07.04.2017 Drucksache 6/3721Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 25. April 2017 Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Thüringen Die Kleine Anfrage 1952 vom 24. Februar 2017 hat folgenden Wortlaut: Zum 1. Januar 2017 trat das Bundesteilhabegesetz in Kraft. Das Gesetz schafft mehr Mög lichkeiten und mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderungen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie ist der aktuelle Stand der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Thürin gen? 2. Welchen Zeitplan für die Umsetzung gibt es? 3. Wie wird die Beteiligung der Verbände sichergestellt? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 6. April 2017 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen, kurz Bundesteilhabegesetz (BTHG), ist als Artikelgesetz ausgestaltet. Es ist ein Bundesgesetz, mit dem der Gesetzgeber sich das Ziel gesetzt hat, auch im Hinblick auf die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) eine zeitgemäßere Gestaltung mit besserer Nutzerorientierung und Zugänglichkeit sowie eine höhere Effizienz der deutschen Eingliederungshilfe zu erreichen. Durch das Gesetz ist ein Systemwechsel beabsichtigt, in dessen Zuge die Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe herausgenommen und ein eigenes entsprechendes Leistungsrecht im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) begründet werden soll. Insgesamt tritt das Bundesteilhabegesetz in vier Reformstufen in Kraft. In seinen ersten Teilen ist es am 30. Dezember 2016 bzw. am 1. Januar 2017 in Kraft getreten. - Es verschiebt alle Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung aus der Sozialhilfe in das Recht der Rehabilitation, - regelt die Leistungen der Eingliederungshilfe auch inhaltlich neu, - verändert die Regelungen zur Kostenheranziehung von Menschen mit Behinderung und ihren Angehörigen , - bestimmt das Verfahren zur Beantragung und Bedarfsermittlung der Teilhabeleistungen, - reformiert das Vertragsrecht zwischen den Einrichtungen/ Diensten und den Kostenträgern der Eingliederungshilfe , K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Zippel (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3721 - verändert die Schnittstelle zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung (das Pflegestärkungsgesetz III wird gleichzeitig mitgeregelt), - erneuert das Recht zur Teilhabe am Arbeitsleben und - reformiert den Allgemeinen Teil des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IX). Zu 1.: Auf Bundesebene wurde unter Federführung des ASMK-Vorsitzlandes Brandenburg und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) eine Länder-Bund-Arbeitsgruppe zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (LBAG BTHG) ins Leben gerufen. Die Arbeitsgruppe soll dem regelmäßigen Erfahrungsaustausch zu Grundsatzfragen der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes, wie z.B. zur Bestimmung der Träger der Eingliederungshilfe, zur Rechtsverordnung zur Bestimmung des Näheren über die Instrumente der Bedarfsermittlung (§ 142 SGB IX) und zu den Eckpunkten für einheitliche Landesrahmenverträge in der Eingliederungshilfe ab 2018, dienen. Die im Rahmen der Arbeitsgruppe zum Thema "Bestimmung der Träger der Eingliederungshilfe" gebildete Unterarbeitsgruppe tagte am 3. April 2017 das erste Mal. Auf Landesebene wurden bzw. werden gegenwärtig Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden und der LIGA der freien Wohlfahrtspflege zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes geführt und verschiedene Gestaltungsansätze diskutiert. Zu 2.: Die zeitliche Abfolge der Umsetzungsaufgaben, die sich aus dem Bundesteilhabegesetz ergeben, richtet sich nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der einzelnen Regelungen. Hinsichtlich der bereits in Kraft getretenen Regelungen des Bundesteilhabegesetzes (am 30. Dezember 2016 und am 1. Januar 2017) ergibt sich in Zuständigkeit des Landes folgender Handlungsbedarf: Im Bereich des SGB XII wurde zum 1. Januar 2017 in § 136 SGB XII eine Erstattungsregelung zwischen dem Bund und den Ländern eingeführt. Danach erstattet der Bund den Ländern für jeden Leistungsberechtigten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, dem ein Barbetrag gezahlt wird, weil er Leistungen der Eingliederungshilfe in einer stationären Einrichtung erhält, für jeden Monat des Bezugs eines Barbetrags einen Anteil von 14 Prozent der Regelbedarfsstufe 1. Die Bestimmung sieht hierzu ein Meldeverfahren für die Länder vor. Deshalb sollen entsprechende konkretisierende Regelungen in das Thüringer Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (ThürAGSGB XII) aufgenommen werden. Ein weiterer Handlungsbedarf im Jahr 2017 ergibt sich daraus, dass nach § 94 Abs. 1 BTHG, der zum 1. Januar 2018 in Kraft tritt, die Länder ab diesem Zeitpunkt die zukünftigen Träger der Eingliederungshilfe zu bestimmen haben. Insofern ist im Jahr 2017 das ThürAGSGB XII zu ändern und ein Ausführungsgesetz zum SGB IX zu erarbeiten und zu verabschieden. Die im Übrigen im Jahr 2017 eingetretenen gesetzlichen Änderungen sind in der Rechtsanwendung der jeweils zuständigen Träger zu berücksichtigen. Umsetzungsbedarf seitens des Landes besteht insoweit nicht. Wesentliche Aufgaben des Landes im Jahr 2018 werden sein: - Entscheidung über die Möglichkeit der Zulassung von Einrichtungen mit vergleichbarem interdisziplinärem Förder-, Behandlungs- und Beratungsspektrum wie interdisziplinäre Frühförderstellen im Landesrecht (Artikel 1 BTHG, § 46 Abs. 2 SGB IX). - Moderation der Verhandlung einer neuen Rahmenvereinbarung zur Früherkennung und Frühförderung zwischen den Leistungsträgern (Sozialhilfeträger und Krankenkassen) und den neuen Vereinbarungspartnern , das heißt den Leistungserbringern, gemäß Artikel 1 BTHG, § 46 Abs. 4 und 5 SGB IX. Bei Nichtzustandekommen einer Vereinbarung bis zum 31. Juli 2019 sollen die Landesregierungen Regelungen durch Rechtsverordnung treffen. - Durch Landesrecht sind maßgebliche Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen zu bestimmen , die an der Erarbeitung und Beschlussfassung der Rahmenverträge zwischen den Trägern der Eingliederungshilfe und den Leistungserbringern mitwirken (Artikel 1 BTHG, § 131 Abs. 2 SGB IX). 3 Drucksache 6/3721Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - Moderation der Verhandlungen zum Abschluss des Rahmenvertrages nach Artikel 1 BTHG, § 131 SGB IX. Kommt es innerhalb von sechs Monaten nach schriftlicher Aufforderung durch die Landesregierung nicht zum Abschluss von Rahmenvereinbarungen kann die Landesregierung die Inhalte durch Rechtsverordnung regeln. - Entscheidung über die Möglichkeit, durch Rechtsverordnung das Nähere über die Schiedsstelle zu bestimmen (Artikel 1 BTHG, § 133 Abs. 5 SGB IX). - Die Landesregierung oder die von ihr bestimmte Stelle haben die Behörden festzulegen, die über die Anträge auf Erstattung der Fahrgeldausfälle und Vorauszahlung entscheiden und die auf den Bund und das Land entfallenden Beträge auszahlen (Artikel 1 BTHG, § 233 Abs. 4 SGB IX). - Erstreckt sich der Nahverkehr auf das Gebiet mehrerer Länder, entscheiden die nach Landesrecht zuständigen Landesbehörden dieser Länder darüber, welcher Teil der Fahrgeldeinnahmen jeweils auf den Bereich ihres Landes entfällt (Artikel 1 BTHG, § 233 SGB Abs. 5 IX). - Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung das Nähere über das Instrument zur Bedarfsermittlung zu bestimmen (Artikel 12 BTHG, § 142 SGB IX). Die weiteren Regelungen zur Eingliederungshilfe treten erst zum 1. Januar 2020 in Kraft und sind im Wesentlichen in der Rechtsanwendung der jeweils zuständigen Träger zu berücksichtigen. Zu 3.: Wie bereits oben ausgeführt, wurde zu den Umsetzungserfordernissen, die sich aus dem Bundesteilhabegesetz ergeben, bereits Gespräche mit den Kommunalen Spitzenverbänden und der LIGA der freien Wohlfahrtspflege geführt. Im Rahmen der anstehenden Erarbeitung der erforderlichen Ausführungsgesetze bzw. Rechtsverordnungen wird eine Beteiligung der Vereine und Verbände der Menschen mit Behinderungen und der Kommunalen Spitzenverbände entsprechend der Vorgaben der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Landesregierung sowie für die Ministerien und die Staatskanzlei des Freistaats Thüringen (ThürGGO) erfolgen. Im Rahmen der Verhandlungen zu den abzuschließenden Rahmenverträgen sind im Übrigen die Leistungserbringer (Vereine und Verbände der freien Wohlfahrtspflege) und die Sozialhilfeträger als Träger der Eingliederungshilfe Verhandlungspartner. Darüber hinaus sind die durch Landesrecht bestimmten maßgeblichen Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderungen bei der Erarbeitung und Beschlussfassung der Rahmenverträge zu beteiligen. Daneben enthält das Bundesteilhabegesetz weitere Regelungen, die die Beteiligung der Vertreter der Verbände von Menschen mit Behinderungen vorsehen. Werner Ministerin Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: