13.04.2017 Drucksache 6/3744Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 2. Mai 2017 Auswirkungen der elektronischen Gesundheitskarte für Flüchtlinge auf niedergelassene Ärzte in Thüringen Die Kleine Anfrage 1983 vom 3. März 2017 hat folgenden Wortlaut: Seit dem 1. Januar 2017 erhalten Flüchtlinge, die noch keine 15 Monate in Deutschland leben und deren Asylantrag noch bearbeitet wird, in Thüringen eine elektronische Gesundheitskarte. Der Leistungsumfang dieser Gesundheitskarte erstreckt sich auf die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände. Für Schwangere gelten Sonderregeln. Unzureichende Sprachkenntnisse führen regelmäßig dazu, dass während der Anamnese Informationen verfälscht, vorenthalten oder nicht übermittelt werden. Ferner leidet die strukturierte Abfragequalität. Um diagnostische Fehlerrisiken zu vermeiden, sind in der Regel aufwändigere und vor allem zeitintensive körperliche Untersuchungen einschließlich einer Basisdiagnostik durchzuführen , die bei ausreichenden Sprachkenntnissen vermeidbar wären. Mangelnde Sprachkenntnisse werfen auch Fragen der ärztlichen Haftung auf, etwa bei der ordnungsgemäßen therapeutischen (medikamentösen ) Aufklärung einschließlich Verhaltensempfehlungen bei Nebenwirkungen. Ich frage die Landesregierung: 1. Korrespondieren die Behandlungspauschalen für Flüchtlinge mit dem Vergütungssystem "Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM)" der vertragsärztlichen Versorgung und wenn nicht, auf welcher Grundlage wurden die Behandlungspauschalen festgelegt? 2. Welche Service-Dienstleistungen werden seitens der Landesregierung und den Kommunen bereitgestellt , um niedergelassene Ärzte bei Sprachbarrieren während der Anamnese und Behandlung akuter Erkrankungen, etwa durch Dolmetscherdienstleistungen, zu unterstützen? 3. Sind die unter Frage 2 erfragten Service-Dienstleistungen stets, das heißt für einen Schmerzpatienten in angemessener Wartezeit, abrufbar? 4. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung, den EBM mit Gebührenordnungspositionen, die den zeitlichen und gegebenenfalls auch diagnostischen Mehraufwand wegen sprachlichen Barrieren kompensieren , zu erweitern? 5. Ab welchem Sprachniveau, gemessen am gemeinsamen europäischen Referenzrahmen, ist ein Patient in der Lage, eine ärztliche Konsultation ohne Dolmetscher im jeweiligen Aufenthaltsland wahrzunehmen? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Krumpe (fraktionslos) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3744 6. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass mangelnde Sprachkenntnisse des Patienten ärztliche Haftungsproblematiken hervorrufen können und wenn ja, wie sollen sich niedergelassene Ärzte in akuten Fällen aus Sicht der Landesregierung verhalten, um Haftungsproblematiken zu minimieren? 7. Ist eine in Thüringen ausgestellte elektronische Gesundheitskarte auch in anderen Bundesländern problemlos einsetzbar? 8. Können die Leistungserbringer Ärzte anhand der elektronischen Gesundheitskarte unterscheiden, ob dem Patienten nur ein eingeschränkter oder der volle Leistungsumfang zur Verfügung steht? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 12. April 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.. Gemäß der abgeschlossenen Rahmenvereinbarung zur Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung nach § 264 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit den §§ 1, 1a sowie 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) im Freistaat Thüringen zwischen dem Freistaat Thüringen, vertreten durch das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und den Kommunalen Spitzenverbänden Thüringens sowie den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen in Thüringen ist die Abrechnung nach dem Vergütungssystem EBM festgelegt worden. Zu 2.: Die Bewilligung von Dolmetscherleistungen im Zusammenhang mit einer notwendigen ärztlichen Behandlung richtet sich nach den §§ 4 und 6 des AsylbLG. Hier kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Es handelt sich um gesetzlich geregelte Leistungen, die den Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG bei Vorliegen der gesetzlich bestimmten Voraussetzungen gewährt werden. Darüber hinaus fördert das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz mit der Projektförderrichtlinie Integration unter anderem auch Angebote zur Sprachmittlung, zur ehrenamtlichen Alltagsbegleitung oder die Vermittlung von Patenschaften und Mentoren. So hat beispielsweise das Projekt SprInt- Pool der IBSgGmbH die Vermittlung von Sprach- und Integrationsmittlern zum Inhalt, welche bei Arzt- und Krankenhausbesuchen zur Erleichterung der Anamnese und Diagnostik sowie zur Vermeidung von Mehrfachterminen und Fehlbehandlungen eingesetzt werden können. Zudem erfolgt durch das Projekt "Akzeptanz !“ des Akzeptanz e. V. in Gera eine Förderung des Einsatzes von Sprachmittlern. Mit dem ebenfalls geförderten Projekt des Malteser Hilfsdienstes e. V. in "Ausweitung des Einzugsbereiches der ehrenamtlichen psychosozialen und medizinischen Beratung für Geflüchtete" im Ilm-Kreis wird vom Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz die kulturspezifische und herkunftssprachliche Vermittlung im Gesundheitsbereich unterstützt. Zu 3.: Der konkrete Einsatz von Sprachmittlern wird statistisch nicht erfasst. Zu 4.: Änderungen des EBM sind dem Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 3 SGB V vorbehalten. Dieser ist ein Gremium in der Gesetzlichen Krankenversicherung, besetzt von Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen. Eine Mitwirkung oder Einflussnahme der Länder ist hierbei nicht vorgesehen. Zu 5.: Eine Aussage, ab welchem Sprachniveau ein Patient in der Lage ist, eine ärztliche Konsultation ohne Dolmetscher wahrzunehmen, ist nicht möglich. Zu 6.: Der niedergelassene Arzt sollte sich jedoch im Rahmen seiner Praxistätigkeit zur Vermeidung von Behandlungsfehlern und daraus folgenden Schadensersatzansprüchen im Einzelfall vergewissern, dass dem Patienten die Aufklärung zu wesentlichen Umständen der ärztlichen Behandlung verständlich ist. Andernfalls sollte eine sprachkundige Person oder im Falle einer umfangreichen oder komplexen Aufklärung eine Dol- 3 Drucksache 6/3744Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode metscherin/ein Dolmetscher oder sprachkundiger Angehöriger eingeschaltet werden, damit die ärztliche Aufklärung hinreichend übersetzt werden kann. Sofern sich durch mangelnde Sprachkenntnisse des Patienten für den niedergelassenen Arzt Haftungsprobleme ergeben sollten, sind diese durch die Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt. Zu 7.: Ja Zu 8.: Seit 1. November 2016 ist nach § 291 Abs. 2 SGB V festgelegt, dass bei Vereinbarungen nach § 264 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz SGB V die elektronische Gesundheitskarte die Angabe enthält, dass es sich um einen Empfänger von Gesundheitsleistungen nach den §§ 4 und 6 des Asylbewerberleistungsgesetzes handelt (Artikel 11 Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz). Somit ist gewährleistet, dass der Arzt erkennt, ob einem Patienten nur ein eingeschränkter oder der volle Leistungsumfang zur Verfügung steht. In Vertretung Feierabend Staatssekretärin Auswirkungen der elektronischen Gesundheitskarte für Flüchtlinge auf niederge-lassene Ärzte in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.. Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: