21.03.2017 Drucksache 6/3650Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 12. April 2017 Videoüberwachung von Hafträumen in Thüringer Justizvollzugsanstalten Die Kleine Anfrage 1896 vom 6. Februar 2017 hat folgenden Wortlaut: Nach dem Suizid des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in einer Justizvollzugsanstalt in Leipzig im vergangenen Jahr wurde diskutiert, ob und wie die Selbsttötung hätte verhindert werden können. Eine Möglichkeit , Suizide zu verhindern, könnte die anlassbezogene Videoüberwachung von Hafträumen sein, die aber in Sachsen gesetzlich ausgeschlossen ist. In Thüringen ist gemäß § 124 Abs. 2 Satz 4 Thüringer Justizvollzugsgesetzbuch (ThürJVollzGB) die Videoüberwachung von Hafträumen grundsätzlich ausgeschlossen. Unter den Voraussetzungen des § 89 Abs. 1 ThürJVollzGB können besondere Sicherungsmaßnahmen angewendet werden, wenn die Gefahr der Entweichung , von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht. Nach § 124 Abs. 2 Satz 5 in Verbindung mit § 89 Abs. 2 Nr. 2 ThürJVollzGB kann zur Abwendung von Gefahren die Beobachtung der Gefangenen, auch mit technischen Hilfsmitteln, eingesetzt werden. Ich frage die Landesregierung: 1. Reicht nach Ansicht der Landesregierung die hiesig geltende Regelungslage aus, um den Suizid eines selbstgefährlichen Gefangenen in der Haftzelle einer Justizvollzugsanstalt zu verhindern? 2. Welche Thüringer Justizvollzugsanstalten haben die technische Möglichkeit, Videoüberwachung in Hafträumen durchzuführen? 3. Wie viele Hafträume sind in den jeweiligen Justizvollzugsanstalten mit Videoüberwachungstechnik ausgestattet (bitte in Relation zur Gesamthaftraumzahl darstellen)? 4. In wie vielen Fällen wurde seit dem Jahr 2014 Videoüberwachung von einzelnen Hafträumen aus welchen Gründen durchgeführt und gegebenenfalls ausgewertet (bitte nach Jahren und Justizvollzugsanstalten gliedern)? 5. Wurden in den genannten Fällen neben möglichen Bildübertragungen auch Bildaufzeichnungen gefertigt? 6. Falls ja, wie lange wurden beziehungsweise werden diese Aufzeichnungen gespeichert? 7. Wer trifft in den Justizvollzugsanstalten im Einzelfall die Entscheidung, ob Videoüberwachung durchgeführt und ausgewertet wird? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Walk (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3650 8. Wie bewertet die Landesregierung die gesetzlichen Regelungen zur Videoüberwachung von Hafträumen auch im Vergleich zu anderen Bundesländern und sieht sie hier gegebenenfalls Änderungsbedarf? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 20. März 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach § 12 Abs. 1 ThürJVollzGB wird unverzüglich nach der Aufnahme mit den Gefangenen ein Zugangsgespräch geführt, in dem ihre gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird und sie über ihre Rechte und Pflichten informiert werden. Gemäß § 13 Abs. 1 ThürJVollzGB schließt sich bei Straf- und Jugendstrafgefangenen dem Aufnahmeverfahren das Diagnoseverfahren zur Vorbereitung der Vollzugsplanung an. Das Diagnoseverfahren erstreckt sich auf die Persönlichkeit, die Lebensverhältnisse, die Ursachen und die Umstände der Straftat sowie alle sonstigen Gesichtspunkte, deren Kenntnis für eine zielgerichtete und wirkungsorientierte Vollzugsgestaltung und die Eingliederung nach der Entlassung notwendig erscheint. Gemäß dem Suizidprophylaxekonzept erfolgt das Diagnoseverfahren für einen Großteil der Gefangenen in der zentralen Einweisungsabteilung in der JVA Tonna. Bei Jugendstrafgefangenen wird es in der JSA Arnstadt durchgeführt. Das Suizidprophylaxekonzept wird regelmäßig auf seine Wirksamkeit überprüft und gegebenenfalls weiterentwickelt. In Fällen latenter oder akuter Suizidalität wird mehrgleisig verfahren. Zum einen kommen Maßnahmen zur psychologischen Intervention und/oder der Psychotherapie nach § 25 ThürJVollzGB in Betracht. Zum anderen können besondere Sicherungsmaßnahmen gemäß §§ 89, 90 ThürJVollzGB angeordnet werden. § 89 Abs. 1 sieht vor, dass besondere Sicherungsmaßnahmen gegen Gefangene angeordnet werden können, wenn nach ihrem Verhalten oder aufgrund ihres seelischen Zustands in erhöhtem Maße die Gefahr der Entweichung , von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen, der Selbsttötung oder der Selbstverletzung besteht. § 89 Abs. 2 Ziffer 2 lässt die Beobachtung der Gefangenen, auch mit technischen Hilfsmitteln, als besondere Sicherungsmaßnahmen ausdrücklich zu. Die aufgezeigte geltende Rechtslage bietet ein breites Spektrum an präventiven und restriktiven Maßnahmen , um die Gefahr von Suiziden von Gefangenen so gering wie möglich zu halten. Zu 2.: Alle Thüringer Justizvollzugsanstalten verfügen über einen Anteil an Hafträumen, die mit Videotechnik ausgestattet sind. Zu 3.: In der nachfolgenden Tabelle sind, aufgeschlüsselt auf die jeweiligen Justizvollzugsanstalten, die Gesamtanzahl der Hafträume und die Zahl der mit Videotechnik ausgestatteten Hafträume sowie die Zahl der videoüberwachten besonders gesicherten Hafträume dargestellt. Justizvollzugsanstalt Hafträume im geschlossenen Vollzug Mit Videotechnik ausgestattete Hafträume besonders gesicherte Hafträume mit Videoüberwachung Tonna 533 6 6 Goldlauter 211 6 2 Untermaßfeld 233 4 2 Hohenleuben 77 4 2 Gera 53 3 1 Arnstadt 256 8 4 Zu 4.: Die Beobachtung von Gefangenen bei Tag und/oder Nacht - auch mittels Videotechnik - stellt eine besondere Sicherungsmaßnahme gemäß § 89 ThürJVollzGB dar. Bei der Belegung eines Haftraumes mit Videotechnik erfolgt die Kameraüberwachung nur bei gesonderter Anordnung. Diese Fälle werden aber nicht statistisch erfasst. Daher kann nicht nachvollzogen werden, ob die Belegung des jeweiligen Haftraumes mit einer Kameraüberwachung einhergegangen ist. 3 Drucksache 6/3650Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Bei der Belegung eines besonders gesicherten Haftraums wird der dort untergebrachte Gefangene grundsätzlich per Videotechnik überwacht. Die anliegende tabellarische Belegungsübersicht aller videoüberwachten Hafträume veranschaulicht die hierzu relevanten Zahlen. Justizvollzugsanstalt Belegung eines mit Videotechnik ausgestatteten Haftraumes Belegung eines videoüberwachten besonders gesicherten Haftraumes 2014 2015 2016 2014 2015 2016 Tonna 76 122 167 12 28 21 Goldlauter 179 183 294 10 8 12 Untermaßfeld 45 28 41 0 1 1 Hohenleuben 6 18 54 1 0 2 Gera 171 190 167 10 4 10 Arnstadt 11 77 75 0 8 9 Die Unterbringung in einem kameraüberwachten Haftraum oder in einem besonders gesicherten Haftraum erfolgte überwiegend wegen der Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung, aus gesundheitlichen Gründen sowie zur Überwachung von Zugängen, welche unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol zugeführt wurden. Zu 5.: Soweit dies mittels der entsprechenden Technik in der jeweiligen Anstalt möglich war, wurden in einigen begründeten Einzelfällen Videoaufzeichnungen gefertigt. Zu 6.: Das Auslesen des Videospeichers ist bis zu 72 Stunden im Nachhinein möglich. Zu 7.: Gemäß § 90 Abs.1 ThürJVollzGB ordnet der Anstaltsleiter besondere Sicherungsmaßnahmen an. Bei Gefahr im Verzug können entsprechend dieser Regelung auch andere Bedienstete diese Maßnahmen vorläufig anordnen; die Entscheidung des Anstaltsleiters ist unverzüglich einzuholen. In den Thüringer Justizvollzugseinrichtungen wurde die Befugnis, besondere Sicherungsmaßnahmen anordnen zu dürfen, gemäß § 107 Abs. 1 ThürJVollzGB auf die Vollzugsabteilungsleiter oder die Leiter der Verwaltungsabteilung Sicherheit übertragen. Die Auswertung beziehungsweise Sicherung der Daten erfolgt nur auf Anweisung des Anstaltsleiters und durch die von ihm dazu befugten Bediensteten. Zu 8.: Die Landesregierung sieht hier derzeit keinen gesetzlichen Änderungsbedarf. Die Bestimmungen zur Videoüberwachung haben sich in der Praxis bewährt. Sie sind im bundesweiten Vergleich weder als besonders weitgehend noch als außergewöhnlich zurückhaltend zu betrachten. Lauinger Minister Videoüberwachung von Hafträumen in Thüringer Justizvollzugsanstalten Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: