11.04.2017 Drucksache 6/3736Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. April 2017 Reichsbürger und Staatsangehörigkeitsausweis Die Kleine Anfrage 1955 vom 24. Februar 2017 hat folgenden Wortlaut: Die Bewegung der sogenannten Reichsbürger stellt die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Frage und versucht, ihre staatsrechtliche Auffassung mit eigenen Ausweisdokumenten zu legitimieren. Der Themenkomplex steht inzwischen vermehrt im Mittelpunkt der öffentlichen Berichterstattung und bildet einen festen Bestandteil der politischen Debatte. Hierbei liegt der Fokus insbesondere auf dem aggressiven Auftreten der Reichsbürger gegenüber Staat und Behörden sowie deren Besitz von Waffen. Im Zuge der Befassung des Innen- und Kommunalausschusses des Landtags mit dem Thema am 17. Januar 2017 wurde durch die Landesregierung der Eindruck erweckt, dass Personen, die einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen, sogenannten Reichsbürgern in undifferenzierter Weise gleichgesetzt werden. Im Staatsangehörigkeitsgesetz des Bundes wird in § 3 Abs. 2 jedoch explizit ausgeführt, dass als deutscher Staatsangehöriger derjenige behandelt wird, dem ein Staatsangehörigkeitsausweis, Reisepass oder Personalausweis ausgestellt wurde. Auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern war bis zum Jahr 2013 nachzulesen, dass "der Bundespersonalausweis oder der deutsche Reisepass kein Nachweis über den Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit" sind. "Sie begründen lediglich die Vermutung, dass der Ausweisinhaber die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt". Die Möglichkeit, die Antragsformulare für einen Staatsangehörigkeitsausweis auf der Internetpräsentation des Bundesverwaltungsamts herunterzuladen und diesen dann bei der für den Bürger zuständigen Behörde zu beantragen, hinterlässt den Eindruck einer vollumfänglichen Gesetzeskonformität bei der Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Ich frage die Landesregierung: 1. Wer ist berechtigt, einen Staatsangehörigkeitsausweis zu beantragen? 2. Bei welchen Behörden kann ein Staatsangehörigkeitsausweis beantragt werden und welche Kosten sind mit der Ausstellung verbunden? 3. Welche Versagungsgründe bestehen im Hinblick auf die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises ? 4. Werden die Daten von Bürgern, welche einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragen, an das Amt für Verfassungsschutz weitergeleitet und falls ja, aufgrund welcher Rechtsgrundlage? 5. In welchen Fällen müssen Inhaber einer Waffenbesitzkarte damit rechnen, dass bei Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises ihre Waffenbesitzkarte eingezogen wird, auch wenn keine Verdachtsgründe vorliegen, dass der Beantragende der Reichsbürgerszene zuzuordnen ist? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Worm (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3736 6. Welche belastbaren Erkenntnisse gibt es zur Anzahl der Personen, die in Thüringen einen Staatsangehörigkeitsausweis beantragt haben und nachweislich der Reichsbürgerszene zuzuordnen sind? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 6. April 2017 (Eingang: 11. April 2017) wie folgt beantwortet: Zu 1.: Gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) kann der Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises von jeder Person ohne Vorliegen besonderer Voraussetzungen gestellt werden. Zu 2.: Der Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises kann bei den Staatsangehörigkeitsbehörden der Landratsämter und kreisfreien Städte gestellt werden. Gemäß § 38 StAG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Staatsangehörigkeits-Gebührenverordnung (StAGebV) beträgt die Gebühr für die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises 25,00 Euro. Zu 3.: Bei dem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises handelt es sich verfahrensrechtlich um einen Antrag auf die behördliche Feststellung, dass der Antragsteller deutscher Staatsangehöriger ist. Wird im Verlauf des Verfahrens festgestellt, dass die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besteht, erhält der Antragsteller einen Bescheid über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit. Der Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises kann nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 14. März 2016, Az.: VG 8 K 4238/15, abgelehnt werden, wenn der Antragsteller kein schutzwürdiges Sachbescheidungsinteresse nachweisen kann. Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat am 11. Januar 2017, Az: 9 A 227/16, ebenfalls entschieden, dass keine Verpflichtung der Behörde zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und zur Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises bei unzweifelhafter deutscher Staatsangehörigkeit besteht. Das ist z.B. dann der Fall, wenn der Antragsteller über entsprechende Ausweispapiere verfügt. Diese Rechtsprechung können die Staatsangehörigkeitsbehörden bei ihrer Bewertung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit zugrunde legen, wenn der Antragsteller kein schutzwürdiges Sachbescheidungsinteresse nachweisen kann. Zu 4.: Nur wenn sich aufgrund der Angaben des Antragstellers und/oder weiterer Äußerungen oder Mitteilungen im Verfahren tatsächliche Anhaltspunkte für die Zugehörigkeit des Antragstellers zum Phänomenbereich der "Reichsbürger" ergeben, wird eine Information an das Amt für Verfassungsschutz übermittelt. Rechtsgrundlage für diese Verfahrensweise ist § 19 Abs. 1 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes (ThürVerfSchG). Zu 5.: Bei Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG muss kein Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis damit rechnen, dass diese widerrufen wird, sofern keine Verdachtsgründe vorliegen, dass der Antragsteller dem Phänomenbereich der "Reichsbürger" zuzuordnen ist. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Zu 6.: Eine Umfrage in den Staatsangehörigkeitsbehörden Thüringens hat ergeben, dass im Jahr 2015 in Thüringen 313 Anträge auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gestellt wurden. Im Jahr 2016 waren es 407 Anträge. Wie viele Antragsteller dabei nachweislich dem Phänomenbereich der "Reichsbürger" zuzuordnen sind, ist den Behörden nicht bekannt. Im Jahr 2015 wurden in 189 Fällen, im Jahr 2016 in 314 Fällen Informationen über die Antragsteller an das Amt für Verfassungsschutz gegeben. Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Dr. Poppenhäger Minister Reichsbürger und Staatsangehörigkeitsausweis Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: