17.05.2017 Drucksache 6/3914Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 26. Mai 2017 Integrationsfirmen in Thüringen Die Kleine Anfrage 2049 vom 23. März 2017 hat folgenden Wortlaut: Integrationsfirmen (geplante neue Bezeichnung: Inklusionsbetriebe) bieten für behinderte Menschen Arbeitsplätze mit tariflicher oder ortsüblicher Bezahlung und ermöglichen den Einstieg in den allgemeinen Arbeitsmarkt . Der Anteil schwerbehinderter Mitarbeiter liegt in Integrationsfirmen zwischen 25 und 50 Prozent und ist damit höher als in anderen Unternehmen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche konkreten Fördermaßnahmen für Integrationsfirmen gibt es in Thüringen? 2. Werden Integrationsbetriebe in Thüringen von Wirtschaftsfördermaßnahmen des Landes, insbesondere der Förderung von Ersatzinvestitionen ausgeschlossen? 3. Falls Frage 2 ganz oder teilweise mit Ja beantwortet wurde, welche Gründe gibt es dafür? 4. Falls Frage 2 mit Nein beantwortet wurde, welche Möglichkeiten gibt es für Integrationsbetriebe, Fördermittel des Landes insbesondere für Ersatzinvestitionen zu beantragen? 5. Inwieweit verhindert oder behindert gegebenenfalls das europäische Beihilferecht eine Förderung im Sinne von Frage 2 aus Landesmitteln? 6. Welche Möglichkeiten gibt es nach Kenntnis der Landesregierung in anderen Bundesländern zur Unterstützung von Integrationsunternehmen? 7. Inwieweit werden Integrationsbetriebe durch das geltende Vergaberecht in Thüringen in besonderer Weise berücksichtigt? 8. Wie beurteilt die Landesregierung gegebenenfalls den Erfolg der Berücksichtigung von Integrationsbetrieben im Vergaberecht? 9. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, Integrationsbetriebe bei der öffentlichen Auftragsvergabe in besonderer Weise zu berücksichtigen? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Möller (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3914 10. Welche Möglichkeiten sehen nach Kenntnis der Landesregierung die Vergabegesetze anderer Bundesländer zur speziellen Förderung von Integrationsunternehmen vor (bitte einzeln nach Bundesländern auflisten)? 11. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, Integrationsfirmen in Thüringen zukünftig zu fördern? 12. Wie können die Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung des Freistaats Thüringen mbH und die Thüringer Aufbaubank in die Förderung von Integrationsunternehmen eingeschlossen werden? Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 16. Mai 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Integrationsprojekte können gemäß § 134 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) aus Mitteln der Ausgleichsabgabe Leistungen für Aufbau, Erweiterung, Modernisierung und Ausstattung einschließlich einer betriebswirtschaftlichen Beratung und für besonderen Aufwand erhalten, vergleiche Antwort zu Frage 4. Zu 2.: Die Programme zur Wirtschaftsförderung richten sich grundsätzlich an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft, folglich an Wirtschaftsunternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht. Soweit Integrationsunternehmen darunter fallen, besteht somit die Möglichkeit zur Inanspruchnahme der Fördermöglichkeiten der Wirtschaftsförderung . Sofern Integrationsunternehmen keine Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft sind, ist eine Unterstützung im Rahmen der Wirtschaftsförderung regelmäßig nicht möglich. Die Unterstützung von reinen Ersatzinvestitionen ist nach den bundesweit gültigen Regelungen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) unabhängig von der Rechtsform und der Gewinnerzielungsabsicht generell ausgeschlossen (Ziffer 2.7.2 Abs. 2a) Teil II A GRW-Koordinierungsrahmen ). Über das Förderprogramm Thüringen-Invest können auch Ersatzinvestitionen von Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft gefördert werden, wenn hiermit entweder neue Arbeitsplätze geschaffen werden oder zumindest mit der Investition die bestehenden Arbeitsplätze gesichert werden und zugleich eine Verbesserung der Ressourceneffizienz oder eine Energieeinsparung erreicht wird. Über das Förderprogramm Thüringen-Dynamik können Ersatzinvestitionen von Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft mit Gewinnerzielungsabsicht mit Förderdarlehen unterstützt werden. Zu 3.: Zu den bestehenden Förderbeschränkungen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Die Nichtberücksichtigung von gemeinnützigen Unternehmen bei den genannten Förderprogrammen beruht zum einen auf dem Umstand, dass der Zuwendungsgeber aus volkswirtschaftlichen Erwägungen eine Kompensationswirkung für die staatlichen Ausgaben in Form einer Vereinnahmung künftiger Ertragssteuern bei gleichzeitiger Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen intendiert. Der Ausschluss von reinen Ersatzinvestitionen ist darin begründet, dass die Programme der Wirtschaftsförderung aus regionalwirtschaftlicher Sicht vorrangig der Generierung zusätzlichen Einkommens für den Wirtschaftsraum (Erhöhung des Kapitalstocks ) sowie der Sicherung und dem Aufbau zusätzlicher Beschäftigung in der Region dienen. Zu 4.: Gemäß § 134 SGB IX können Integrationsprojekte aus Mitteln der Ausgleichsabgabe Leistungen für Aufbau, Erweiterung, Modernisierung und Ausstattung erhalten. Als Leistungsarten kommen Zuschüsse, Darlehen und Zinszuschüsse in Frage. Bei der individuellen Förderung ist der Vorrang der Leistungen der Träger der Arbeitsförderung gemäß SGB III (Bundesagentur für Arbeit), der Grundsicherung gemäß SGB II (kommunale Arbeitsgemeinschaften und zugelassene kommunale Träger) und der beruflichen Rehabilitation nach § 18 Abs. 1 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) zu beachten. Die Förderung für Aufbau, Erweiterung, Modernisierung und Ausstattung der Integrationsprojekte umfasst Aufwendungen, die investiv notwendig sind, um Arbeitsplätze für die oben genannte Zielgruppe zu schaffen und zu erhalten. Dazu gehören die Kosten für den Bau, Umbau und die Instandsetzung von Gebäuden, für Einrichtungs- und Ausstattungsgegenstände, insbesondere für Maschinen und Geräte zur Arbeitsplatzausstattung . Bauinvestitionen können nur in Ausnahmefällen und dann mittels Darlehen gefördert werden und müssen in einem angemessenen Verhältnis zum geplanten Umfang des Betriebes und den sonstigen 3 Drucksache 6/3914Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Förderleistungen stehen. Art und Höhe der Leistung bestimmen sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Anteil der auf Arbeitsplätzen nach § 73 Abs. 1, § 102 Abs. 2 S. 3 SGB IX beschäftigten schwerbehinderten Menschen. Der Eigenanteil des Antragstellers soll in der Regel 30 vom Hundert der gesamten Aufwendungen betragen. Bei Investitionen wird die maximale Förderhöhe auf 30.000 Euro pro Arbeitsplatz festgelegt. Ersatzinvestitionen sind lediglich als Erweiterungs- und Modernisierungsinvestitionen im Rahmen der genannten Grenzen möglich. Wie bereits in den Antworten zu den Fragen 2 und 3 dargestellt, können gemeinnützige Unternehmen für Ersatzinvestitionen darüber hinaus nur eine Förderung mit Hilfe des Programms GuW Thüringen erhalten, sonstige Unternehmen können darüber hinaus Finanzhilfen aus dem Darlehensprogramm Thüringen-Dynamik oder unter den in Frage 2 genannten Voraussetzungen auch Zuschüsse aus der einzelbetrieblichen Gemeinschaftsaufgabe für regionale Wirtschaftsförderung oder aus dem Zuschuss- und Darlehensprogramm Thüringen-Invest erhalten, sofern die Firmen nicht einer Branche zuzuordnen sind, für die nach den jeweiligen Richtlinien ein genereller Förderausschluss gilt. Zu 5.: Wirtschaftsfördermaßnahmen für Integrationsbetriebe müssen sich im Rahmen des europäischen Beihilferechts bewegen. Eine Förderung von Ersatzinvestitionen von Integrationsfirmen ist grundsätzlich nach folgenden beihilferechtlichen Regelungen eröffnet: • Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18.12.2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen (de-minimis -VO), • Artikel 14 (Regionale Investitionsbeihilfen) und Artikel 17 (Investitionsbeihilfen für KMU) der Verordnung (EU) Nr. 651/2014 der Kommission vom 17.06.2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AGVO). Daneben bietet die AGVO besondere Fördermöglichkeiten zur Unterstützung benachteiligter Arbeitnehmer und Arbeitnehmer mit Behinderungen gemäß • Artikel 32 durch Beihilfen in Form von Lohnkostenzuschüssen für die Einstellung benachteiligter Arbeitnehmer , • Artikel 33 durch Beihilfen in Form von Lohnkostenzuschüssen für die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Behinderungen, • Artikel 34 durch Beihilfen zum Ausgleich der durch die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit Behinderungen verursachten Mehrkosten und • Artikel 35 durch Beihilfen zum Ausgleich der Kosten für die Unterstützung benachteiligter Arbeitnehmer. Zu 6.: Die Länder greifen grundsätzlich auf den Leistungskatalog des SGB IX und der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung sowie das neue Bundesprogramm der Inklusionsinitiative II "AlleImBetrieb" zurück . Eine konkrete Nennung der Förderinstrumentarien erfolgt in der Antwort zu Frage 11. Zu 7. bis 9.: Sofern Integrationsunternehmen mindestens 30 Prozent Menschen mit Behinderung beschäftigen, ist eine Beschränkung des Vergabeverfahrens auf diese Unternehmen nach § 118 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) möglich. Aus dem Rechtsgedanken dieser Vorschrift ist darüber hinaus grundsätzlich auch bei Unterschreitung der Schwellenwerte des § 106 GWB eine Berücksichtigung dieses Aspektes möglich. So können nach § 4 Thüringer Vergabegesetz soziale Belange auf allen Stufen des Vergabeverfahrens, namentlich bei der Auswahl der Bieter, der Erteilung des Zuschlags und den Bedingungen für die Ausführung des Auftrags berücksichtigt werden, wenn sie im sachlichen Zusammenhang mit der Auftragsleistung stehen und in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen angegeben sind. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass mit Inkrafttreten des § 215 Abs. 3 SGB IX n.F. durch die 3. Stufe der Einführung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) zum 1. Januar 2018 ab diesem Zeitpunkt Integrationsunternehmen generell einen Mindestbeschäftigungsanteil von Menschen mit Behinderungen in Höhe von 30 Prozent haben sollen. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3914 Mit Inkrafttreten der Regelung des § 224 Abs. 2 SGB IX n.F. (Fassung vom 23.12.2016) zum 1. Januar 2018 können ferner nun auch Aufträge der öffentlichen Hand, die von Integrationsfirmen ausgeführt werden können , bevorzugt den Integrationsfirmen angeboten werden. Bislang war diese Regelung lediglich den anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen vorbehalten gewesen. In Thüringen sind 22 Integrationsunternehmen am Markt aktiv - dies überwiegend schon seit Jahren. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Integrationsunternehmen wird grundsätzlich als stabil und mithin als erfolgreich eingeschätzt. Als ursächlich hierfür wird das Zusammenwirken aller in den Antworten genannten rechtlichen Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten gesehen. Zu 10.: Spezielle gesetzliche Regelungen zur Förderung von Integrationsunternehmen sind nach derzeitiger Kenntnis in den Vergabegesetzen anderer Bundesländer nicht ausdrücklich vorgesehen. Die besondere Förderung von Menschen mit Behinderung bzw. die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen ist jedoch im Hessischen Vergabe- und Tariftreuegesetz (§ 3 HVTG), im Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetz (§ 11 NTVergG) und im Tariftreue- und Vergabegesetz Schleswig-Holstein (§ 18 TTG) explizit geregelt. Zu 11.: Um Integrationsfirmen bei der dauerhaften Eingliederung von besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen zu unterstützen, bestehen verschiedene gesetzliche Förderinstrumente über die Integrationsfirmen auch in Zukunft gefördert werden können. Hier sind im Wesentlichen zu nennen: • finanzielle Leistungen für den Aufbau, die Erweiterung, die Modernisierung und Ausstattung einschließlich einer betriebswirtschaftlichen Beratung sowie Leistungen für besonderen Aufwand (§ 134 SGB IX aus Mitteln der Ausgleichsabgabe), • individuelle Förderung nach § 102 Abs. 3 Nr. 1, 2 und Abs. 4 SGB IX in Verbindung mit § 15 SchwbAV (Einzelplatzförderung), • § 26 SchwbAV (behinderungsgerechte Einrichtung von Arbeitsplätzen), • § 27 SchwbAV (Leistungen bei außergewöhnlichen Belastungen), • Förderungen nach dem SGB II und SGB III (Beschäftigungszuschüsse nach § 16e SGB II/Eingliederungszuschüsse nach § 88 ff. SGB III). Daneben können - soweit die Zuwendungsvoraussetzungen vorliegen - Integrationsfirmen als Arbeitgeber des allgemeinen Arbeitsmarktes von den Fördermöglichkeiten der ESF-kofinanzierten Weiterbildungsrichtlinie profitieren. Über diese Richtlinie werden Vorhaben zur beruflichen Anpassungsqualifizierung von Beschäftigten oder Selbstständigen gefördert. Darüber hinaus können über das Bundesprogramm "Inklusionsinitiative II - AlleImBetrieb" zusätzliche Arbeits - und Ausbildungsplätze in bestehenden oder neuen Integrationsprojekten geschaffen werden. Die Umsetzung des Programms erfolgt durch das Thüringer Integrationsamt. Zu 12.: Insofern eine Förderung über die ESF-kofinanzierte Weiterbildungsrichtlinie stattfindet, sind die Gesellschaft für Arbeits- und Wirtschaftsförderung des Freistaats Thüringen mbH (GFAW) und die Thüringer Aufbaubank (TAB) in die Förderung mit eingeschlossen. Die GFAW wurde als Beliehene des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF) mit der Durchführung von Förderaufgaben (Beratung, Antragsbewilligung, Verwendungsnachweisprüfung etc.) beauftragt. Darüber hinaus wurde die TAB von der GFAW unter Zustimmung des TMASGFF mit Aufgaben im Bereich der Mittelbewirtschaftung, des Zahlungsverkehrs und der Beitreibung von Forderungen betraut. Hinsichtlich der beschriebenen Leistungen aus dem SGB IX und der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung sowie des Bundesprogramms "Inklusionsinitiative II - AlleImBetrieb" erfolgt eine Förderung ausschließlich durch das Integrationsamt. Eine Abgabe an GFAW oder TAB ist nicht beabsichtigt. In Vertretung Maier Staatssekretär Integrationsfirmen in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7. bis 9.: Zu 10.: Zu 11.: Zu 12.: