprogramms hergestellt. Zu 9.: Auf die Antwort auf Frage 6 und 8 wird verwiesen. Zu 10.: Wie auch bisher soll auf die Möglichkeiten des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit in allen Themenfeldern mittels umfangreicher Öffentlichkeitsarbeit aufmerksam gemacht werden. Konkret geschieht dies bereits durch die Webseite "www.denkbunt-thueringen.de". Neben einer Vorstellung des Programms, ist hier die Förderrichtlinie veröffentlicht und die Antragsformulare können heruntergeladen werden . Es ist weiterhin geplant eine Broschüre und einen Flyer zur Vorstellung beziehungsweise Kurzvorstellung des Programms herauszugeben. Hinzu kommt die Präsentation des Programms und seiner Fördermöglichkeiten auf Veranstaltungen und Konferenzen (auf Anfrage). In Vertretung Ohler Staatssekretärin Neuausrichtung des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: 1. Beteiligte Institutionen 2. Veranstaltungen und Sitzungen Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: