19.05.2017 Drucksache 6/3949Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 30. Mai 2017 Rechte und extrem rechte Netzwerke und Vorfälle in Thüringer Justizvollzugsanstalten ? Die Kleine Anfrage 2050 vom 24. März 2017 hat folgenden Wortlaut: Diverse Gruppierungen und Netzwerke der Neonazi-Szene agieren in Justizvollzugsanstalten, spezielle Strukturen, wie einst die verbotene "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." oder aktuell die "Gefangenenhilfe" unterstützen in Haft befindliche Neonazis. Darüber hinaus kommt es auch in Justizvollzugsanstalten zu Vorfällen, welche einen rassistischen, antisemitischen oder extrem rechten Hintergrund haben. Erst kürzlich behauptete ein Zeuge im Baden-Württemberger NSU-Untersuchungsausschuss , dass Justizvollzugsbeamte unter anderem CDs mit rechtsextremer Musik verteilt hätten. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Kenntnisse liegen der Landesregierung über Aktivitäten rechter und extrem rechter Gruppierungen in Thüringer Justizvollzugsanstalten vor (bitte einzeln auflisten nach Gruppierung und Justizvollzugsanstalten ab dem Jahr 2010)? 2. Welche Vorfälle oder Straftaten mit antisemitischen, rassistischen oder extrem rechten Hintergrund (einschließlich Funde von NS-Devotionalien, Tonträgern et cetera) gab es in den einzelnen Justizvollzugsanstalten Thüringens seit dem Jahr 2010 und welche Ermittlungen wurden aufgrund welcher Straftatbestände eingeleitet und was war jeweils deren Ergebnis (bitte einzeln nach Jahren und Justizvollzugsanstalten auflisten)? 3. Ist der Landesregierung bekannt, ob und wenn ja, in welchen Gefangenenvertretungen in Thüringer Justizvollzugsanstalten einschlägig bekannte Neonazis oder wegen entsprechender Taten verurteilte Gefangene mitarbeiten (bitte einzeln anonymisiert auflisten)? 4. Ist der Landesregierung bekannt, ob es seit dem Jahr 2010 Ermittlungen gegen Justizvollzugsbeamte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Thüringer Justizvollzugsanstalten wegen rechter Aktivitäten oder Straftaten gegeben hat (wenn ja, bitte nach Jahresscheiben auflisten)? 5. Ist der Landesregierung bekannt, ob und wenn ja, welche Publikationen der Neonazi-Szene an Thüringer Justizvollzugsanstalten im Zeitraum seit dem Jahr 2015 verbreitet wurden (bitte einzeln nach Justizvollzugsanstalten aufgeschlüsselt darstellen)? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten König (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3949 6. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse vor, dass neonazistische Zeitungen oder Zeitschriften in den Thüringer Justizvollzugsanstalten seit dem Jahr 1990 hergestellt wurden, wenn ja, welche Angaben kann sie darüber machen? 7. Welche Unterstützerorganisationen der neonazistischen Szene waren nach Kenntnis der Landesregierungen in Thüringen auch außerhalb von Justizvollzugsanstalten aktiv, die gleichgesinnte Häftlinge etwa durch Betreuungsangebote, Solidaritätsaktionen und finanzielle Spenden unterstützen (bitte einzeln auflisten nach Gruppierung seit dem Jahr 2010)? 8. Von welchen der in Frage 7 genannten Gruppierungen wurde seit dem Jahr 2010 ein Betrieb von Informationsständen und Spendenaktionen auf extrem rechten Veranstaltungen und Konzerten in Thüringen bekannt (bitte auflisten nach Datum, Ort, Art der Unterstützung und Kontext oder Titel der Veranstaltung)? 9. Auf welchen Kommunikationswegen stehen inhaftierte Neonazis in Thüringen mit Sympathisanten außerhalb von Justizvollzuganstalten in Kontakt und wurden Fälle von Nutzungen eingeschleuster Handys bei inhaftierten Neonazis bekannt? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 17. Mai 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Untermaßfeld stand im Jahr 2013 ein Gefangener im Verdacht, ein Mitglied des seinerzeit im hessischen Justizvollzug gegründeten "AD Jail Crew e. V." gewesen zu sein sowie selbst eine Vereinigung namens "Arische Bruderschaft Thüringen (ABT)" im Thüringer Justizvollzug gegründet zu haben. Die Anhaltspunkte hierfür beruhten auf dem Briefwechsel sowie den entsprechend sichergestellten Schreiben des Gefangenen mit Gleichgesinnten. Laut den Angaben des Gefangenen sollten der "Bruderschaft" Inhaftierte vier weiterer Thüringer Justizvollzugsanstalten angehören. Die Ermittlungen verliefen nach hiesigem Kenntnisstand jedoch ergebnislos. Betreffend die JVA Gera wurden bei einem im Zeitraum März 2012 bis Februar 2013 untergebrachten Gefangenen enge Verbindungen zu einem in der JVA Hünfeld inhaftierten Gefangenen, der als Gründer des Vereins "ADJC e.V. in Kassel - Aryan Defense Jail Crew e.V." in Erscheinung getreten ist, festgestellt. In der Folge wurden alle Thüringer Justizvollzugseinrichtungen, das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz informiert. Die JVA Gera nahm darüber hinaus Kontakt zur JVA Hünfeld zum Informationsaustausch auf. Die JVA Hünfeld veranlasste daraufhin eine Haftraumkontrolle und stellte diverses Schriftgut sicher. In den JVAen Tonna, Suhl-Goldlauter und Hohenleuben sowie in der Jugendstrafanstalt (JSA) Arnstadt waren im Anfragezeitraum keine Aktivitäten rechter und extrem rechter Gruppierungen zu verzeichnen. Zu 2.: In der JSA Arnstadt wurde im Jahr 2013 gegen zwei Jugendstrafgefangene Strafanzeige wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (Zeigen des "Hitlergrußes") erstattet. Das Strafverfahren wurde eingestellt, da nach Auffassung der ermittelnden Behörde das Tatbestandsmerkmal der "öffentlichen Verwendung" nicht erfüllt war. In Einzelfällen wurden seit 2010 bei Haftraumkontrollen Datenträger (USB-Sticks) sichergestellt, die auch Musik von Bands aus dem rechten Spektrum enthielten. Diese Fälle werden allerdings statistisch nicht erfasst. In der JVA Gera waren keine Straftaten zu verzeichnen. In der JVA Hohenleuben wurde in den Jahren 2012 und 2013 jeweils eine Anzeige von Amts wegen aufgrund des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erstattet. Das Verfahren aus dem Jahr 2012 endete mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen; das Verfahren aus dem Jahr 2013 wurde eingestellt, da die Ermittlungen ergebnislos verliefen. In der JVA Suhl-Goldlauter wurde im Jahr 2014 eine Strafanzeige gegen einen Gefangenen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erstattet. Der Gefangene hatte ein Hakenkreuz am Hals tätowiert und rief gegenüber einem Beamten "Sieg Heil". Im Oktober 2016 wurde gegen 3 Drucksache 6/3949Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode einen weiteren Gefangenen eine Strafanzeige wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erstattet. Im Haftraum des Gefangenen wurden Bilder und Zeichnungen mit dem Hakenkreuz sichergestellt. Das Verfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft Meiningen mit Verfügung vom 22. November 2016 gemäß § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. In der JVA Untermaßfeld waren in den Jahren 2010, 2011, 2015 und 2017 (Stand: April 2017) keine Strafanzeigen zu verzeichnen. Für die übrigen Jahre ergibt sich folgendes Bild: 2012: - Strafanzeige vom 04.04.2012 wegen des Verdachts der Beleidigung mit antisemitischem Hintergrund, Ausgang des Verfahrens: Geldstrafe 90 Tagessätze zu 3,- Euro - Strafanzeige vom 06.12.2012 wegen des Verdachts der Volkverhetzung, Ausgang des Verfahrens: Geldstrafe 40 Tagessätze zu 20,- Euro - Strafanzeige vom 19.12.2012 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO - Strafanzeige vom 19.12.2012 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO - Strafanzeige vom 19.12.2012 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO 2013: - Strafanzeige vom 02.05.2013 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: Einstellung nach § 154 Abs. 1 StPO - Strafanzeige vom 02.05.2013 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: kein Täter ermittelt, da Anzeige gegen unbekannt erstattet wurde - Strafanzeige vom 18.04.2013 wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung, Ausgang des Verfahrens: Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO 2014: - Strafanzeige vom 15.05.2014 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO 2016: - Strafanzeige vom 11.03.2016 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: gemäß § 154 Abs. 1 StPO von der Verfolgung abgesehen - Strafanzeige vom 01.07.2016 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: Einstellung des Verfahrens nach § 152 Abs. 2 StPO - Strafanzeige vom 01.07.2016 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: Einstellung des Verfahrens nach § 152 Abs. 2 StPO - Strafanzeige vom 01.07.2016 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: Einstellung des Verfahrens nach § 152 Abs. 2 StPO - Strafanzeige vom 01.07.2016 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: Einstellung des Verfahrens nach § 152 Abs. 2 StPO - Strafanzeige vom 22.11.2016 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO - Strafanzeige vom 01.12.2016 wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Ausgang des Verfahrens: Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO Zu 3.: In der Gefangeneninteressenvertretung der JVA Untermaßfeld arbeitet gegenwärtig ein Inhaftierter mit, der in der Vergangenheit der rechten Szene zuzuordnen war. Aktuell verbüßt der vorbezeichnete Gefangene keine Freiheitsstrafe wegen einer rechtsextremistischen Straftat. Auch liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass der Gefangene sein "Mandat" dazu missbraucht, rechtes Gedankengut zu verbreiten. In den übrigen Thüringer Justizvollzugseinrichtungen wurde nichts Vergleichbares festgestellt. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/3949 Zu 4.: Es sind keine einschlägigen Verfahren gegen Bedienstete bekannt. Zu 5.: Ein im Zeitraum Juni 2014 bis Februar 2015 untergebrachter Gefangener bat darum, die Zeitschrift: "Neue Ordnung" aus dem ARES-Verlag beziehen zu dürfen. Dies wurde abgelehnt. Es liegen keine weitergehenden Erkenntnisse vor. Zu 6.: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Zu 7.: Der JVA Gera sind durch Absender auf den Briefumschlägen oder als Hinweis in den "Jail Mails" der Zeitschrift der "HNG" als Unterstützerorganisationen "Kerkerkameradschaft", "Anti-Antifa", "Nationaler Widerstand ", "Dr. Dienel" und "stay strong" bekannt geworden. In der JVA Untermaßfeld versuchte im Jahr 2013 die "GefangenenHilfe.info" aus Stockholm Kontakt zu einem Gefangenen der JVA Untermaßfeld aufzunehmen. Diese Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht , "nationale" Gefangene zu unterstützen. Im Rahmen der "Sicherheitspartnerschaften mit Thüringer Haftanstalten" wurde seinerzeit das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz über diese Kontaktaufnahme in Kenntnis gesetzt. Zu 8.: Der JVA Gera ist durch die "Jail Mails" und einzelne - an Gefangene adressierte - Schreiben bekannt, dass bis 2014 eine Demonstration und verschiedene Konzerte in Gera stattfanden. Dort fanden Sammelaktionen für "inhaftierte Brüder" statt. Weitere Erkenntnisse liegen hier nicht vor. Zu 9.: Grundsätzlich steht allen Inhaftierten die Möglichkeit offen, Kontakte "nach außen" durch Schriftwechsel, durch Telefonate sowie durch den Empfang von Besuch zu pflegen. Einschränkungen erfolgen im Einzelfall aufgrund der Regelungen des Thüringer Justizvollzugsgesetzbuches. Fälle illegaler Nutzung von Mobiltelefonen durch inhaftierte Neonazis sind hier nicht bekannt. Lauinger Minister Rechte und extrem rechte Netzwerke und Vorfälle in Thüringer Justizvollzugsanstalten? Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: