09.06.2017 Drucksache 6/4045Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 23. Juni 2017 Pfeffersprayeinsatz gegen Demonstranten am 31. März 2017 in Sonneberg Die Kleine Anfrage 2102 vom 10. April 2017 hat folgenden Wortlaut: Am 31. März 2017 fand eine Demonstration der Gruppierung "Thügida" statt, die von der Landesregierung als "rechtextrem" eingestuft wird. Auf der Route der Demonstration kam es gegen 19.00 Uhr zu einem Pfef fersprayeinsatz durch die Polizei im südthüringischen Sonneberg. Junge Gegendemonstranten protestier ten gegen den Aufmarsch in der Coburger Allee mit einer Sitzblockade. Ohne vorherige Aufrufe zum Verlas sen der Straße soll es dann zu diesem Pfeffersprayeinsatz seitens der eingesetzten Beamten gekommen sein. Auf veröffentlichten Fotos sind drei Beamte zu sehen, die Pfefferspray gezielt auf die Gesichter der sitzenden Menschen sprühen. Die Bildfolge dokumentiert nach meiner Auffassung, dass ohne Bestehen ei ner konkreten Gefahr und parallel zur stattfindenden Räumung der Reizstoffeinsatz erfolgte. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Polizeibeamte waren am 31. März 2017 im Zusammenhang mit der Demonstration von "Thü gida" eingesetzt und wie viele davon waren bei der oben genannten Sitzblockade im Einsatz? 2. Wurden Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Sitzblockade gegen Polizeibeamte eingeleitet, wenn ja, gegen wie viele Personen, wegen welcher Delikte und welchen Verfahrensstand haben diese? 3. Wurden Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit der Sitzblockade gegen Teilnehmer der Sitzblo ckade eingeleitet, wenn ja, gegen wie viele Personen, wegen welcher Delikte und welchen Verfahrens stand haben diese? 4. Waren im Kontext dieser Demonstration und der Gegenproteste Kommunikationsbeamte vor Ort, wenn ja, in welcher Anzahl? 5. Wurden die Kommunikationsbeamten bei der Blockade der Coburger Allee eingesetzt, wenn nein, wa rum nicht? 6. Gab es nach Kenntnissen der Landesregierung mit den Organisatoren der Gegendemonstration im Vor feld ein Kooperationsgespräch, falls ja, welche Auflagen wurden dort festgelegt und besprochen, falls nein, was waren die Gründe dafür? 7. Bewertet die Landesregierung den Einsatz von Pfefferspray gegen die meist jugendlichen Demonstran ten als verhältnismäßig, wenn ja, wie begründet sie diesen? Falls nein, warum nicht? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Harzer (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4045 8. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um einen unverhältnismäßigen beziehungsweise rechts widrigen Einsatz von Pfefferspray in Thüringen auszuschließen? 9. Welche rechtlichen Regelungen müssen zudem getroffen werden, um einen unverhältnismäßigen Ein satz von Pfefferspray durch Polizeibeamte in Thüringen auszuschließen? 10. Welchen zusätzlichen Ausbildungsbedarf sieht die Landesregierung für Polizeibeamte in Thüringen, um einen unverhältnismäßigen Einsatz von Reizstoffen auszuschließen? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 8. Juni 2017 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Der Vorfall ist Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen (Stand: 10. Mai 2017). Unter Hinweis auf Artikel 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen und § 477 Abs. 2 Satz 1 der Strafprozessord nung wird insbesondere aus Datenschutzgründen (Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung nach Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz, Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung des Frei staats Thüringen) und vor dem Hintergrund der im Strafverfahren zu beachtenden Unschuldsvermutung (Artikel 6 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) von weiteren als nachstehenden Angaben abgesehen (vergleiche auch Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 5. März 2014, Az.: 2 EO 386/13). Zu 1.: Es kamen insgesamt 231 Polizeibeamte zum Einsatz. Während der Sitzblockade wurden 13 Polizeibeamte eingesetzt. Zu 2.: Es wurde ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt infolge von polizeilichen Maßnahmen außerhalb des Reizstoffeinsatzes eingeleitet. Darüber hinaus wurde ein Ermitt lungsverfahren wegen Körperverletzung im Amt gegen drei Polizeibeamte aufgrund des Reizstoffeinsat zes eingeleitet. Die Ermittlungen hierzu dauern an. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Zu 3.: Es wurden acht Ermittlungsverfahren gegen 20 Personen wegen des Verstoßes gegen das Versammlungs gesetz, Körperverletzung, versuchter Körperverletzung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung eingeleitet. Die Ermittlungen hierzu dauern an. Zu 4.: Es kamen keine Kommunikationsbeamte zum Einsatz. Zu 5.: Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Zu 6.: Nach hier vorliegenden Erkenntnissen wurde durch die Versammlungsbehörde kein Kooperationsgespräch mit dem Anmelder der Versammlung des Evangelischen Kirchenkreises durchgeführt. Zu Gründen, die zu dieser Entscheidung führten, liegen keine Erkenntnisse vor. 3 Drucksache 6/4045Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 7. und 8.: Alle polizeilichen Eingriffsmaßnahmen unterliegen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, welcher sich aus Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ergibt und im § 4 Polizeiaufgabengesetz (PAG) seine Ausformung fin det. Bei der Anwendung von unmittelbarem Zwang nach § 51 ff. PAG ist dies von besonderer Bedeutung. Diese Regelungen finden sowohl in der Ausbildung als auch in der Fortbildung der Polizeivollzugsbeam ten eine große Beachtung. Zudem erfährt an dieser Stelle die Auswertung der Rechtsprechung eine hohe Aufmerksamkeit. Weiterhin wird in den für jeden Einsatz zu erstellenden Einsatzunterlagen durch richtungsweisende Fest legungen des Polizeiführers die Anwendung von unmittelbarem Zwang in seinen einzelnen Ausformungen konkretisiert. Im Übrigen wird auf die laufenden Ermittlungen und die Vorbemerkung verwiesen. Zu 9. und 10.: Die für die Anwendung von unmittelbarem Zwang zugrundeliegenden rechtlichen Regelungen, die normkon kretisierenden Polizeidienstvorschriften und die konkreten Festlegungen in den Einsatzunterlagen sind hin reichend. Die Schaffung zusätzlicher Normen in diesem Zusammenhang wird als nicht notwendig erachtet. Es wird kein zusätzlicher Ausbildungsbedarf gesehen. Die Aus und Fortbildung in der Thüringer Polizei weist einen hohen Qualitätsstand auf. Lernplan und Praxisausbildung werden fortlaufend den aktuellen Ent wicklungen der Lage und der Rechtsprechung folgend angepasst. Davon losgelöst wird polizeiliches Verhalten im Einzelfall hinterfragt und beim Auftreten von Versäumnis sen oder Rechtsverstößen reflektiert. Hier wird auch die individuelle Verantwortung jedes Polizeibeamten für sein rechtmäßiges Handeln gefordert und entwickelt. Derartige Erfahrungen werden zudem in Ausbildungsszenarios kritisch gespiegelt, um rechtssicheres Han deln in immer komplexer werdenden Einsatzlagen zu sichern. Dr. Poppenhäger Minister Pfeffersprayeinsatz gegen Demonstranten am 31. März 2017 in Sonneberg Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7. und 8.: Zu 9. und 10.: