06.06.2017 Drucksache 6/4028Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 16. Juni 2017 Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt - Teil II1 Die Kleine Anfrage 2111 vom 12. April 2017 hat folgenden Wortlaut: Im Koalitionsvertrag treten die Parteien DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ein Bleiberecht für die Opfer rassistischer Gewalt ein: "Wir setzen uns für ein bundeseinheitliches humanitäres Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt ohne Aufenthaltsstatus beziehungsweise mit einer Duldung ein und werden eine Umsetzung in eigener Landeskompetenz prüfen. Damit ist ein klares Signal an die Täterinnen und Täter derartiger Angriffe sowie deren Umfeld verbunden: dass ihrer politischen Zielsetzung explizit entgegen getreten und ihr Ziel der Vertreibung vereitelt wird."2 In einer Pressemitteilung der Koalitionsfraktionen vom 28. Februar 2017 wird die Umsetzung eines solchen Bleiberechts gefordert und auf die diesbezüglichen Regelungen des Landes Brandenburg (Erlass des Brandenburgischen Innenministeriums vom 21. Dezember 2016) verwiesen.3 Wir fragen die Landesregierung: 1. Wann soll es im Zuge der neuen Regelung zu einem Bleiberecht für das Opfer beziehungsweise den Zeugen kommen (bitte insbesondere auf die Qualifikation der Tat im Sinne einer besonderen Schwere, zum Beispiel gefährliche Körperverletzung, versuchtes Tötungsdelikt und andere eingehen und angeben , welche Bedingungen für eine Duldung [etwa konkrete Anhaltspunkte für ein rechtsmotiviertes Gewaltdelikt ] und eine Aufenthaltserlaubnis [etwa Tatsachenfeststellungen bei Abschluss des Strafverfahrens ] erfüllt sein müssen)? 2. Wann soll es im Zuge der neuen Regelung zu keinem Bleiberecht für das Opfer beziehungsweise den Zeugen kommen (Ausschlussgründe wie Mitverursachung der Tat, Straffälligkeit, Gemeingefährlichkeit)? 3. Wie schätzt die Landesregierung die Abschreckungswirkung auf die Täter vor dem Hintergrund ein, dass nach unserer Auffassung dem Täterkreis der Inhalt der Neuregelung (Bleiberecht) kaum bekannt sein dürfte? 4. Wie schätzt die Landesregierung die Missbrauchsgefahr der Neuregelung (Bleiberecht), zum Beispiel durch das Vorbringen falscher Tatsachen durch vermeintliche Opfer oder Zeugen, ein und wie will die Landesregierung dem Missbrauch der Neuregelung begegnen? 5. Worin sieht die Landesregierung die Notwendigkeit einer Neuregelung (Bleiberecht) vor dem Hintergrund dessen, dass in den Jahren 2015 und 2016 den Staatsanwaltschaften in Thüringen kein Fall bekannt gewesen ist, bei welchem ein Strafverfahren scheiterte, weil das Opfer abgeschoben wurde?4 K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Brandner und Möller (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4028 6. Ist der Landesregierung im laufenden Jahr ein Fall bekannt, bei welchem ein Strafverfahren scheiterte, weil das Opfer oder der Zeuge abgeschoben wurde? 7. Wie viele Straftaten der Politisch motivierten Gewaltkriminalität gegen Asylbewerber und Flüchtlinge gab es im Jahr 2016 in Thüringen (bitte nach der Zuordnung Politisch motivierte Kriminalität - [rechts, links, sonstige] aufschlüsseln)? 8. Wie viele Straftaten der Politisch motivierten Gewaltkriminalität gegen Asylbewerber und Flüchtlinge gab es im Jahr 2017 in Thüringen (bitte für den letztverfügbaren Stand nach der Zuordnung Politisch motivierte Kriminalität - [rechts, links, sonstige] aufschlüsseln)? 9. Wie viele Straftaten der Politisch motivierten Ausländerkriminalität hat es in Thüringen im Jahr 2016 gegeben (bitte die Fälle der Gewaltkriminalität gesondert erwähnen und nach dem Aufenthaltsstatus der Tatverdächtigen aufschlüsseln)? 10. Wie viele Straftaten der Politisch motivierten Ausländerkriminalität hat es in Thüringen im Jahr 2017 gegeben (bitte für den letztverfügbaren Stand angeben sowie die Fälle der Gewaltkriminalität gesondert erwähnen und nach dem Aufenthaltsstatus der Tatverdächtigen aufschlüsseln)? 11. Wie viele Straftaten der durch Asylbewerber und Flüchtlinge verübten Gewaltkriminalität hat es in Thüringen im Jahr 2016 gegeben (bitte nach den einzelnen Delikten und dem Aufenthaltsstatus der Tatverdächtigen aufschlüsseln)? 12. Wie viele Straftaten der durch Asylbewerber und Flüchtlinge verübten Gewaltkriminaliät hat es in Thüringen im Jahr 2017 gegeben (bitte nach den einzelnen Delikte und dem Aufenthaltsstatus der Tatverdächtigen aufschlüsseln)? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 2. Juni 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1. bis 4.: Die Landesregierung erhielt mit Beschluss des Thüringer Landtags vom 5. Mai 2017 den Auftrag,unter anderem zu prüfen, ob auf der Grundlage der aufenthaltsrechtlichen Regelungen eine ermessenslenkende Bestimmung zur Erteilung von Aufenthaltstiteln und Duldungen beziehungsweise einer Abschiebungsaussetzung zugunsten der Opfer rassistischer und rechtsextremer Gewalt gegenüber den Ausländerbehörden erlassen werden kann. Die Landesregierung prüft gegenwärtig die rechtlichen Möglichkeiten, in welcher Weise der Beschluss des Landtags vom 5. Mai 2017 umgesetzt werden kann. Daher können zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Aussagen zur Ausgestaltung einer entsprechenden Regelung getroffen werden. Zu 5.: Nach der derzeit geltenden Rechtslage ist gemäß § 60a Abs. 2 Satz 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhaltes erschwert wäre. Im Übrigen kann einem Ausländer eine Duldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine verpflichtende Regelung, dem Opfer Aufenthalt zu gewähren, enthält das Bundesrecht in § 60a Abs. 2 AufenthG dementsprechend nur für die Verfolgung von Verbrechen, nicht jedoch für Vergehen. Die Landesregierung hat ein elementares Interesse daran, dass jegliche Straftaten aufgeklärt werden. Es muss daher dafür Sorge getragen werden, dass die hierfür notwendigen Strafverfahren abgesichert sind. Zu 6.: Der Landesregierung sind im laufenden Jahr keine Fälle in Thüringen bekannt, in denen ein Strafverfahren wegen einer zwischenzeitlich erfolgten Abschiebung eines Opfers oder Zeugen scheiterte. Zu 7.: Im Jahr 2016 wurden folgende Delikte der politisch motivierten Gewaltkriminalität (PMG) gegen Asylsuchende /Flüchtlinge registriert: 3 Drucksache 6/4028Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Delikt Anzahl Zuordnung Körperverletzung (§ 223 Strafgesetzbuch - StGB) 14 PMG -Rechts- Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) 14 PMG -Rechts- 2 PMG -Sonstige/Nicht zuzuordnen- Zu 8.: Im ersten Quartal 2017 wurden folgende Delikte der PMG gegen Asylsuchende/Flüchtlinge registriert: Delikt Anzahl Zuordnung Körperverletzung (§ 223 StGB) 4 PMG -Rechts- Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) 3 PMG -Rechts- 1 PMG -Sonstige/Nicht zuzuordnen- Zu 9.: Im Jahr 2016 wurden im Freistaat Thüringen 33 Fälle der politisch motivierten Kriminalität im Sinne der Fragestellung , davon vier Delikte politisch motivierter Gewaltkriminalität, registriert. Zum Aufenthaltsstatus der Tatverdächtigen liegen keine statistischen Angaben vor. Zu 10.: Im ersten Quartal 2017 wurde im Freistaat Thüringen ein Fall der politisch motivierten Kriminalität im Sinne der Fragestellung registriert, bei dem es sich nicht um ein Delikt der politisch motivierten Gewaltkriminalität handelt. Zum Aufenthaltsstatus der Tatverdächtigen liegen keine Angaben vor. Zu 11.: Im Jahr 2016 wurden im Freistaat Thüringen 487 Fälle der Gewaltkriminalität von nichtdeutschen Tatverdächtigen mit dem Aufenthaltsstatus Asylsuchender, Kontingentflüchtling oder Duldung registriert. Zum Aufenthaltsstatus der Tatverdächtigen liegen keine statistischen Angaben vor. Delikt Anzahl Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung (§ 177 StGB) 14 Mord (§ 211 StGB), Versuche 2 Totschlag, Tötung auf Verlangen (§§ 212, 216 StGB) 9 Gefährliche Körperverletzung, Schwere Körperverletzung (§§ 224, 226 StGB) 420 Raub, Räuberische Erpressung, Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer (§§ 249 bis 252, 255, 316a StGB) 42 Zu 12.: Für die Beantwortung der Frage ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) als Grundlage zu verwenden. Bei der PKS handelt es sich um eine Ausgangs- und Jahresstatistik. Für das Jahr 2017 liegen noch keine abgeschlossenen statistischen Erhebungen vor. Lauinger Minister Endnote: 1 Im Folgenden: Bleiberecht. 2 Vergleiche Koalitionsvertrag zwischen den Parteien DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Seite 83. 3 Vergleiche http://www.die-linke-thl.de/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/rot-rot-gruene-fluechtlingspolitikerinnen -fordern-abschiebestopp-fuer-opfer-rassistischer-gewalt/; http://www.lto.de/recht/nachrichten/n/brandenburgopfer -rechter-gewalt-auslaender-erhalten-bleiberecht/. 4 Vergleiche Ergebnisprotokoll, Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, 38. Sitzung am 17. Februar 2017, Seite 29 bis 30. Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt - Teil II1 Wir fragen die Landesregierung: Zu 1. bis 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: Zu 12.: Endnote: