11.07.2017 Drucksache 6/4216Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 21. Juli 2017 Automatisierte Audio-Titelerkennung für die Polizei ("Nazi-Shazam") - nachgefragt Die Kleine Anfrage 2200 vom 18. Mai 2017 hat folgenden Wortlaut: Am 6. Mai 2017 fand in Leinefelde das Neonazi-Openair "Eichsfeldtag" mit mehreren Hundert Teilnehmern statt, bei dem auch die Band "Amok" aus dem "Blood & Honour"-Umfeld spielte. Ihr werden personelle Überschneidungen mit der ebenfalls aus der Schweiz stammenden Band "Erschießungskommando" nachgesagt , gegen die derzeit Ermittlungen wegen Mordaufrufen laufen. Bei der Veranstaltung spielte "Amok" auch das Lied "Tomorrow belongs to me" der britischen Neonazi-Band "Screwdriver", deren Sänger Gründer des in Deutschland verbotenen "Blood & Honour"-Netzwerks ist. Laut Polizei Nordhausen sei das Lied indiziert, bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 225 vom 30. November 2006. Zwar sollte durch den polizeilichen Staatsschutz die Einhaltung der Musiklisten während der Aufführung überprüft werden, wie die Polizei Nordhausen gegenüber dem MDR aber mitteilte seien durch die Band zusätzlich zur eingereichten Liste zwei englische Liedtitel gespielt worden. Weiter hieß es: "Beide Lieder konnten, auf Grund mangelnder Englischkenntnisse, vor Ort nicht geprüft oder ausgewertet werden. ... Polizeilich erfolgte jedoch keine Aufzeichnung der Lieder. Ob das Lied tatsächlich abgespielt wurde, kann nicht gesagt werden." Bereits im Jahr 2013 wurde in der Polizei ein Prototyp für eine Software entwickelt, die intern auch als "Nazi-Shazam" bezeichnet wurde. Eine Smartphone-Applikation mit der innerhalb von Sekunden abgespielte Musiktitel mit einer Datenbank verglichen werden können. Mit der weiteren Prüfung und Fortentwicklung dieser Software könnten sich Vorfälle wie in Leinefelde vermeiden lassen und die Ermittler in den Staatsschutzabteilungen sinnvoll unterstützt werden. Ein Vorteil sei, dass das Programm "Ressourcen schont und sehr schnelle Untersuchungen ermögliche", hieß es in einer früheren internen Bewertung zur Software. In der 198. Sitzung war das Projekt auch in der Innenministerkonferenz der Länder angekündigt. In der Drucksache 5/7527 vom 21. März 2014 antwortete die Landesregierung, dass eine solche Erkennung in der bundesweiten Gremienarbeit geprüft werde, aber noch keine abschließenden Ergebnisse vorlägen. Da die Titel bei einer solchen Software vorab in eine Datenbank eingespeist werden, könnten auch englische Titel und andere Sprachen identifiziert werden. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Beamte der Thüringer Polizei sind derzeit spezialisiert auf Rechtsrock-Musik beziehungsweise verfügen über die Fähigkeiten, Rechtsrock-Musik auch auf mögliche Indizierungen hin zuzuordnen (bitte nach Dienststellen aufschlüsseln)? 2. Welche Aus- und Fortbildungsangebote stehen bislang für Thüringer Polizeibeamte zur Verfügung, um sich mit dem Themenfeld Rechtsrock zu spezialisieren? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten König-Preuss (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4216 3. Wie viele Beamte des Staatsschutzes waren am 6. Mai 2017 in Leinefelde im Einsatz? 4. Betrachtet die Landesregierung vor dem Hintergrund der Ereignisse in Leinefelde eine wie in der Vorbemerkung geschilderte automatisierte Titelerkennung als hilfreiches Instrument zur Unterstützung des polizeilichen Staatsschutzes, um Fehler zu reduzieren, Titel effizienter zu erkennen und Ressourcen zu schonen? 5. Wie ist nach Kenntnissen der Landesregierung der derzeitige länderübergreifende Stand bei der Entwicklung dieser Applikation und inwiefern ist Thüringen bislang daran beteiligt? 6. Inwiefern eignen sich die bisher bekannten Prototypen der Software zur Umsetzung des in der Vorbemerkung genannten Ziels (Erkennen von Rechtsrock), welche Ergebnisse haben bisherige Prüfungen ergeben und welche sonstigen Vor- und Nachteile sieht die Landesregierung bei dem Programm? 7. Sofern eine Einführung dieser Applikation geplant ist, zu welchem Zeitpunkt wird diese (auch in Thüringen ) realisiert? 8. Sofern derzeit keine Einführung in den Ländern geplant ist: Hält die Landesregierung vor dem Hintergrund der Ereignisse in Leinefelde eine eigene Fortentwicklung des Projekts für sinnvoll und inwiefern beabsichtigt sie, die Umsetzung zu unterstützen beziehungsweise eine eigene Entwicklung voranzutreiben und wie begründet sie jeweils ihre Auffassung? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 7. Juli 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1: Eine Spezialisierung für Rechtsrock-Musik, wie durch die Abgeordnete bezeichnet, liegt bei den Beamten der Thüringer Landespolizei nicht vor. Grundsätzlich sind jedoch alle Polizeibeamten in der Lage, strafrechtlich relevantes Verhalten als solches zu erkennen. In Vorbereitung auf bekannte öffentliche Versammlungen der rechten Szene oder Rechtsrock-Konzerte erfolgt in den Staatsschutzkommissariaten eine intensive Auseinandersetzung mit den eingereichten Liedtexten der auftretenden Musikgruppen. Während einer Veranstaltung sind die anwesenden Beamten des Kommissariats Staatsschutz jedoch nicht in jedem Fall in der Lage, ein Musikstück, welches nicht zuvor mitgeteilt wurde, sofort vollumfänglich zuzuordnen . Zum einen sind nicht alle Liedpassagen aus dem Gedächtnis sofort abrufbar, zum anderen werden Musikstücke teilweise unverständlich oder verändert dargeboten. In der Regel werden die bei einem Abweichen von der gemeldeten Liedliste gespielten Lieder im Nachgang durch das Fachkommissariat ausgewertet. Als Hilfsmittel haben die Beamten des Staatsschutzkommissariats Zugriff auf die Zentraldatei "Datenbank Rechtsextremismus" (DAREX), in welcher weit über 1.000 indizierte Musiktitel aufgeführt sind. Zu 2.: Im Rahmen des Studiums für den gehobenen Polizeivollzugsdienst wird das Thema in den folgenden Modulen (M) sowie in einem Wahlpflichtfach (WP) behandelt: M 2: Polizei und Gesellschaft - Bedeutung der Grundrechte M 9.1: Veranstaltungen - unter anderem Polizeiliche Bedeutung von Skinhead-Konzerten M 9.2: Versammlungen - auch Versammlungen mit extremen Hintergrund M 9.9: Planübung zu Versammlungen, auch mit kritischen Einsatzanlässen M 10: Polizei und Globalisierung, insbesondere: M10.1: Kooperationen der Sicherheitsbehörden, Landespolizei, BKA, Verfassungsschutz M 10.2: Polizei in der multikulturellen Gesellschaft M 10.3: Extremismus/Terrorismus, hierzu: Soziologie: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus et cetera M 10.4: Training zu interkulturellen Kompetenzen WP 2.1.3: Besondere Einsatzlagen - aktuelle Probleme zu speziellen Veranstaltungslagen 3 Drucksache 6/4216Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Insbesondere im Bereich der Wahlpflichtmodule sind Studienbereiche vorgesehen, welche aktuelle polizeilich relevante Erscheinungsformen aufgreifen. Von der Landeszentrale für politische Bildung werden im Rahmen der Fortbildung Seminare unter dem Motto "RechtsRock - Made in Thüringen" angeboten. Diese wurden in der Vergangenheit von Polizeibeamten wahrgenommen. Zu 3.: Am 6. Mai 2017 waren insgesamt drei Beamte aus dem Bereich der Kriminalpolizeiinspektion Nordhausen, Staatsschutz, zum NPD-Eichsfeldtag 2017 in Leinefelde im Einsatz. Zu 4.: Das Landeskriminalamt Thüringen stellt grundsätzlich fest, dass die Entwicklung eines einheitlichen Verfahrens zur automatisierten Wiedererkennung beliebiger Audiodaten zur Identifizierung strafrechtlich relevanter oder jugendgefährdeter Musiktitel im Rahmen der Auswertung sichergestellter Tonträger ein geeignetes Mittel zur Unterstützung von Ermittlungshandlungen darstellen könnte. Eine automatische Titelerkennung würde den bisherigen zeitintensiven und fehleranfälligen Prozess der Identifizierung von indizierten Musiktiteln auf Basis der durch das BKA geführten Datenbank "DAREX" effektiver und effizienter gestalten. Eine Vorauswahl potentiell indizierter Musiktitel auf der Grundlage einer Referenzdatenbank könnte damit automatisiert und beschleunigt werden. Zu 5.: Im Freistaat Sachsen wird das Projekt "Digitales Audio-Fingerprint-Analysesystem" (DAUFA) betrieben. Der Grundgedanke des Projektes lag in der automatisierten Wiedererkennung von Audio-Fingerabdrücken aus einem Datenbestand beliebig vieler Vergleichsmuster. Ziel war es, dass in derartigen Programmen bereits umgesetzte Prinzip des Erzeugens und Wiedererkennens von Audio-Fingerabdrücken für polizeiliche Zwecke nutzbar zu machen. Im Ergebnis sollten beliebige Audio-Quellen (CDs, DVDs, auf Datenträgern gespeicherte MP3-Dateien, Internetradio et cetera) automatisch auf strafrechtlich relevante oder jugendgefährdete Musiktitel überprüft werden können. Die Auswertung von Live-Musik ist ein Sonderfall, weil verschiedene, nicht konstante Variablen einen starken Einfluss auf die Qualität der zu untersuchenden Daten ausüben. Erschwerend kommen bei der Live- Musik die Faktoren "Störgeräusche"1 sowie "abweichende Varianten vom Original"2 hinzu. Zur Wiedererkennung solcher Live-Auftritte lag nach aktuellem Stand noch keine technische Lösung bei dem in Sachsen betriebenen Projekt DAUFA oder bei sonstigen kommerziell angebotenen Produkten (Shazam) vor. Die Polizei des Freistaats Thüringen ist über das Landeskriminalamt Thüringen in den stattfindenden Informationsaustausch eingebunden. Zu 6., 7. und 8.: Es wird auf die Beantwortung der Frage 5 verwiesen. Dr. Poppenhäger Minister Endnote: 1 Störgeräusche können durch anwesende Personen oder sonstige Lärmquellen verursacht werden. 2 Bei Live-Auftritten werden hingegen sehr häufig abweichende Varianten vom Original gespielt. Automatisierte Audio-Titelerkennung für die Polizei ("Nazi-Shazam") - nachgefragt Ich frage die Landesregierung: Zu 1: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6., 7. und 8.: Endnote: