27.04.2017 Drucksache 6/3835Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 17. Mai 2017 Angebote zur psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen in Thüringen1 - Teil I Die Kleine Anfrage 2019 vom 16. März 2017 hat folgenden Wortlaut: Flüchtlinge sollen Medienberichten zufolge bis zu zehnmal häufiger als der Bevölkerungsdurchschnitt unter psychischen Erkrankungen, vor allem posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Angsterkrankungen und Depressionen leiden.2 Die Folgen für die Sicherheit und innere Ordnung in Deutschland und Thüringen können gravierend sein und sind es auch: ln der Medienberichterstattung über Körperverletzungs- und Tötungsdelikte fällt zunehmend auf, dass es "psychisch gestörte" Täter (gewesen) sein sollen. Nach Kenntnis der Gesellschaft für Psychotraumatologie haben "die Betroffenen (Anm.: einer PTBS) erhebliche Schwierigkeiten im Umgang mit belastenden oder unangenehmen Gefühlen wie zum Beispiel Ärger, Wut oder Trauer . Es gelingt ihnen nicht, die nötige Distanz zu den inneren Vorgängen herzustellen und sich selbst zu beruhigen . Entsprechend reagieren sie ... unverhältnismäßig emotional, zum Teil bis hin zum Kontrollverlust".3 Ich frage die Landesregierung: 1. Welcher Anteil der sich in Thüringen (auch dauerhaft) aufhaltenden Flüchtlinge ist nach Kenntnis und/ oder Einschätzung der Landesregierung psychisch erkrankt oder traumatisiert (bitte die Quelle angeben , auf welcher die Angaben der Landesregierung beruhen)? 2. Wie viele Flüchtlinge haben von dem Jahr 2015 bis heute Angebote des Psychosozialen Zentrums für Flüchtlinge in Jena in Anspruch genommen (bitte nach Angeboten und Jahresscheiben aufschlüsseln)? 3. Wie viele Stellen waren beim oben genannten Zentrum jeweils vorgesehen und besetzt zum: a) 1. Januar 2015, b) 1. Januar 2016, c) 1. Januar 2017 (bitte nach der Qualifikation und den Sprachkenntnissen der Stelleninhaber aufschlüsseln)? 4. Wie viele Landesmittel standen dem oben genannten Zentrum seit dem 1. Januar 2015 zur Verfügung (bitte nach Jahresscheiben und Haushaltstiteln [mit Angabe der SOLL- und IST-Ausgaben] aufschlüsseln und auch gesondert die Mittel angeben, welche zur Kofinanzierung von EU- oder Bundesmitteln dienen)? 5. Wurden die Angebote des oben genannten Zentrums auch auf andere Standorte in Thüringen ausgeweitet (wenn ja, bitte nach den Standorten gemäß den Fragen 2, 3 und 4 aufschlüsseln; wenn nein, bitte angeben, ob [bis wann] eine solche Ausweitung geplant ist)? 6. Welche anderen Angebote zur psychosozialen Betreuung von Flüchtlingen werden in Thüringen durch Landesmittel gefördert (bitte gemäß Frage 4 aufschlüsseln)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Brandner (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3835 Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 26. April 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der Landesregierung liegen keine statistischen Daten zur Beantwortung der Frage 1 vor. Zu 2.: Nach Auskunft des Psychosozialen Zentrums haben vom 1. Januar 2015 bis 1. April 2017 insgesamt 683 Klientinnen /Klienten Angebote dieses Zentrums in Jena in Anspruch genommen. Die Aufteilung nach Angeboten und Jahresscheiben untergliedert sich wie folgt (die nachfolgenden Angaben enthalten Mehrfachnennungen): Im Jahr 2015 haben 205 Klientinnen/Klienten diese Angebote angenommen. Davon haben • 130 Klientinnen/Klienten Therapien, • 146 Klientinnen/Klienten Sozialberatung, • 41 Klientinnen/Klienten die Frauengruppe wahrgenommen. Im Jahr 2016 haben insgesamt 241 Klientinnen/Klienten Angebote wahrgenommen. Davon haben • 152 Klientinnen/Klienten Therapie, • 136 Klientinnen/Klienten Sozialberatung, • 34 Klientinnen/Klienten Körpertherapie, • 14 Klientinnen/Klienten ärztliche Beratung & Vermittlung, • 40 Klientinnen/Klienten Frauengruppe, • 38 Klientinnen/Klienten Kunsttherapie für Kinder wahrgenommen. Im Jahr 2017 haben insgesamt 237 Klientinnen/Klienten (Stand: 1. April 2017) Angebote wahrgenommen. Davon haben • 178 Klientinnen/Klienten Therapie, • 179 Klientinnen/Klienten Sozialberatung, • 73 Klientinnen/Klienten Körpertherapie, • 20 Klientinnen/Klienten Kunsttherapie, • 11 Klientinnen/Klienten ärztliche Beratung und Vermittlung wahrgenommen. Zu 3. a: Zum 1. Januar 2015 waren nach Auskunft des Psychosozialen Zentrums rechnerisch 1,3 Stellen Vollzeitkräfte (VK) Psychologen, 1,0 VK Sozialarbeiter sowie 0,5 VK Verwaltungsmitarbeiter vorgesehen und besetzt. Im Übrigen wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage 269 vom 15. April 2015 - Psychosoziale Versorgung von Flüchtlingen - Antwort zu Frage 1 a verwiesen. Zu 3. b: Zum 1. Januar 2016 waren nach Auskunft des Psychosozialen Zentrums bei oben genannten Zentrum rechnerisch 2,27 VK Psychologen/Therapeuten, 1,85 VK Sozialarbeiter/Projektmitarbeiter und 1,12 VK Verwaltungsmitarbeiter vorgesehen und besetzt. Zu 3. c: Zum 1. Januar 2017 waren nach Auskunft des Psychosozialen Zentrums bei oben genannten Zentrum rechnerisch 1,8 VK Geschäftsführer/ Verwaltung, 0,5 VK Arzt, 6,0 VK Therapeuten und 4,92 VK Sozialarbeiter/ Projektmitarbeiter vorgesehen und besetzt. Die Stelle einer weiteren vorgesehenen Kinder- und Jugendlichen -Therapeutin war in diesem Zeitpunkt nicht besetzt. Alle Stelleninhaber sprechen Deutsch, die meisten Englisch, einige verfügen über Sprachkenntnisse in Arabisch , Persisch, Russisch, Italienisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Dari, Niederländisch, Türkisch oder Albanisch. 3 Drucksache 6/3835Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 4.: Das Psychosoziale Zentrum für Flüchtlinge in Jena wurde in den Jahren 2015 und 2016 im Rahmen einer Kofinanzierung von EU-Mitteln aus dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF) über die "Richtlinie zur Gewährung von Zuwendungen des Freistaates Thüringen für die Förderung der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund“ (Projektförderrichtlinie Integration) aus den Mitteln des Kapitels 05 02 Titel 684 72 gefördert. Die bewilligte Zuwendung über die Projektförderrichtlinie Integration dient der Kofinanzierung des AMIF- Projekts "Therapeutische Behandlung und psychosoziale Unterstützung traumatisierter Flüchtlinge in Thüringen " mit einer vom Träger vorgesehenen Projektlaufzeit von drei Jahren. Ab dem 1. Juni 2016 wurde das oben genannten Zentrum vom Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF) aus den Mitteln des Kapitels 08 29 Titel 684 71 gefördert. Hierbei handelt es sich um keine Kofinanzierung von EU- oder Bundesmitteln. Jahr Haushaltsstelle Kapitel/Titel SOLL in Euro IST-Ausgaben in Euro 2015 05 02-684 72 35.000 17.050 2016 gesamt 05 02-684 72 35.000 35.000 ab 1. Juni 2016 08 29-684 71 163.203,03 163.203,03 2017 08 29-684 71 *710.000,00 **80.000,00 * In der genannten Haushaltsstelle stehen Haushaltsmittel für die psychosoziale Versorgung von Flüchtlingen in Höhe von insgesamt 710.000,00 Euro für alle Projekte zur Verfügung. ** Abschlagszahlungen, Stand: 12. April 2017 Zu 5.: Ja, es wurde ein weiterer Standort in Erfurt eröffnet. Bezug zu Frage 2: Am Standort in Erfurt haben nach Auskunft des Psychosozialen Zentrums im Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2016 insgesamt 44 Klientinnen/Klienten eine Therapie und 48 Klientinnen/Klienten eine Beratung in Anspruch genommen. Im Zeitraum vom 1. Januar bis 4. April 2017 haben nach Auskunft des Psychosozialen Zentrums 85 Klientinnen /Klienten eine Therapie, 81 Klientinnen/Klienten eine Beratung und neun Klientinnen/Klienten eine ärztliche Beratung und Vermittlung in Anspruch genommen. Bezug zu Frage 3: Zum 1. Januar 2017 waren nach Auskunft des Psychosozialen Zentrums am Standort in Erfurt rechnerisch 2,5 VK Therapeuten und 1,5 VK Sozialarbeiter tätig. Bezug zu Frage 4: Das vom Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz (TMMJV) geförderte Projekt wurde in den Jahren 2015 und 2016 am Standort Jena durchgeführt. Im Übrigen erfolgt keine Trennung der Landesmittel nach Standorten, siehe Antwort zu Frage 4. Zu 6.. Das Angebot der IPSO gGmbH (International Psychosocial Organisation) beinhaltet die Ausbildung von 28 muttersprachlichen Counselorn für eine niedrigschwellige psychosoziale Erstberatung der Flüchtlinge unter anderem mittels einer Video-Online-Sprechstunde. Die IPSO gGmbH wird wie folgt gefördert: Jahr Haushaltsstelle Kapitel/Titel SOLL in Euro IST-Ausgaben in Euro 2016 (ab 1. Juni) 08 29-684 71 328.305,00 328.305,00 2017 08 29-684 71 *offen ** 69.383,00 * siehe Antwort zu Frage 4; noch keine Bewilligung für dieses Projekt ** veranlasste Abschlagszahlung, Stand: 12. April 2017 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3835 Über die Projektförderrichtlinie Integration fördert das TMMJV das Projekt "Ausweitung des Einzugsbereichs der ehrenamtlichen psychosozialen und medizinischen Beratung für Geflüchtete" des Malteser Hilfsdienstes e.V. im Ilm-Kreis wie folgt: Jahr Haushaltsstelle Kapitel/Titel SOLL in Euro IST-Ausgaben in Euro 2016 (ab 1. September) 05 02-684 72 4.732,78 4.485,74 2017 (1. März bis 31.Dezember 05 02-684 72 5.776,67 5.776,67 Mit der Landesförderung erfolgte keine Kofinanzierung von EU- oder Bundesmitteln. Werner Ministerin Endnote: 1 Unter dem Oberbegriff "Flüchtlinge" werden hier Asylbewerber, anerkannte Asylberechtigte nach Artikel 16a Grundgesetz , Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiär Schutzbedürftige sowie vollziehbar Ausreisepflichtige subsumiert. 2 Vergleiche http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/psychisches-leid-von-fluechtlingen-trauma-und-kaum-therapie -a-1035564.html. 3 Vergleiche http://www.degpt.de/informationen/fuer-betroffene/trauma-und-traumafolgen/wie-%C3%A4u%C3%9Fernsich -traumafolgest%C3%B6rungen/komplexe-posttraumatische-belastungsst%C3%B6rung/. Angebote zur psychosozialen Versorgung von Flüchtlingen in Thüringen1 - Teil I Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3. b: Zu 3. c: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.. Endnote: