21.03.2017 Drucksache 6/3652Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 12. April 2017 Zustände/Gegebenheiten in der JSA Arnstadt - Teil I Die Kleine Anfrage 1892 vom 30. Januar 2017 hat folgenden Wortlaut: Vor einiger Zeit erhielt die Fraktion der AfD schriftlich Informationen, angeblich von Mitarbeitern der JSA (Jugendstrafanstalt ) Arnstadt (Briefe/anonym). Darin werden unter anderem die nachfolgenden Punkte angesprochen . Dies seien aber "noch lange nicht alle Missstände", die "nach außen hin verschwiegen werden". Wörtlich heißt es: "Alles wird immer und immer wieder angesprochen. (...) aber es wird alles von der oberen Hierarchie übergangen und anders geregelt. Wie soll es weitergehen, wenn wir uns weiter wie bisher von den Gefangenen an der Nase herumführen lassen? Soll erst ein mit Drogen vollgepumpter Gefangener einen Beamten des Stations- und Werkdienstes zum Krüppel schlagen, bevor sich jemand richtig Gedanken macht? (...)" Ich frage die Landesregierung: 1. Hat die Anstalt ein erhebliches "Problem mit Drogenmissbrauch"? Wie unterbindet die Anstaltsleitung Verabredungen zu Drogenüberwürfen während des Freigangs, die durch die Möglichkeit des Telefonierens eröffnet werden? 2. Wird das Mediasystem, das Gefangene angeblich zum Telefonieren nutzen können, für die Organisation von Drogenlieferungen genutzt? Wenn nein: Kann die Landesregierung das ausschließen? 3. Wie stellt die Anstaltsleitung sicher, dass Privatpersonen, die beispielsweise an "Candle-Light-Dinner"- Veranstaltungen (vergleiche auch Bericht der Thüringer Allgemeinen vom 20. Dezember 2016) teilnehmen , keine Drogen und ansonsten verbotene Sachen in die Anstalt bringen? Wie werden insbesondere die anstaltseigenen Drogenspürhunde eingesetzt? 4. Wie wird sichergestellt, dass anlässlich der angeblich häufigen Besichtigungen der Anstalt keine Drogen und ansonsten verbotene Sachen eingeschmuggelt werden? 5. Ist es zutreffend, dass es anlässlich eines "Candle-Light-Dinners" in einer Toilette zu sexuellen Handlungen eines Jugendstrafgefangenen mit seiner 17-jährigen Freundin gekommen ist? Wenn ja: Gab es - unter anderem disziplinarische - Konsequenzen? Wenn ja: Welche? Wenn nein: Warum nicht? 6. Welche Maßnahmen zur Verhinderung von Drogeneinschleusung wurden während kultureller Veranstaltungen in der JSA Arnstadt im Rahmen des Thüringer Orgelsommers 2016 durchgeführt? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Brandner (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3652 7. Wie viele und welche meldepflichtigen Vorfälle mit Gefangenen gab es seit Eröffnung der JSA (bitte aufschlüsseln nach Monaten und Grund)? Wie schätzt die Landesregierung Art und Umfang im Vergleich zu anderen Bundesländern ein? 8. Wurden Begegnungen von den räumlich getrennt untergebrachten erwachsenen Strafgefangenen mit Jugendstrafgefangenen beim Essen, Arbeiten oder Veranstaltungen jeglicher Art überwacht? Wenn ja: Wie genau? Gibt es "Trennungen nach den Altersstufen 14 bis 21 Jahre, 21 bis 24 Jahre und 25 bis 28 Jahre"? Wenn ja: Warum gibt es diese Trennungen? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 20. März 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In der Jugendstrafanstalt (JSA) Arnstadt liegen Erkenntnisse vor, wonach Gefangene im Besitz illegaler Drogen gewesen sind und diese zum Teil auch konsumiert haben. Diese Erkenntnisse basieren einerseits auf durchgeführten Urinkontrollen, bei denen teilweise Drogenkonsum nachgewiesen wurde, und andererseits auf dem Auffinden entsprechender Substanzen anlässlich durchgeführter Kontrollen. In allen Thüringer Justizvollzugsanstalten werden zahlreiche vorbeugende Maßnahmen getroffen, die dem Drogenkonsum entgegen wirken sollen. Hierzu gehören insbesondere Kontrollen und Durchsuchungen der Gefangenen und ihrer Sachen, ihrer Hafträume, die Durchsuchung der Gefangenen nach Aufenthalten außerhalb der Anstalt, nach Besuch sowie die Kontrolle der Besucher selbst. Dabei werden auch Rauschmittelsuchhunde eingesetzt . Für das Führen von Telefonaten gelten die Bestimmungen des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuches. Der Gefangene kann nicht angerufen werden, sondern nur im Voraus beantragte, überprüfte und im System freigegebene Nummern anwählen. Die Anzahl der freigegebenen Nummern ist auf maximal zehn begrenzt . In der Regel handelt es sich bei den entsprechenden Kontakten um Angehörige und Bekannte der Gefangenen. Die Telefonanlage erkennt zudem eventuell eingerichtete Rufumleitungen und bricht in diesen Fällen das Telefonat ab. Frei ist das Telefonieren für die Gefangenen nur insoweit, dass es ihnen freisteht , zu welcher Zeit sie telefonieren. Damit wird einerseits die Gefahr möglicher illegaler Absprachen auf ein Minimum begrenzt und andererseits der Erhalt sozialer Bindungen, die für die Resozialisierung und Wiedereingliederung der Gefangenen von besonderer Bedeutung sind, ermöglicht. Darüber hinaus werden bei Gefangenen, bei denen der Konsum illegaler Drogen nachgewiesen wurde oder die im Besitz solcher waren, vollzugliche Maßnahmen (Disziplinarmaßnahmen , Anordnung einer Trennvorrichtung beim Besuch und Ähnliches) und unter Umständen auch besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet. Anzeichen für einen signifikanten Anstieg des Konsums oder Besitzes illegaler Drogen unter den Gefangenen der JSA Arnstadt liegen nicht vor. Es wurden weder größere Mengen solcher Drogen gefunden, noch eine höhere Anzahl der Gefangenen, die Drogen konsumiert haben, festgestellt. Die Maßnahmen der Jugendstrafanstalt Arnstadt sind darauf gerichtet, Überwürfe festzustellen und entsprechende Gegenstände sicherzustellen, um dadurch zu verhindern, dass Gefangene etwa in den Besitz von Drogen gelangen. Daher werden die Freihöfe vor jeder Durchführung des Aufenthalts im Freien kontrolliert , beim Aufenthalt im Freien werden die Gefangenen ständig von mindestens zwei Bediensteten beaufsichtigt und stichprobenartig von der Zentrale über die Videoüberwachungsanlage beobachtet. Gefangene werden nach dem Aufenthalt im Freien stichprobenartig kontrolliert. Zudem wurden im Außenbereich zusätzliche Kameras installiert, die eine bessere Überwachung des Außengeländes ermöglichen. Zu 2.: Gemäß § 33 ThürJVollzGB haben die Gefangenen das Recht, mit Personen außerhalb der Anstalt im Rahmen der Bestimmungen des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuches zu verkehren. Hierzu gehören insbesondere der Besuch, der Schriftwechsel, aber auch das Führen von Telefonaten. Außenkontakte der Gefangenen sind naturgemäß mit der Möglichkeit illegaler Absprachen verbunden. Eine Unterbindung solcher Kontakte würde jedoch zu einer Abschottung der Gefangenen von der Außenwelt führen und die Resozialisierung und Wiedereingliederung des Gefangenen in die Gesellschaft nahezu unmöglich machen. Hinsichtlich der Vorkehrungen das Telefonieren der Gefangenen betreffend wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3 Drucksache 6/3652Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 3.: Besucher der Jugendstrafanstalt Arnstadt werden generell kontrolliert und bei begründetem Verdacht weitergehende Maßnahmen ergriffen. Maßstab für den Umfang und die Intensität solcher Kontrollen und Maßnahmen ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Beim "Candle-Light Dinner" halten sich anstaltsfremde Personen nur in einem kleinen, abgeschlossenen Bereich der Anstalt, dem Personalspeisesaal und den zugehörigen beziehungsweise angrenzenden Bereichen wie Flur und Toiletten, auf. Während ihres Aufenthaltes werden sie von mehreren Justizvollzugsbediensteten begleitet und beaufsichtigt. An jedem Tisch befindet sich mindestens ein Justizvollzugsbeamter. Die Möglichkeiten, im Zusammenhang mit dem "Candle-Light Dinner" Drogen oder illegale Gegenstände an Gefangene zu übergeben, sind mithin äußerst begrenzt. Bei Kontrollen der Gefangenen und der Bereiche , in denen sich die anstaltsfremden Personen aufgehalten hatten, wurden bisher weder Drogen noch verbotene Gegenstände festgestellt. Drogenspürhunde wurden im Zusammenhang mit der Durchführung des "Candle-Light-Dinners" bisher nicht eingesetzt. Zu 4.: Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 3 verwiesen. Zu 5.: Zum "Candle-Light-Dinner" am 8. September 2016 in der Jugendstrafanstalt Arnstadt hatten sich unter anderem Angehörige und die Freundin eines Jugendstrafgefangenen, der in der Lehrküche eine berufliche Qualifizierungsmaßnahme absolviert, angemeldet. Die damals 17-jährige Freundin des Gefangenen wurde im Zusammenhang mit der allgemeinen Besuchsdurchführung polizeilich überprüft. Diese Überprüfung war im Ergebnis unauffällig. Darüber hinaus wird bei Besuchern, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Genehmigung zur Besuchsdurchführung von der Zustimmung der Erziehungsberechtigten abhängig gemacht. Die Mutter der Freundin hat diese Zustimmung bereits im Dezember 2015 gegenüber der Jugendstrafanstalt Arnstadt schriftlich und ohne Vorbehalte erklärt. Am betreffenden Tag mussten abweichend von der sonst üblichen Verfahrensweise neben der Tür zwischen dem Speisesaal, in dem sich die anstaltsfremden Personen aufhalten, und dem angrenzenden Flur, von dem aus die Besuchertoilette zu erreichen ist, auch die Tür vom Flur in den Außenbereich und eine weitere Tür in die Lehrküche auf Grund der hohen Außentemperaturen geöffnet bleiben, da die Lüftungsanlage in der Küche ausgefallen war. Es ist üblich, dass Gäste während des Dinners eigenständig die Toilette aufsuchen. Nach der Vorspeise ist einem Bediensteten aufgefallen , dass sich die Freundin des Jugendstrafgefangenen nicht mehr an ihrem Platz befunden und vermutlich die Toilette aufgesucht hat. Da diesem Bediensteten bekannt war, dass es sich um die Freundin eines anwesenden Jugendstrafgefangenen handelt, hat er zunächst versucht, diesen, der bis dahin mit dem Abräumen des Geschirrs beschäftigt war, zu sichten. Da sich auch der Jugendstrafgefangene nicht mehr im Speisesaal befand, begab sich der Bedienstete zur Toilette und nahm dort wahr, dass zunächst die Freundin des Gefangenen und kurz darauf auch der Jugendstrafgefangene die Toilette verlassen hatten. Im Ergebnis der Wahrnehmung des Bediensteten steht fest, dass sich die beiden Personen über einen Zeitraum von circa fünf Minuten gemeinsam unbeaufsichtigt auf der Toilette aufgehalten haben. Auf Befragen haben sowohl der Gefangene als auch dessen Freundin unabhängig voneinander behauptet, im gegenseitigen Einvernehmen sexuelle Handlungen miteinander vorgenommen zu haben. Eine weitere Konkretisierung erfolgte nicht. Ob die Angaben der Beteiligten tatsächlich zutreffen, ist nicht feststellbar. Bei dem Verhalten handelt es sich um Verstöße gegen Weisungen der Anstalt, die letztlich dazu geführt haben, Angehörige und Freundinnen beziehungsweise Freunde von Gefangenen zu entsprechenden Veranstaltungen nicht mehr zuzulassen, solange sich die entsprechenden Gefangenen in der JSA Arnstadt in Haft befinden. Dem Gefangenen konnte letztlich nur das eigenständige Verlassen des ihm zugewiesenen Bereichs zur Last gelegt werden. Durch den stellvertretenden Anstaltsleiter wurde im Beisein des Abteilungsleiters der Verwaltungsabteilung Sicherheit am 9. September 2016 ein Gespräch mit dem Gefangenen hinsichtlich des oben genannten Sachverhalts geführt. Im Ergebnis dieses Gesprächs und im Hinblick auf die Beweislage wurde von der Anordnung einer Disziplinarmaßnahme abgesehen. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3652 Zu 6.: Zur fraglichen Veranstaltung wurde eine den Teilnehmern angemessene Anzahl von Beamten zur Beaufsichtigung und Absicherung eingeteilt. Zusätzlich erfolgte der Einsatz der Sicherheitsgruppe des Thüringer Justizvollzuges. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu 7.: Seit der Eröffnung gab es folgende meldepflichtige Ereignisse: lfd. Nr. Monat/Jahr Ereignis 1 07/2014 Nichtrückkehr eines Gefangenen vom Ausgang 2 12/2014 Nichtrückkehr eines Gefangenen vom Ausgang 3 01/2015 Nichtrückkehr eines Gefangenen vom Ausgang 4 01/2015 Nichtrückkehr eines Gefangenen vom Ausgang 5 04/2015 Nichtrückkehr eines Gefangenen vom Ausgang 6 04/2015 Lockerungsmissbrauch ( Sachbeschädigung ) 7 04/2015 Unterbringung eines Gefangenen im besonders gesicherten Haftraum (bgH) länger als 3 Tage 8 07/2015 Stromausfall mit Folge des Ausfalls der Sicherheitstechnik 9 08/2015 Nichtrückkehr eines Gefangenen vom Ausgang 10 01/2016 Nichtrückkehr eines Gefangenen vom Ausgang 11 04/2016 Suizidversuch eines Gefangenen 12 04/2016 Unterbringung eines Gefangenen im bgH mit Fesselung 13 06/2016 Unterbringung eines Gefangenen im Schlichtraum länger als 30 Tage 14 08/2016 Unterbringung eines Gefangenen im bgH länger als 3 Tage 15 09/2016 Nichtrückkehr eines Gefangenen vom Ausgang 16 10/2016 Unterbringung eines Gefangenen im bgH mit Fesselung 17 12/2016 Unterbringung eines Gefangenen im Schlichtraum länger als 30 Tage Darüber hinaus wurde in 164 Fällen durch nachrichtliche Übersendung von Strafanzeigen über den Verdacht von Körperverletzungen unterrichtet. Ein Vergleich der meldepflichtigen Ereignisse nach Art und Umfang mit anderen Bundesländern ist nicht möglich, da keine einheitliche Erhebung der statistischen Daten erfolgt und unterschiedliche Regelungen und Definitionen zu meldepflichtigen Ereignissen bestehen. Zu 8.: Die Trennungsgrundsätze sind in § 17 ThürJVollzGB geregelt und beziehen sich auf die Unterbringung der Gefangenen. Dabei wird in erster Linie nach dem Geschlecht und der jeweiligen Haftart unterschieden. Eine Trennung nach dem Alter ergibt sich lediglich daraus, dass eine Jugendstrafe nur bis zu einem bestimmten Alter vollzogen wird und junge Untersuchungsgefangene von den übrigen Gefangenen getrennt unterzubringen sind. § 17 Abs. 5 ThürJVollzGB lässt gemeinsame Maßnahmen insbesondere zur schulischen und beruflichen Qualifizierung zu, um dadurch möglichst vielen Gefangenen ein breites Angebot an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen, aber auch an geeigneten Behandlungs- oder Freizeitangeboten zur Verfügung zu stellen. Die Trennungsgebote sollen nicht dazu führen, dass Gefangenen allein auf Grund ihres Geschlechts oder der Haftart nur ein eingeschränktes Angebot zur Verfügung steht. Die Regelung entspricht im Wesentlichen den Regelungen der Justizvollzugsgesetze anderer Bundesländer und resultiert aus den "Empfehlungen des Europarates zur Untersuchungshaft und zu Maßnahmen und Sanktionen gegen jugendliche Straftäter und Straftäterinnen" (REC(2006)13 und REC 2008/11) sowie den "Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen" (REC 2006/2). Lauinger Minister Zustände/Gegebenheiten in der JSA Arnstadt - Teil I Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: