03.04.2017 Drucksache 6/3687Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. April 2017 Islamismus in Ostthüringen1 Die Kleine Anfrage 1785 vom 20. Dezember 2016 hat folgenden Wortlaut: Am 4. Oktober 2016 erschien in dem Online-Nachrichtenmagazin "Tichys Einblick"2 ein Interview mit einem freikirchlichen Pastor aus Ostthüringen, der in der Asylbewerberbetreuung aktiv ist. Der Pastor und die von ihm geschilderten Fälle sind den Fragestellern bekannt. In diesem Interview behauptet der Pastor, dass es gewalttätige Überfälle, verbale und sexuelle Übergriffe gegen Asylbewerber christlichen Glaubens und islamische Apostaten in Ostthüringen gegeben habe und diese gegenüber der Polizei und der Staatsanwaltschaft Gera angezeigt und wiederholt thematisiert worden seien. Aus den den Fragestellern vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass Ermittlungen im Rahmen dieser Vorfälle eingestellt worden sind. Der besagte Pastor berichtet im obigen Interview weiter, es gäbe eine IS-Zelle und einen sunnitischen Großclan in Ostthüringen. Der im Zusammenhang mit dem Interview namentlich genannte Anführer dieser IS- Zelle sei mittlerweile Mullah in Frankfurt am Main, radikalisiere aber nach wie vor Muslime in Ostthüringen. Laut Thüringer Verfassungsschutzbericht 2014/2015 befinden sich circa 150 Anhänger islamistischer Ideologien in Thüringen. Diese seien vereinzelt salafistischen Gruppen, der "Muslimbruderschaft", der "Tablighi Jama'at" oder der "Nordkaukasischen Separatistenbewegung" zuzurechnen.3 Am 25. Oktober 2016 berichtete unter anderem die ZEIT4 über Razzien gegen Islamisten in Thüringen, es seien auch Einsätze in Jena durchgeführt worden. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele Anhänger islamistischer Ideologien befinden sich nach aktuellem Stand in Ostthüringen (bitte nach Ort, Staatsangehörigkeit, Aufenthaltstitel und Zugehörigkeit zu islamistischen Organisationen aufschlüsseln)? 2. Welche Moscheegemeinden und islamische Vereine werden durch die in Frage 1 genannten Personen frequentiert (bitte gemäß der Fragestellung aufschlüsseln)? 3. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse zu islamistischen Aktivitäten des oben erwähnten Anführers der mutmaßlichen IS-Zelle in Thüringen vor? Falls ja, welche? 4. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse über Sympathisanten des "Islamischen Staates", der "Taliban ", der "Muslimbruderschaft", der "Tablighi Jama'at", der "Nordkaukasischen Separatistenbewegung" oder anderer islamistischer Gruppierungen in Asylbewerberunterkünften in Ostthüringen beziehungsweise unter sich in Ostthüringen aufhaltenden Asylbewerbern vor? 5. Werden Moscheegemeinden oder islamische Vereine in Ostthüringen vom Amt für Verfassungsschutz beobachtet? Wenn ja, welche? 6. Wurden im Zeitraum von 2013 bis 2016 in Thüringen islamistisch oder ausländerextremistisch motivierte Straftaten in und außerhalb von Asylbewerberunterkünften, die sich gegen Christen oder islamische K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Möller und Muhsal (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3687 Apostaten richteten, zur Anzeige gebracht (falls ja, bitte nach Ermittlungsstand, Tathergang, Staatsangehörigkeit der Tatverdächtigen und Opfer, Aufenthaltsstatus der Tatverdächtigen und Opfer und Delikt aufschlüsseln)? 7. Wurden Prüfverfahren wegen Einstellung der Ermittlungsverfahren bezüglich der in Frage 6 erfragten Straftaten gemäß § 154 Abs. 1 Strafprozessordnung eingeleitet? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, mit welchem Ausgang? 8. Wie schätzt die Landesregierung die generelle Lage von Christen und islamischen Apostaten in Asylbewerbereinrichtungen in Thüringen im Hinblick auf Drangsalierungen, Diskriminierungen und körperliche Übergriffe ein? 9. Mussten Opfer oder Täter im Rahmen von religiösen Konflikten in Asylbewerbereinrichtungen in Ostthüringen in andere Einrichtungen verlegt werden (wenn ja, bitte nach Asylbewerbereinrichtungen aufschlüsseln )? 10. Liegen der Landesregierung Informationen über Rekrutierungsversuche, Spendenkampagnen und andere islamistische Aktivitäten in Asylbewerbereinrichtungen in Ostthüringen beispielsweise im Rahmen der Asylbewerberbetreuung vor? Wenn ja, welche Maßnahmen hat die Landesregierung zur Vermeidung solcher Werbeversuche unternommen? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 3. April 2017 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die zitierte Quelle "Tichys-Einblick" wird in Medienberichten als rechtspopulistischer Blog, welcher durch seinen Jargon und Haltung, den journalistischen Bereich der Berichterstattung und seine Selbstbeschreibung als "liberal-konservativ" verlassen habe, und mit dem Blog "Politically Incorrect" auf einer Stufe stehe , bewertet. Zu 1.: Das islamistische Personenpotential im Raum Ostthüringen bewegt sich im unteren zweistelligen Bereich. Die Personen stammen aus dem nordafrikanischen, arabischen, kaukasischen und asiatischen Raum. Festgefügte islamistische Organisationsstrukturen sind nicht bekannt. Es handelt sich hier um eine eher lose Anhängerschaft. Eine eindeutige Zuordnung im Sinne einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten islamistischen Organisation ist nicht möglich. Zusätzlich geht das Amt für Verfassungsschutz Hinweisen zu mutmaßlichen Islamisten unter Asylsuchenden nach, die sich für das Gebiet Ostthüringen ebenfalls im unteren zweistelligen Bereich bewegen. Letztere stammen mehrheitlich aus dem arabischen, türkischen und asiatischen Raum. Zu 2.: Das in Ostthüringen festgestellte islamistische Personenpotential besucht in der Regel die dort vorhandenen Moscheevereine und Gebetsräume. Aufgrund fehlender mitgliedschaftlicher Strukturen kann eine Zuordnung von Gläubigen zu einzelnen Moscheevereinen und/oder Gebetsräumen nicht erfolgen. Zu 3.: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Die in dieser Angelegenheit geführten Ermittlungen der Sicherheitsbehörden führten nicht zu einer Verdichtung der Ausgangsinformationen . Zu 4.: Die Sicherheitsbehörden gehen einer Vielzahl von Hinweisen zu mutmaßlichen aktiven und ehemaligen Kämpfern, Unterstützern und Sympathisanten terroristischer Organisationen wie dem sogenannten Islamischen Staat (IS), der Nusra-Front oder den Taliban unter Flüchtlingen nach. Die Qualität der Hinweise variiert vom "Hörensagen" bis hin zur Übermittlung konkreter Sachverhalte. Zu 5.: Die religiöse Praxis von islamischen Kultur- und Moscheevereinen ist durch das in Artikel 4 Grundgesetz verbriefte Recht auf Religionsfreiheit geschützt. 3 Drucksache 6/3687Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Gemäß den gesetzlichen Regelungen ist die Zuständigkeit des Amtes für Verfassungsschutz nur bei islamistischen Bestrebungen gegeben, die nach einer teilweisen beziehungsweise vollständigen Abschaffung zentraler Kernelemente des Grundgesetzes zugunsten der Verwirklichung einer dogmatisch rigorosen islamischen Staats- und Gesellschaftsordnung als Gegenentwurf zur westlichen Demokratie streben. Zu 6.: Bei den Thüringer Strafverfolgungsbehörden wurden zwei Vorfälle zur Anzeige gebracht, die sich am 14. und 17. November 2014 in Gera ereignet haben sollen. Gegenstand des Vorfalls vom 14. November 2014 ist eine körperliche Auseinandersetzung zwischen drei Personen afghanischer Staatsangehörigkeit einerseits und einer weiteren Person afghanischer Staatsangehörigkeit andererseits. Als Anlass für den Angriff stand eine Abwendung vom Islam und Hinwendung zum Christentum im Raum. Ein solcher Verdacht hat sich im Rahmen der Ermittlungen nicht erhärtet. Gegenstand des Vorfalls vom 17. November 2014 ist eine erneute körperliche Auseinandersetzung zwischen einerseits den drei Personen auf der einen Seite der vorgenannten Auseinandersetzung und andererseits der Person auf der anderen Seite der vorgenannten Auseinandersetzung sowie einer weiteren Person. Die drei Personen auf der einen Seite der Auseinandersetzung vom 14. November 2014 sollen die beiden anderen Personen am 17. November 2014 mit dem Ziel erneut angegriffen haben, eine Strafanzeige wegen des Vorfalls vom 14. November 2014 zurückzuziehen. Nachdem wegen des Vorfalls vom 17. November 2014 Anklage zum Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Gera erhoben worden war, wurde das Verfahren gegen die drei Angeklagten durch das Amtsgericht Gera nach Erfüllung von Auflagen gemäß § 153a Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Zu 7.: Das Ermittlungsverfahren wegen des in der Antwort auf Frage 6 genannten Vorfalls vom 14. November 2014 wurde zunächst gemäß § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf die in dem Strafverfahren wegen der aufgrund des in der Antwort zu Frage 6 genannten Vorfalls vom 17. November 2014 zu erwartenden Strafe vorläufig eingestellt. Nachdem das Verfahren wegen des Vorfalls vom 17. November 2014 vom Amtsgericht Gera nach § 153a StPO eingestellt wurde, hat die Staatsanwaltschaft die Wiederaufnahme des vorläufig nach § 154 StPO eingestellten Verfahrens geprüft. Im Ergebnis dieser Prüfung wurde das Verfahren wieder aufgenommen und sodann mit Zustimmung des Gerichts gemäß § 153 Abs. 2 StPO erneut eingestellt. Zu 8.: Das Grundgesetz garantiert jedem Asylsuchenden in der Bundesrepublik unverletzliche Menschenrechte, wie die körperliche Unversehrtheit und die Religionsfreiheit. Dieses Wertebekenntnis gilt es mit allen zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln zu schützen und Grundrechtsverletzungen mit geeigneten präventiven und repressiven Maßnahmen entgegenzutreten. Zu 9.: Verlegungen sind der Landesregierung nicht bekannt. Zu 10.: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse über Fälle vor, in denen Angehörige der hiesigen islamistischen Szene versuchten, in Thüringen aufhältige Flüchtlinge zu radikalisieren oder für den Jihad zu rekrutieren . Gleichwohl werden alle Hinweise auf solche Aktivitäten geprüft. Im Übrigen wird auf die bisherige Berichterstattung der Landesregierung verwiesen, insbesondere auf die Beantwortung der Fragen 1 und 6 der Kleinen Anfrage 1354 "Rekrutierungsbemühungen des Islamischen Staats in Thüringen" (Drucksache 6/2942). Dr. Poppenhäger Minister Endnote: 1 Unter Ostthüringen werden hier die kreisfreien Städte Jena und Gera sowie die Landkreise Altenburger Land, Greiz und der Saale-Holzland-Kreis sowie der Saale-Orla-Kreis verstanden. 2 Vergleiche http://www.tichyseinblick.de/gastbeitrag/unterdrueckte-christen-im-asylheim-innenansichten-eines-pfarrers /. 3 Vergleiche https://www.thueringen.de/mam/th3/tim/verfassungsschutzbericht/160921_verfassungsschutzbericht_ pressedruckfassung.pdf. 4 Vergleiche http://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-10/anti-terror-razzien-in-thueringen. Islamismus in Ostthüringen1 Wir fragen die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Endnote: