04.07.2017 Drucksache 6/4168Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 11. Juli 2017 Demonstration vor dem Wahlkreisbüro der Abgeordneten Muhsal Die Kleine Anfrage 2119 vom 12. April 2017 hat folgenden Wortlaut: Am 6. April 2017 marschierte kurz nach 18 Uhr eine nach Augenzeugenberichten etwa 70 bis 100 Personen starke Gruppe schwarzgekleideter und größtenteils vermummter Personen durch den Durchgang, in dem sich der Eingang zu meinem Wahlkreisbüro befindet und der die beiden Straßen Krautgasse und Bachstraße verbindet. Der Durchgang ist im Bereich der Bachstraße beidseitig mit einem Schild mit der Aufschrift "Privatgrundstück - Betreten auf eigene Gefahr" beziehungsweise "Privatgrund - Durchgang auf eigene Gefahr!" gekennzeichnet . In Richtung Krautgasse befindet sich auf beiden Seiten des Durchgangs ein Café, welches auch den Durchgangsbereich nutzt. Weiter wird der Durchgangsbereich durch eine anliegende Bar als Außenbereich genutzt. Nach Angaben einer von diversen Verfassungsschutzämtern als linksextrem bewerteten Internetseite* richtete sich die Demonstration gegen die Existenz des Wahlkreisbüros. Es wurden Flugblätter verteilt und zahlreiche Parolen gerufen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wurde die oben beschriebene Demonstration versammlungsrechtlich korrekt angemeldet und wann wurde diese angemeldet? 2. Wer waren der Veranstalter und der Versammlungsleiter der Demonstration? 3. Wie genau verlief die Demonstration (bitte Startzeit, Startpunkt, Route und Zeitpunkt der Beendigung der Demonstration nennen/beschreiben) und wie viele Personen beteiligten sich nach Polizeischätzungen an ihr? 4. Wurden Ermittlungsverfahren gegen Veranstalter oder Teilnehmer der Demonstration eingeleitet, wenn ja, gegen wie viele Personen und wegen welcher Tatbestände? 5. Wie ist die Zulässigkeit der Demonstration auf einer mit "Privatgrundstück" beziehungsweise "Privatgrund " markierten Fläche, die durch zwei Gewerbetreibende genutzt wird, rechtlich zu bewerten? 6. Wie ist die Zulässigkeit der Demonstration sicherheitsrechtlich vor dem Hintergrund zu bewerten, dass die Gasse sehr eng ist und sich keinerlei Ausweichmöglichkeiten ergeben, sollten Passanten/Anwohner/die Abgeordnete/Mitarbeiter der Abgeordneten sich zum Demonstrationszeitpunkt im Durchgang befinden? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Muhsal (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4168 7. Wie ist die Zulässigkeit der Demonstration vor dem Hintergrund zu bewerten, dass sich nach Augenzeugenberichten ein Großteil der Demonstranten vermummt hatte (bitte eine rechtliche Bewertung vor dem Hintergrund des Vermummungsverbots nach § 17a Abs. 2 Nr. 1 und 2 Versammlungsgesetz abgeben)? 8. Wie viele Personen waren nach Einschätzung der Polizei vermummt? Gegen wie viele Personen wurde eine Anzeige erstattet oder ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wegen Verstoß gegen das sogenannte Vermummungsverbot nach § 17a Abs. 2 Nr. 1 und 2 Versammlungsgesetz? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 3. Juli 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Versammlung wurde weder bei der zuständigen Versammlungsbehörde noch bei der Thüringer Polizei angemeldet. Zu 2.: Ein Veranstalter beziehungsweise ein Versammlungsleiter gab sich während des begleitenden Polizeieinsatzes nicht zu erkennen. Polizeiliche Ermittlungen vor Ort zu Personen solcher Art blieben ergebnislos. Zu 3.: Erkenntnisse hierzu liegen erst mit Beginn des polizeilichen Einsatzes um 18:20 Uhr vor Ort vor. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Aufzug in der Bachstraße in Jena. Von dort verlief die Aufzugsstrecke in Richtung Johannisplatz über die Straße "Leutragraben" durch die dort befindliche Straßenbahnunterführung zum Ernst- Abbe-Platz. Nach Überquerung dessen setzte sich der Aufzug durch die Krautgasse bis auf Höhe "Johannistor " fort. Hier löste sich die Versammlung um 18:32 Uhr auf und war somit beendet. Nach polizeilichen Erkenntnissen beteiligten sich circa 50 Personen an der Versammlung. Zu 4.: Es wurde ein Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz gegen - unbekannt - gemäß § 26 Nr. 2 Versammlungsgesetz (VersammlG) eingeleitet, da der durchgeführte Aufzug bei der zuständigen Behörde nicht angemeldet war. Weiterhin wurden wegen des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot gemäß § 17a Abs. 2 VersammlG drei Ermittlungsverfahren gegen drei Personen eingeleitet. Zu 5.: Das Recht aus Artikel 8 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ist auch ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt , Art und Inhalt der Veranstaltung. Die Bürger sollen damit selbst entscheiden können, wo sie ihr Anliegen - gegebenenfalls auch in Blick auf Bezüge zu bestimmten Orten und Einrichtungen - am wirksamsten zur Geltung bringen können. Die Versammlungsfreiheit verschafft damit aber kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten. Insbesondere gewährt es dem Bürger keinen Zutritt zu Orten, die der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich sind oder zu denen schon den äußeren Umständen nach nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt wird. Die Versammlungsfreiheit verbürgt aber die Durchführung von Versammlungen dort, wo ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist. Dies gilt auch für Stätten außerhalb des öffentlichen Straßenraums, an denen - zumindest durch den Staat - in ähnlicher Weise ein öffentlicher Verkehr eröffnet ist und Orte der allgemeinen Kommunikation entstehen. Dabei müssen für Stätten außerhalb des öffentlichen Straßenraums zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zunächst können nur solche Orte erfasst werden, die der Öffentlichkeit allgemein geöffnet und zugänglich sind. Hinzukommen muss außerdem, dass dieser Ort auch als ein öffentlicher Kommunikationsraum nach dem Leitbild des öffentlichen Forums zu beurteilen ist. Die Frage, ob und in wie weit in diesem Sinne ein allgemeiner Verkehr eröffnet ist, muss im jeweiligen Einzelfall beurteilt werden. Die einschlägige Rechtsprechung ist noch im Fluss. Dies bezieht sich vor allem auf das Verhältnis der Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu den Grundrechten privater Unternehmer. 3 Drucksache 6/4168Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 6.: Die zuständige Versammlungsbehörde beziehungsweise die Polizei im Rahmen ihrer Eilzuständigkeit können eine Versammlung beauflagen, wenn Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestehen beziehungsweise zu erwarten sind. Die hierfür vorliegenden Bedingungen sind im Einzelfall zu prüfen. Im vorliegenden Fall erlangte die Polizei erst nach Passieren des in Rede stehenden Ortes Kenntnis von der Versammlung, sodass eine Beauflagung nicht möglich war. Angesichts fehlender Informationen zum genauen Ablauf der Geschehnisse vor Ort ist eine nachstehende Bewertung nicht möglich. Zu 7.: Das Verbot der Vermummung nach § 17a Abs. 2 VersammlG ist eine Konkretisierung der verfassungsunmittelbaren Gewährleistungsschranke der Friedlichkeit nach Artikel 8 Abs. 1 GG. Das Verbot gilt auch für öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel, welche keine Versammlungen sind und für die Zurücklegung des Weges zu Versammlungen, Aufzügen oder öffentlichen Veranstaltungen. Eine Strafbarkeit nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Nr. 1 VersammlG wird allerdings erst begründet, wenn die Vermummung darauf ausgerichtet ist, ein Wiedererkennen und die Identifizierung durch die Strafverfolgungsbehörden zu verhindern. Inwiefern eine Auswirkung durch die Vermummung von einzelnen Versammlungsteilnehmern auf die gesamte Versammlung zu verzeichnen ist, muss im Einzelfall geprüft werden. Unter Umständen ergeben sich Konsequenzen für den jeweiligen Versammlungsteilnehmer. Im hier vorliegenden Fall wurden anhand der gewonnenen Erkenntnisse keine Folgen für die Gesamtheit der Versammlung aufgrund des Tragens von Vermummungsgegenständen durch einzelne Teilnehmer gesehen. Zu 8.: Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Dr. Poppenhäger Minister Endnote: * Vergleiche https://linksunten.indymedia.org/. Demonstration vor dem Wahlkreisbüro der Abgeordneten Muhsal Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Endnote: