13.06.2017 Drucksache 6/4056Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 26. Juni 2017 Situation von Pflegefamilien in Thüringen Die Kleine Anfrage 2114 vom 18. April 2017 hat folgenden Wortlaut: Nach Berichterstattung von MDR Thüringen am 13. April 2017 gäbe es in Thüringen zu wenig Pflegefamilien . Als einen Grund dafür analysierte der MDR die im Vergleich zu den umliegenden Bundesländern niedrigeren Pflegesätze, die kaum zur Kostendeckung ausreichen würden. So soll der Beitrag in Thüringen im Schnitt 50 Euro unter dem Beitrag Sachsens und Sachsen-Anhalts liegen. Dabei leisten gerade Pflegefamilien einen wichtigen und unersetzbaren Beitrag in der Aufnahme von Kindern und Jugendlichen aus schwierigen Umständen. Diese Leistung ist hochanerkennenswert und umso mehr verwundert es, dass nach meiner Auffassung weder das zuständige Thüringer Bildungsministerium noch die Regierungskoalition derzeit Vorschläge zur Verbesserung der Situation für die mehr als 1.500 Thüringer Pflegekinder haben. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Pflegekinder gibt es aktuell in Thüringen und wie werden diese betreut (Auflistung nach Landkreisen und kreisfreien Städten sowie Art der Unterbringung)? 2. Welche Art der Unterbringung wird im Hinblick auf das Kindeswohl von der Landesregierung bevorzugt? 3. Wird die Situation der zur Verfügung stehenden Pflegefamilien als ausreichend erachtet? Wenn ja, weshalb ? Wenn nein, weshalb nicht? 4. Welche Maßnahmen plant die Landesregierung, um mehr Pflegefamilien zu gewinnen? 5. Wie hoch ist das Pflegegeld pro Kind für die Familien in Thüringen und nach Kenntnis der Landesregierung in den anderen Bundesländern im Vergleich (Auflistung nach Bundesländern)? 6. Weshalb hat die Landesregierung keine Vorschläge zur Verbesserung der Situation von Pflegefamilien in Thüringen? Wird die finanzielle Ausstattung und Situation als ausreichend erachtet? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Bühl (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4056 Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 12. Juni 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Mit Datum vom 31. Dezember 2015 waren auf der Grundlage einer Hilfe zur Erziehung (§§ 27, 33 Achtes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VIII]) in Thüringen insgesamt 1.551 Kinder und Jugendliche in einer Pflegefamilie untergebracht. Die Zahlen für 2016 liegen noch nicht vor. (Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik) Kreisfreie Stadt/Landkreis am 31. Dezember 2015 andauernde Hilfen gemäß §§ 27, 33 SGB VIII Stadt Erfurt 144 Stadt Gera 69 Stadt Jena 59 Stadt Suhl 24 Stadt Weimar 50 Stadt Eisenach 23 Eichsfeld 80 Nordhausen 58 Wartburgkreis 83 Unstrut-Hainich-Kreis 106 Kyffhäuserkreis 71 Schmalkalden-Meiningen 78 Gotha 49 Sömmerda 51 Hildburghausen 53 Ilm-Kreis 74 Weimarer Land 79 Sonneberg 34 Saalfeld-Rudolstadt 90 Saale-Holzland-Kreis 53 Saale-Orla-Kreis 59 Greiz 73 Altenburger Land 91 Zu 2.: Für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung gemäß § 27 ff. SGB VIII sind die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig. Von diesen wird jeweils die Hilfe ausgewählt, die für die Entwicklung des Kindes oder des Jugendlichen geeignet und notwendig ist. Die Wünsche und Vorstellungen der Eltern sowie der Kinder und Jugendlichen werden dabei berücksichtigt. Zu 3.: Die Aufgaben der Jugendhilfe im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege sind bundesrechtlich im SGB VIII normiert und den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe zugewiesen. Alle Aufgaben und Leistungen im Bereich des Pflegekinderwesens werden damit allein durch die Jugendämter im jeweils eigenen Wirkungskreis im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung wahrgenommen. Aufgrund der örtlichen Zuständigkeit liegen der Landesregierung keine Daten und Erkenntnisse bezüglich oben genannte Fragestellung vor. Zu 4.: Die Gewinnung, Unterstützung und Begleitung von Pflegefamilien ist eine Pflichtaufgabe der Fachkräfte des örtlich zuständigen Jugendamtes, daher sind der Einflussnahme auf fachliche oder gar strukturelle Belange der Jugendämter durch das Land aufgrund der kommunalen Selbstverwaltung rechtlich enge Grenzen gesetzt. Die Landesregierung würde entsprechende Maßnahmen unterstützen, wenn dies von den kommunalen Spitzenverbänden gewünscht würde. 3 Drucksache 6/4056Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 5.: Mit Beschluss-Reg.-Nr. 94/07 des Landesjugendhilfeausschusses wurde die Berechnungsgrundlage für die materiellen Aufwendungen bei Vollzeitpflege in Thüringen festgelegt. Die Festlegung der Pauschalbeträge erfolgt für Thüringen auf der Grundlage der Regelbedarfsstufe 1 laut Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung (RBSFV). Die monatlichen Pauschalbeträge werden unter Heranziehung dieser Berechnungsgrundlage jeweils mit Wirkung zum 1. Januar eines jeden Kalenderjahres fortgeschrieben. Gemäß § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII sind den Pflegepersonen die nachgewiesenen Aufwendungen für Beiträge zu einer angemessenen Alterssicherung in Höhe des hälftigen Mindestbeitrages für freiwillig in der allgemeinen Rentenversicherung Versicherte sowie die nachgewiesenen Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung zu erstatten. Die Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung regelt die jährliche Anpassung der Regelsätze innerhalb eines fünfjährigen Intervalls, in welchem die Regelbedarfe neu zu ermitteln sind. Auf der Grundlage der Ergebnisse aus der im Jahr 2013 bundesweit erhobenen Einkommens- und Verbraucherstichprobe, wurde die Höhe der Regelbedarfe für das Jahr 2017 im Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch neu ermittelt. Aufgrund der gesetzlichen Neuermittlung erfolgte für das Jahr 2017 keine Fortschreibung per Verordnung. Auf der Basis des am 16. Dezember 2016 beschlossenen Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch wurden die Pauschalbeträge der laufenden Leistungen in Vollzeitpflege gemäß § 39 Abs. 5 SGB VIII, mit Wirkung vom 1. Januar 2017 wie folgt festgesetzt: Alter des Pflegekindes Materielle Aufwendungen (in Euro) Kosten der Erziehung (in Euro) Gesamtbetrag (in Euro) bis zum vollendeten 7. Lebensjahr 491 195 686 vom vollendeten 7. bis zum vollendeten 14. Lebensjahr 573 195 768 vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr 688 195 883 Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung sind nach Mitteilung der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) gegenüber dem Vorjahr um 4,83 Euro gestiegen. Es wird daher empfohlen, nachgewiesene Aufwendungen zu einer Unfallversicherung in Höhe von bis zu 160 Euro pro Jahr je betreuender Pflegeperson zu erstatten. Nach § 39 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII sind den Pflegepersonen in der Vollzeitpflege die nachgewiesenen Aufwendungen für Beiträge zu einer angemessenen Alterssicherung zur Hälfte zu erstatten. Seit 2013 beträgt der Mindestbeitrag für freiwillig in der allgemeinen Rentenversicherung Versicherte unverändert 85,05 Euro. Daher wird empfohlen 42,50 Euro pro Pflegekind zu erstatten. Handelt es sich bei dem Pflegekind um einen Minderjährigen mit einem erhöhten erzieherischen Bedarf beziehungsweise werden auf Grund einer besonderen Problemlage erhöhte Anforderungen an die Erziehung und Betreuung gestellt, so erhöht sich der Betrag für die Kosten der Erziehung. Weiterhin können Pflegepersonen einmalige Beihilfen gewährt werden. Das vom Jugendamt gezahlte Pflegegeld ist steuerfrei. Die erbetene Übersicht zu den Vergleichszahlen aus den anderen Ländern liegt als Anlage bei. Zu 6.: Auf der Grundlage des § 85 Abs. 2 SGB VIII unterstützt das Landesjugendamt Thüringen die örtlichen Träger der Jugendhilfe, indem es fachliche Empfehlungen entwickelt, durch generelle und einzelfallbezogene Fachberatung und bedarfsorientierte Fortbildung. Das Landesjugendamt unterstützt die überregionale Suche und Gewinnung von Pflegefamilien für Kinder mit besonderen Bedürfnissen. Darüber hinaus ist das Landesjugendamt bei der Vermittlung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen in geeignete Pflegefamilien unmittelbar behilflich. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4056 Eine Anpassung der Pauschalbeträge der laufenden Leistungen in Vollzeitpflege gemäß § 39 Abs. 5 SGB VIII bedarf eines neuen Beschlusses des Thüringer Landesjugendhilfeausschusses. Im Jahr 2012 wurde zuletzt mit Unterstützung der Vertreter der Landesregierung der Versuch unternommen, mit der "Einrichtung einer Arbeitsgruppe Pauschalbeträge für laufende Leistungen in Vollzeitpflege" eine entsprechende Beschlussfassung vorzubereiten. Dieser Versuch fand nicht die erforderliche Unterstützung der Mitglieder des Landesjugendhilfeausschusses. Einem neuerlichen Anlauf aus den Reihen des Landesjugendhilfeausschusses stünde die Landesregierung offen gegenüber. In Vertretung Ohler Staatssekretärin 5 Drucksache 6/4056Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Anlage Ländervergleich der für das Jahr 2017 gültigen Pauschalbeträge für Vollzeitpflege (Erfasst sind die Länder, die innerhalb der Frist zur Beantwortung der Kleinen Anfrage zugearbeitet haben) Baden-Württemberg Alter des Pflegekindes (von … bis unter …) Materielle Aufwendungen (in Euro) Kosten der Erziehung (in Euro) Gesamtbetrag (in Euro) 0 bis 6 515 69 784 6 bis 12 589 269 858 12 bis 18 676 269 945 Bayern Alter des Pflegekindes Materielle Aufwendungen (in Euro) Kosten der Erziehung (in Euro) Gesamtbetrag (in Euro) 0 bis vollendetes 6. Lebensjahr 246 x 2 = 492 300 792 7. bis vollendetes 12. Lebensjahr 297 x 2 = 594 300 894 ab 13. Lebensjahr 364 x 2 = 728 300 1.028 Berlin Alter des Pflegekindes Materielle Aufwendungen (in Euro) Kosten der Erziehung (in Euro) Gesamtbetrag (in Euro) bis zum vollendeten 7. Lebensjahr 399 300 699 vom vollendeten 7. bis zum vollendeten 14. Lebensjahr 474 300 774 vom vollendeten 14. Bis zum vollendeten 18. Lebensjahr 564 300 864 Nordrhein-Westfalen Alter des Pflegekindes Materielle Aufwendungen (in Euro) Kosten der Erziehung (in Euro) Gesamtbetrag (in Euro) bis zum vollendeten 7. Lebensjahr 522 248 770 vom vollendeten 7. bis zum vollendeten 14. Lebensjahr 596 248 844 vom vollendeten 14. bis zum vollendeten 18. Lebensjahr 726 248 974 Rheinland-Pfalz Alter des Pflegekindes (von … bis unter …) Materielle Aufwendungen (in Euro) Kosten der Erziehung (in Euro) Gesamtbetrag (in Euro) 0 bis 6 508 237 745 6 bis 12 589 237 826 12 bis 18 676 237 913 6 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4056 Saarland Alter des Pflegekindes (von … bis unter …) Materielle Aufwendungen (in Euro) Kosten der Erziehung (in Euro) Gesamtbetrag (in Euro) 0 bis 6 515 237 752 6 bis 12 589 237 826 12 bis 18 676 237 913 Sachsen Alter des Pflegekindes (von … bis unter …) Materielle Aufwendungen (in Euro) Kosten der Erziehung (in Euro) Gesamtbetrag (in Euro) 0 bis 6 515 237 752 6 bis 12 589 237 826 12 bis 18 676 237 913 Schleswig-Holstein Alter des Pflegekindes (von … bis unter …) Materielle Aufwendungen (in Euro) Kosten der Erziehung (in Euro) Gesamtbetrag (in Euro) 0 bis 6 515 237 752 6 bis 12 589 237 826 12 bis 18 676 237 913 Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Pauschalbeträge für Vollzeitpflege werden von den Jugendämtern der Landkreise und kreisfreien Städte jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich selbst festgelegt. Situation von Pflegefamilien in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Anlage