17.05.2017 Drucksache 6/3913Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 24. Mai 2017 Personelle Besetzung in den Thüringer Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften - nachgefragt Die Kleine Anfrage 2046 vom 23. März 2017 hat folgenden Wortlaut: Bezug nehmend auf die Antwort der Landesregierung in Drucksache 6/3084 ergeben sich einige Nachfragen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie definiert die Landesregierung den Begriff "Beratung" durch die Kommunalaufsicht? 2. Zählt die Landesregierung zur "Beratung" auch, wenn die Kommunalaufsicht mit Fristsetzung Entscheidungen der kommunalen Vertretungen fordert und welche Maßnahmen beziehungsweise Ersatzvornahmen können von der Kommunalaufsicht ergriffen werden, wenn die Kommunen derartigen Forderungen der Kommunalaufsicht nicht nachkommen? 3. Aus welchem Grund wird es den Gemeinschaftsversammlungen der Verwaltungsgemeinschaften (VG) nicht selbst überlassen, Bezug nehmend auf den Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung, selbst zu entscheiden, ob binnen einer Übergangszeit von circa einem Jahr (nach den Plänen der Landesregierung für eine Gebietsreform mit geplanter Abschaffung der Verwaltungsgemeinschaften), der VG-Vorsitz durch den gewählten Stellvertreter solange ehrenamtlich wahrgenommen wird? 4. Aus welchem Grund wurde beziehungsweise wird bei den in der Antwort der Landesregierung zu Frage 2 in Drucksache 6/3084 genannten Gemeinden von rechtsaufsichtlichen Maßnahmen bei der nach der Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) erforderlichen Besetzung mit hauptamtlichen Gemeindebeamten abgesehen? 5. Teilt die Landesregierung meine Auffassung, dass eine Ungleichbehandlung zwischen den Verwaltungsgemeinschaften und den Gemeinden durch die Kommunalaufsicht bei der Einforderung der Umsetzung der Regelungen zur Wahl des VG-Vorsitzenden und zur Besetzung der hauptamtlichen Gemeindebeamten erfolgt und wenn ja, wie wird dies begründet? 6. Bezug nehmend auf die mit der Antwort der Landesregierung in Drucksache 5/6895 zur Verfügung gestellten Anlage zu den Fragen 1 und 4 wurden welche konkreten Maßnahmen zwischenzeitlich bei den bereits damals betroffenen Gemeinden und den inzwischen hinzugekommenen Gemeinden durch die Kommunalaufsichten festgelegt, um den Vorgaben des § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO gerecht zu werden? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Lehmann (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3913 7. Weshalb wird beziehungsweise wurde bei den Gemeinden ohne hauptamtlichen Gemeindebeamten keine konkrete Frist zur Schaffung der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen durch die Kommunalaufsichten gesetzt? 8. Welche Vereinbarungen (schriftlich oder mündlich) gibt es zwischen welchen Kommunalaufsichten und welchen in der Antwort der Landesregierung in Drucksache 6/3084 genannten Gemeinden hinsichtlich der Anerkennung anderer Abschlüsse beziehungsweise Fortbildungen der ehrenamtlichen Bürgermeister , zum Beispiel die Teilnahme an Lehrgängen der Thüringer Verwaltungsschule Weimar, um damit den hauptamtlichen Gemeindebeamten gegebenenfalls zu ersetzen? 9. Nach welcher Rechtsnorm und unter welchen Voraussetzungen kann ein ehrenamtlicher Bürgermeister überhaupt den nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO geforderten Beamten ersetzen? Gibt es solche Fälle in Thüringen, bei denen dies geduldet oder genehmigt wurde und wenn ja, welche Gemeinden betrifft dies? 10. In welchen Fällen wurde aus welchem Grund und für welchen konkreten Zeitraum eine Nichtbesetzung gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO, wie zum Beispiel in der Gemeinde Hörselberg-Hainich, genehmigt? Welcher Zeitraum ist unter der Formulierung "im Rahmen eines längeren Anpassungsprozesses der Personalstruktur" (vergleiche Antwort der Landesregierung zu Frage 5 in Drucksache 5/6895) zu verstehen und maximal zulässig? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 15. Mai 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach § 116 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) sollen die Aufsichtsbehörden die Gemeinden und Landkreise bei der Erfüllung ihrer Aufgaben beraten, fördern und unterstützen, ihre Rechte schützen und sie in ihrer Entschlusskraft und Selbstverwaltung stärken. Gegenstand der Beratung der Gemeinden und Landkreise durch die Aufsichtsbehörden, die sowohl rechtlicher , fachlicher und wirtschaftlicher Art sein kann, ist die Klärung von Fragen des öffentlichen Rechts, die sich für die Gemeinden und Landkreise im Hinblick auf ihre Rechtsstellung, ihre Verfassung und Aufgabenerfüllung ergeben. Nach § 52 Abs. 2 ThürKO in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Satz 1 Thüringer Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (ThürKGG) unterliegen auch die Verwaltungsgemeinschaften der staatlichen Aufsicht. Zu 2.: Die Beratung der Gemeinden und Landkreise durch die Aufsichtsbehörden stellt eine präventive Maßnahme der Kommunalaufsicht dar. Im Gegensatz dazu stellt die konkrete Forderung nach einer bestimmten Entscheidung einer kommunalen Vertretung eine förmliche Maßnahme der Rechtsaufsicht im Sinne des § 120 Abs. 1 ThürKO dar, die grundsätzlich erst nach einer Beratung und Anhörung der Kommune ergriffen werden kann. Kommt eine Gemeinde oder ein Landkreis innerhalb einer gesetzten angemessenen Frist den Anordnungen der Rechtsaufsichtsbehörde nicht nach, so hat diese nach § 121 Abs. 1 Satz 1 ThürKO die notwendigen Maßnahmen anstelle und auf Kosten der Gemeinde oder des Landkreises zu treffen und zu vollziehen. Zu diesen notwendigen Maßnahmen können beispielsweise die Aufhebung eines rechtswidrigen Beschlusses , die Abgabe einer rechtlichen Erklärung der Gemeinde, die Aufhebung oder der Erlass eines Verwaltungsaktes oder der Erlass einer Satzung gehören. Zu 3.: Nach § 48 Abs. 3 Satz 1 ThürKO wählt die Gemeinschaftsversammlung einen hauptamtlichen Gemeinschaftsvorsitzenden auf die Dauer von sechs Jahren und aus ihrer Mitte einen oder zwei ehrenamtlich tätige Stellvertreter auf die Dauer ihres gemeindlichen Amtes. Daraus ergibt sich für die Verwaltungsgemeinschaft die Verpflichtung, rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des Gemeinschaftsvorsitzenden eine Neuwahl vorzunehmen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des § 4 Abs. 2 Thüringer Gebietsreform-Vorschaltgesetz (ThürGVG), der bestimmt, dass die Bildung, Änderung und Erweiterung von Verwaltungsgemeinschaften ausgeschlossen ist und die Auflösung bestehender Verwaltungsgemeinschaften durch Gesetz erfolgt. 3 Drucksache 6/3913Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Die ehrenamtlich tätigen Stellvertreter des Gemeinschaftsvorsitzenden vertreten diesen nach § 52 Abs. 2 und § 32 Abs. 1 Satz 2 ThürKO und § 23 Abs. 1 Satz 1 ThürKGG auch in den Fällen, in denen dieser tatsächlich oder rechtlich verhindert ist. Als Verhinderung gilt nach § 32 Abs. 1 Satz 2 ThürKO insbesondere auch der Fall der Nichtbesetzung des Amtes. Eine zeitliche Grenze sieht das Gesetz nicht vor. Daher prüfen die Rechtsaufsichtsbehörden nach Bewertung der tatsächlichen Voraussetzungen die Erforderlichkeit rechtsaufsichtlicher Maßnahmen im Zusammenhang mit der Besetzung des Amtes des Gemeinschafts-vorsitzenden in jedem Einzelfall. Zu 4.: In der Antwort der Landesregierung zu Frage 2 der Drucksache 6/3084 sind keine Gemeinden genannt. Ich gehe daher davon aus, dass mit dieser Fragestellung die Antwort der Landesregierung zu Frage 9 der Drucksache 6/3084 gemeint ist. Die Anpassung der Personalstruktur zur Umsetzung der Verpflichtung aus § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO kann nur im Rahmen eines längeren Anpassungsprozesses erfolgen. Die zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden haben im Rahmen der Begleitung dieses Anpassungsprozesses auch den in § 116 ThürKO verankerten Grundsatz der Gemeindefreundlichkeit und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Zu 5.: Eine Ungleichbehandlung vermag die Landesregierung nicht zu erkennen, da die in der Fragestellung angesprochenen Fälle nicht vergleichbar sind. Bei dem Gemeinschaftsvorsitzenden handelt es sich nach § 48 Abs. 1 ThürKO um ein gewähltes Organ einer Körperschaft. Dies ist bei einem geschäftsleitenden Beamten nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO, bei dem es sich in der Regel um einen Laufbahnbeamten im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit handelt, nicht der Fall. Ungeachtet dessen entscheiden die Rechtsaufsichtsbehörden hinsichtlich der Verpflichtung der Gemeinden nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO als auch der Verpflichtung der Verwaltungsgemeinschaften nach § 48 Abs. 3 Satz 1 ThürKO jeweils nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, ob und gegebenenfalls welche rechtsaufsichtlichen Maßnahmen ergriffen werden. Zu 6.: Bei den in der Anlage zu den Fragen 1 und 4 der Drucksache 5/6895 genannten Gemeinden haben die zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden im Rahmen ihres Beratungs- und Unterstützungsauftrags weiter auf die Erfüllung der Verpflichtung aus § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO hingewirkt. Nach der Schaffung neuer kommunaler Strukturen im Rahmen der Gebietsreform werden die zuständigen Rechtsaufsichtsbehörden im Rahmen dieser neuen Strukturen bei Gemeinden, die zukünftig gegebenenfalls ihrer Verpflichtung aus § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO nicht nachkommen, rechtsaufsichtlich tätig werden. Dies gilt auch für Gemeinden, die inzwischen diese Verpflichtung nicht mehr erfüllen. Zu 7.: Über ihre Personalmaßnahmen einschließlich der Umsetzung ihrer Verpflichtung aus § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO entscheiden die Gemeinden im Rahmen ihrer Personalhoheit. Die Anpassung der jeweiligen Personalstruktur kann einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen. Daher orientieren sich die Rechtsaufsichtsbehörden bei der Entscheidung über gegebenenfalls erforderliche rechtsaufsichtliche Maßnahmen an dem in § 116 ThürKO verankerten Grundsatz der Gemeindefreundlichkeit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dabei sind auch die jeweilige Haushaltssituation, anstehende Maßnahmen im Rahmen der Verwaltungs-, Funktional- und Gebietsreform sowie die gegebenenfalls vorliegenden Qualifikationen der Tarifbeschäftigten zu berücksichtigen. Zu 8. und 9.: Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 ThürKO müssen Gemeinden, die keiner Verwaltungsgemeinschaft angehören, das fachlich geeignete Verwaltungspersonal anstellen, das erforderlich ist, um den ordnungsgemäßen Gang der Geschäfte zu gewährleisten. Unbeschadet dessen müssen sie nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO als geschäftsleitenden Bediensteten mindestens einen hauptamtlichen Gemeindebeamten mit der Befähigung zum gehobenen Verwaltungsdienst haben, wenn nicht der Bürgermeister mindestens diese Befähigung besitzt und hauptamtlich tätig ist oder die Gemeinde einer Verwaltungsgemeinschaft angehört. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3913 Gemeinden, die keiner Verwaltungsgemeinschaft angehören und über einen ehrenamtlichen Bürgermeister verfügen, müssen daher einen hauptamtlichen Gemeindebeamten mit der Befähigung zum gehobenen Verwaltungsdienst haben. Dies gilt auch dann, wenn der ehrenamtliche Bürgermeister diese Befähigung besitzt. Zu 10.: Weder § 33 ThürKO noch eine andere Rechtsgrundlage sehen die Möglichkeit vor, eine Ausnahme von der Verpflichtung nach § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO durch die zuständige Rechtsaufsichtsbehörde zu genehmigen. Die Länge des erforderlichen "Anpassungsprozesses" der Personalstruktur in die Vorgaben des § 33 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO lässt sich nicht allgemein bestimmen, sondern hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Dr. Poppenhäger Minister Personelle Besetzung in den Thüringer Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaf-ten - nachgefragt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8. und 9.: Zu 10.: