11.04.2017 Drucksache 6/3735Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. April 2017 Auswirkungen des Bundesarchivgesetzes (BArchG) auf die Novellierung des Thüringer Archivgesetzes (ThürArchivG) Die Kleine Anfrage 1951 vom 23. Februar 2017 hat folgenden Wortlaut: Im Frühsommer vergangenen Jahres haben die Koalitionsfraktionen in einem Entschließungsantrag die Landesregierung gebeten, bis zum Juni 2017 eine inhaltliche Novellierung des Thüringer Archivgesetzes vorzulegen (vergleiche Drucksache 6/2320) und dabei Aspekte zu berücksichtigen, die auch Berührungspunkte mit eventuellen Neuregelungen im Bundesarchivrecht haben. Zwischenzeitlich ist auf Bundesebene der Novellierungsprozess beendet und das Bundesarchivgesetz vom Bundestag beschlossen worden. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Novelle des Bundesarchivgesetzes in Thüringen insgesamt und wie begründet sie dies? 2. Welche konkreten Auswirkungen hat das Bundesarchivgesetz auf die Novelle des Thüringer Archivgesetzes und wie bewertet dies die Landesregierung? 3. In welcher Form, mit welchen Schwerpunkten und mit welchen eventuellen Partnern hat sich die Landesregierung auf Bundesebene in die Debatte um die Novellierung des Bundesarchivgesetzes eingebracht? 4. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass das Bundesarchivgesetz die Möglichkeit für Nachrichtendienste eröffnet, selbst zu entscheiden, welche Akten ins Bundesarchiv gegeben werden? 5. Gibt es aus Sicht der Landesregierung Möglichkeiten, eine Anbietungspflicht auch für Nachrichtendienste auf Landesebene weiterhin festzuschreiben, obwohl im Bundesrecht eine andere Regelung getroffen wurde? Wenn ja, welche? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Mitteldorf (DIE LINKE) und Henfling (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t der Thüringer Staatskanzlei 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3735 Die Thüringer Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 11. April wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Novellierung des Bundesarchivgesetzes wird ausdrücklich begrüßt. Neben einer umfassenden Neustrukturierung , Straffung und sprachlichen Überarbeitung des Gesetzes von 1988 sind im novellierten Bundesarchivgesetz Neuerungen enthalten, die im Wesentlichen auf eine Anpassung an die Bedürfnisse der Informationsgesellschaft, die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Bundesarchivs im sogenannten Digitalen Zeitalter und die Entlastung der Bundesbehörden von IT-technischen Aufgaben bereits im Stadium der Zwischenarchivierung gerichtet sind. Im Kern ist es zudem ein Informationsfreiheitsgesetz, da Bürgerinnen und Bürger Einblick in Akten nehmen können. Dies ermöglicht im Nachhinein eine demokratische Kontrolle von Handlungen und Entscheidungen der Politik und Verwaltung. Zu 2.: Gemäß Artikel 70 Abs. 1 des Grundgesetzes haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. Da dem Bund weder in Artikel 73 des Grundgesetzes (ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes) noch in Artikel 74 des Grundgesetzes (konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes) die Gesetzgebungskompetenz für das Archivrecht verliehen worden ist, sind die Länder selbst für die Regelung des Umgangs mit ihrem Archivgut zuständig. Der Bund regelt dagegen über das Bundesarchivgesetz den Umgang mit Archivgut des Bundes. Adressat des Bundesarchivgesetzes sind somit in erster Linie die öffentlichen Stellen des Bundes. Einzelne Regelungen können sich jedoch auch unmittelbar auf die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die Landes - oder Kommunalarchive auswirken, nämlich dann, wenn beispielsweise Aufzeichnungen, die bei einer öffentlichen Stelle eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft in Ausführung von Bundesrecht entstanden sind oder wenn vom öffentlichen Archiv eines Landes Unterlagen nachgeordneter Stellen des Bundes übernommen werden. In diesen Fällen kann das Bundesrecht unmittelbar gelten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Regelungen des Bundesarchivgesetzes Auswirkung auf die Archivgesetzgebung der Länder in dem Sinne entfaltet, dass Regelungen des Bundesarchivgesetzes in die Ländergesetze übernommen werden müssten. Das Bundesarchivgesetz kann wie auch die neuere Archivgesetzgebung der anderen Länder als eine Orientierung ohne Verpflichtung für die Novellierung des Thüringer Archivgesetzes dienen, auch um Inkongruenzen bei der Zusammenarbeit von Bundes- und Länderebene möglichst zu vermeiden. Zu 3.: Die Landesregierung hat sich über die 935. Sitzung des Kulturausschusses des Bundesrates und in der und 590. Sitzung des Bundesrates in die Debatte um die Novellierung des Bundesarchivgesetzes eingebracht. In der 590. Sitzung des Bundesrates gab Thüringen eine Protokollerklärung ab, in der nicht nur Zustimmung, sondern auch Kritik an der Ausnahmeregelung für die Nachrichtendienste des Bundes geäußert wurde. Zu 4.: Im bisherigen § 2 Abs. 4 des Bundesarchivgesetzes war eine Abgabepflicht aller Einrichtungen geregelt, die der Zuständigkeit des Bundesarchivs unterliegen. In § 6 Abs. 1 Satz 2 des Bundesarchivgesetzes wird nun davon abweichend geregelt, dass Unterlagen der Nachrichtendienste anzubieten sind, wenn sie deren Verfügungsberechtigung unterliegen und zwingende Gründe des nachrichtendienstlichen Quellen- und Methodenschutzes sowie der Schutz der Identität der bei ihnen beschäftigten Personen einer Abgabe nicht entgegenstehen. Die Gesetzbegründung zum Bundesarchivgesetz führt dazu aus, dass diese Vorschrift an § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (PKGrG) angelehnt sei, wonach für die Bundesregierung eine Informationspflicht nur dann besteht, wenn Informationen und Gegenstände der Verfügungsberechtigung der Nachrichtendienste des Bundes unterliegen . Die Regelung des Bundesarchivgesetzes bezweckt die Sicherstellung und Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste des Bundes. Nachrichtendienstliche Informationen, die die Nachrichtendienste von ausländischen Stellen erhielten, müssten beispielsweise aufgrund zwischenstaatlicher Geheimschutzabkommen geheim gehalten werden, solange die ausländische Stelle nicht in die Weitergabe einwilligt. Diese Informationen unterlägen daher nicht der Verfügungsbefugnis der deutschen Nachrichtendienste oder ihrer Dienst- und Fachaufsichtsbehörden. Weiterhin müssten Informationen in geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten zum Erhalt der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste längerfristig unter Verschluss bleiben. Auch dürften zum Schutz der eigenen Bediensteten diese durch Archivanfragen 3 Drucksache 6/3735Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode auch 30 Jahre nach Schließung der Akten nicht recherchierbar sein, um nachrichtendienstlich einsetzbar zu bleiben. Zum Schutz dieser Daten müssen deshalb die Informationen längerfristig dem öffentlichem Zugriff entzogen bleiben, so dass eine Anbietung an das Bundesarchiv erst nach dem Tod der betroffenen Personen bzw. Einstellung der Methodik und Einzelfallprüfung in Betracht käme. Vor dem Hintergrund, dass Archive zum einen das "Gedächtnis unseres Staates" sind und es ihre Aufgabe ist, staatliches Verwaltungshandeln möglichst lückenlos zu dokumentieren, sie (regelmäßig) zur Gewährleistung des Schutzes von Verschlusssachen über eine Ausstattung mit einem sogenannten VS-Magazin verfügen und zum anderen Regelungen zu verlängerten Schutzfristen auf geheimhaltungsbedürftige Unterlagen von 60 Jahren (§ 11 Abs. 3 Bundesarchivgesetz) mit Option einer weiteren Verlängerung um 30 Jahre bestehen, sodass diese geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen zum Schutz des Staates und einzelner Personen nicht unbeschränkt offen zugängig sind, wird die nunmehr im Bundesarchivgesetz vorgesehene gesetzliche Beschränkung der Anbietungspflicht für Nachrichtendienste gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 Bundesarchivgesetz nur als eine von mehreren denkbaren Möglichkeiten zum gesetzgeberischen Ausgleich zwischen der Verfügbarmachung von behördlichen Unterlagen gegenüber den zuständigen Archiven einerseits und den öffentlichen und privaten Geheimhaltungsinteressen andererseits gesehen. Zu 5.: Im geltenden Thüringer Archivgesetz vom 23. April 1992, geändert durch Gesetz vom 2. Juli 2016 (GVBl. S. 228) ist bereits in § 11 Abs. 2 eine Abgabepflicht für die Nachrichtendienste verankert. Gemäß § 11 Abs. 1 sind alle unter § 3 Abs. 1 (Verfassungsorgane, Behörden, Gerichte und sonstige Stellen des Landes) und § 4 Abs. 1 (kommunale Einrichtungen) genannten öffentlichen Stellen verpflichtet ihr Archivgut dem zuständigen öffentlichen Archiv anzubieten. Ausnahmen sind hierbei nicht vorgesehen, so dass auch beispielsweise das Amt für Verfassungsschutz als Abteilung des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales dieser Abgabepflicht unterliegt. Zudem wird in § 11 Abs. 2 ausdrücklich geregelt, dass auch Unterlagen, die besonderen Rechtsvorschriften über die Geheimhaltung unterliegen, anzubieten sind. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Darüber hinaus wird das Thüringer Archivgesetz derzeit überarbeitet. In Vertretung Krückels Staatssekretär Auswirkungen des Bundesarchivgesetzes (BArchG) auf die Novellierung des Thü-ringer Archivgesetzes (ThürArchivG) Wir fragen die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: