13.07.2017 Drucksache 6/4222Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 26. Juli 2017 Illegale Abfallentsorgung durch einen Abbruchunternehmer Die Kleine Anfrage 2215 vom 24. Mai 2017 hat folgenden Wortlaut: Ein Artikel in der Tageszeitung Freies Wort vom 5. Mai 2017 unter der Überschrift "Aus dem Gericht - Hauptsache , das Zeug ist weg" beschreibt einen gerichtlichen Prozess am Landgericht Meiningen gegen einen Abbruchunternehmer, der seit mehreren Jahren riesige Mengen Müll illegal entsorgt haben soll. Die Rede ist davon, dass die Abfälle "getarnt als Hangsicherung oder Baustoff zur Geländeregulierung auf den Grundstücken des Unternehmers im Landkreis Hildburghausen und in Sonneberg irgendwo einplaniert oder vergraben wurden." Das Material sei von "belasteten Industrieanlagen, abgebrannten Gebäuden, nicht mehr genutzten Hallen und Häusern" entnommen worden. Nach Angaben des Angeklagten hätte er zu etwa 90 Prozent der Aufträge von der öffentlichen Hand erhalten. Die Staatsanwaltschaft hätte bereits seit Jahren Ermittlungen vorgenommen, wobei offenbar Verstöße gegen mehrere umweltrelevante Gesetze zutage traten. So sei auch mit Schwermetallen belastetes Altholz zu Hackschnitzeln verarbeitet und als Brennstoff verkauft worden. Zudem hätte er eigene Mitarbeiter ohne Genehmigung und in fahrlässiger Weise mit Asbest arbeiten lassen. Ich frage die Landesregierung: 1. Inwieweit ist der Landesregierung der eingangs beschriebene Zeitungsartikel bekannt? 2. Welche Behörden waren im beschriebenen Fall für die Überwachung der Entsorgung der Abbruchreststoffe zuständig? 3. Kann aus Sicht der Landesregierung eingeschätzt werden, ob die Überwachung und Kontrolle der Entsorgungstätigkeit ordnungsgemäß verlaufen ist oder wurden gegebenenfalls Überwachungspflichten verletzt und wenn ja, bitte um Erläuterung des konkreten Sachverhalts? 4. Kommt im beschriebenen Fall das Umweltschadensgesetz zur Anwendung? 5. Sind der Landesregierung weitere ähnlich gelagerte Delikte bekannt und wenn ja, um welche Fälle handelt es sich (bitte Aufzählung der Fälle ab dem Jahr 2013 vor dem Hintergrund, dass der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Bergner zur Umweltkriminalität in Drucksache 5/6538 eine Auflistung bis zum Jahr 2012 zu entnehmen ist)? 6. Wie ist die aktuelle Aufklärungsrate bei Fällen von Umweltstraftaten? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kummer (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4222 7. Wurde das polizeiliche Konzept für Mitteldeutschland zur Bekämpfung der illegalen Abfallentsorgung, auf das die Landesregierung in der Antwort auf Frage 8 einer Kleinen Anfrage des Abgeordneten Bergner zur Umweltkriminalität in Drucksache 5/6538 verwiesen hat, in den letzten Jahren weitergeführt und wenn ja, auf welche Weise und durch wen? 8. Wie und durch wen erfolgt in Thüringen grundsätzlich die Umweltkriminalitätsvorsorge? Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 11. Juli 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der Zeitungsartikel ist der Landesregierung bekannt. Seine Aussagen zu Gegenstand und Ausgang des Strafverfahrens sind zutreffend. Der Inhaber des Recycling- und Abbruchunternehmens ist der Landesregierung ebenfalls bekannt. Dieser war auch Inhaber einer in Sachsenbrunn betriebenen Recyclinganlage. Zu 2.: Die allgemeine Überwachung der Abfallentsorgung nach § 47 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) obliegt gemäß § 24 Thüringer Abfallwirtschaftsgesetz (ThürAbfG) dem zuständigen Landkreis beziehungsweise der kreisfreien Stadt. Soweit gefährliche Abfälle anfallen, unterliegen diese den gesetzlichen Nachweis- und Registerpflichten gemäß Nachweisverordnung, für die das Thüringer Landesverwaltungsamt (TLVwA) zuständig ist. Die Recyclinganlage unterlag als immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage der Überwachung durch das Landratsamt Hildburghausen. Die ordnungsgemäße Entsorgung von Abbruchmaterialien unterliegt zwar grundsätzlich der allgemeinen Überwachung nach § 47 KrWG (hier insbesondere Erzeugerüberwachung), jedoch besteht keine verpflichtende lückenlose Überwachung. Auf Grund der baurechtlichen Genehmigungsfreiheit von Abbruchmaßnahmen haben die Abfallbehörden oftmals keine Information über die Abbruchtätigkeit. Sofern das Abbruchunternehmen die Abfälle nicht als gefährlich deklariert, bestehen auch keine obligatorischen Nachweispflichten, so dass die Entsorgung der Abfälle mangels Information über den Anfall dieser Abfälle gar nicht überwacht werden kann. Das Abbruchunternehmen hat insbesondere in den Landkreisen Hildburghausen und Sonneberg zahlreiche Baumaßnahmen durchgeführt. Zu 3.: Soweit den örtlich zuständigen Abfallbehörden Verstöße bekannt geworden sind (baurechtliche Genehmigungsfreiheit , siehe Antwort zu Frage 2), sind sie ihrer Überwachungspflicht als Erzeugerbehörde ordnungsgemäß nachgekommen; ebenso hat das TLVwA Anordnungen hinsichtlich der Nachweis- und Registerführung erlassen. Maßnahmen der unteren Abfallbehörden: - Beseitigungsverfügung des Landratsamtes Sonneberg vom 25. August 2015, Widerspruch zurückgewiesen , Klage vor dem VG - Recyclinganlage in Sachsenbrunn: Bescheide des Landratsamtes Hildburghausen zur Untersagung der Lagerung gefährlicher Abfälle, zur Vorlage von Betriebsbüchern, zur Annahme und Beräumung von Abfällen , jeweils gefolgt von entsprechenden Zwangsmaßnahmen Maßnahmen des TLVwA (Sachsenbrunn und Sonneberg betreffend): - Anordnung zur Aufnahme weiterer Angaben im Rahmen der Führung von Registern (§ 49 KrWG) für die Entsorgungsanlage in Sachsenbrunn ab 1. Juli 2014 (Angabe Anfallstelle, Anlieferer bei der Annahme, Angabe Entsorger im Output) (Bescheid Mai 2014) - Anordnung zur Nachweis- und Registerführung für sämtliche Abbruchabfälle Dezember 2014; Klage VG Meiningen; eingelegte Klage wurde zurückgenommen (Mai 2017) - Anordnung zur Entsorgung eines in der Entsorgungsanlage in Sachsenbrunn angefallenen Abfallgemisches als gefährlicher Abfall über das Nachweisverfahren (Juni 2016); Klage; Rücknahme der Klage (Mai 2017) 3 Drucksache 6/4222Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - Verschiedene Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen nicht geführter Sammelnachweise, nicht geführtem Register, nicht geführtem Übernahmeschein, nicht vorgelegte Register Landkreis Schmalkalden-Meiningen: - Oktober 2013 Abbruchmaßnahme in Steinbach-Hallenberg - Bescheid mit Zwangsgeldandrohung zur Vorlage der Nachweise über entsorgte Abfälle (Entsorgung auf der Deponie wegen unzulässiger Vermischung der Abfälle; keine Verwertung möglich) - November 2013 Stadt Zella-Mehlis - Abriss eines Heizhauses; Verbringung des Abfalls vom Heizhaus auf das Gelände des ehemaligen Goethegymnasiums zur Schaffung einer Fläche zur Wohnbebauung; Räumungsbescheid (13. Februar 2014) Androhung und Festsetzung Zwangsgeld; trotz Verwaltungsgerichtbeschluss , dass Anordnung rechtens, erfolgten weitere Ablagerungen; Festsetzung eines zweiten Zwangsgelds; da weitere Ablagerungen erfolgten: Anzeige Staatsanwaltschaft; 17. November 2014 Räumungsbescheid und Androhung Ersatzvornahme - 15. Mai 2014 Abbruch eines großen Gebäudekomplexes in Schmalkalden - 4. Juni 2014 Anordnung zur Einstellung aller Abbrucharbeiten sowie der ordnungsgemäßen Entsorgung gegenüber dem Bauunternehmer ; 26. Juni 2014 Festsetzung Zwangsgeld; da Maßnahmen erfolglos blieben, 30. Juni 2014 Anordnung zur Einstellung der Abbrucharbeiten gegenüber dem Bauherren; 14 tägig Kontrollen mit diversen Festlegungen; Beräumungsanordnung - Seit 2015 keine weiteren Abbruchmaßnahmen Zu 4.: Nach den derzeitigen Erkenntnissen wird eine Anwendung des Umweltschadensgesetzes durch die strengeren Regelungen des Bundesbodenschutzgesetzes verdrängt, soweit Abrissmaterial auf Grundstücken des Unternehmens einplaniert oder vergraben wurde. Nach § 1 Umweltschadensgesetz besteht ein Vorrang speziellerer Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder, soweit diese Rechtsvorschriften die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden näher bestimmen und den Anforderungen des Umweltschadensgesetzes zumindest entsprechen. Für die hier bestehende Beeinträchtigung des Bodens ist ein solcher Vorrang des Bundesbodenschutzgesetzes gegeben. Soweit mit Schwermetallen verseuchtes Altholz zu Hackschnitzeln verarbeitet und als Brennstoff verkauft worden ist, liegt im Sinne des Umweltschadensgesetzes kein Schaden an natürlichen Ressourcen vor. Natürliche Ressourcen definiert das Gesetz als Arten oder natürliche Lebensräume, Gewässer und Boden. Beim Verbrennen der Hackschnitzel ist ein Schaden an den so definierten natürlichen Ressourcen nicht ersichtlich. Zu 5.: Die Anzahl der seit dem Jahr 2013 wegen Straftaten gegen die Umwelt nach dem Strafgesetzbuch (29. Abschnitt , §§ 324 bis 330d StGB) und nach dem Bundesnaturschutzgesetz Abgeurteilten und Verurteilten sowie derjenigen, gegen die entsprechende Strafverfahren mit einem Freispruch abgeschlossen wurden, ergibt sich aus nachstehenden tabellarischen Übersichten: Straftaten gegen die Umwelt nach dem StGB (29. Abschnitt, §§ 324 bis 330d) Jahr Abgeurteilte 1 Verurteilte Freispruch 2013 22 13 2 2014 20 11 0 2015 18 7 0 2016 28 9 3 Straftaten gegen die Umwelt nach Bundesnaturschutzgesetz Jahr Abgeurteilte 1 Verurteilte Freispruch 2013 1 1 0 2014 2 2 0 2015 1 1 0 2016 2 1 0 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4222 Wegen anderer strafrechtlicher Nebengesetze auf dem Umweltsektor (Chemikaliengesetz, Gentechnikgesetz , Pflanzenschutzgesetz, Umwelthaftungsgesetz) Abgeurteilte und Verurteilte sowie Personen, gegen die entsprechende Strafverfahren mit einem Freispruch abgeschlossen wurden, gab es ausweislich der Strafverfolgungsstatistik nicht. Zu 6.: Die nachstehende Übersicht enthält Fallzahlen und Aufklärungsquoten (in Prozent) der Jahre 2013 bis 2016 für den Freistaat Thüringen. Fallzahlen/Aufklärungsquoten 2013 2014 2015 2016 Straftaten insgesamt Umwelt-/Verbraucherschutz 714 67,6 % 736 61,3 % 722 64,8 % 827 54,9 % Umweltstraftaten gemäß 29. Abschnitt StGB 202 62,9 % 199 56,8 % 168 62,5 % 181 58,0 % Sonstige Umweltstraftaten gemäß StGB mit Umweltrelevanz 130 53,8 % 99 46,5 % 104 52,9 % 197 43,1 % Straftaten auf dem Umwelt-/Verbraucherschutzsektor gemäß strafrechtlicher Nebengesetze 382 74,9 % 438 66,7 % 450 68,4 % 449 58,8 % Unerlaubter Umgang mit Abfällen § 326 StGB, außer Absatz 2 102 59,8 % 99 56,6 % 78 65,4 % 75 62,7 % Zu 7.: Die Länder der Sicherheitskooperation (SiKoop), das heißt Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, haben ein gemeinsames polizeiliches Rahmenkonzept zur Bekämpfung der illegalen Abfallentsorgung erstellt. Dieses wird umgesetzt. Die Hauptverantwortung für die Fortführung beziehungsweise die Umsetzung liegt bei den Landeskriminalämtern. Jährlich findet eine Arbeitsbesprechung der zuständigen Bereiche der Landeskriminalämter statt, bei der Informationen ausgetauscht sowie über - Schwerpunkte und Tendenzen der Abfallwirtschaftskriminalität, - gegebenenfalls erforderliche Änderungen der Rahmenkonzeption, zum Beispiel infolge von Änderungen der Rechtslage, - Verbesserung der Zusammenarbeit mit den originär zuständigen Abfallbehörden im Rahmen der Bearbeitung von Ermittlungsverfahren, Verbesserung der Zusammenarbeit mit der Justiz beraten wird. Darüber hinaus erfolgt eine enge Zusammenarbeit mit dem Zoll und dem Bundesamt für Güterverkehr . Im Landeskriminalamt Thüringen ist eine Ermittlungsgruppe als zentrale Fachdienststelle (Umwelt- und Verbraucherschutzdelikte) für die Umsetzung des Rahmenkonzepts zuständig. In den letzten zwei Jahren wurden gemeinsam mit der Autobahnpolizeiinspektion und dem TLVwA komplexe Abfalltransportkontrollen organisiert. Weiterhin führt die Autobahnpolizeiinspektion in alleiniger Zuständigkeit im Rahmen der Überwachung des gewerblichen Güterverkehrs Abfalltransportkontrollen durch. Zusätzlich unterstützt das Landeskriminalamt Thüringen das TLVwA bei der Kontrolle von Abfallanlagen. Die Maßnahmen verfolgen das Ziel, den Kontrolldruck zu erhöhen und mögliche Straftaten aufzudecken. Zu den Kontrollen erfolgte eine wirksame Öffentlichkeitsarbeit durch Pressemitteilungen und Einladung von Pressevertretern an die Kontrollorte. In Umsetzung des Artikels 50 Abs. 2a der Verordnung EG Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen erstellte das TLVwA den Kontrollplan Thüringen, welcher auf der Website der Behörde 2 veröffentlicht ist. In diesem sind die Aufgaben und Zuständigkeiten aller an der Kontrolle von grenzüberschreitenden Abfalltransporten beteiligten Behörden (einschließlich der Thüringer Polizei) geregelt. Noch in diesem Jahr wird eine landesweite Fachtagung zum Thema Abfallwirtschaftskriminalität stattfinden. An der Veranstaltung werden Vertreter des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz, des TLVwA, des Thüringer Landesbergamtes, der unteren Abfallbehörden der Landkreise und kreisfreien 5 Drucksache 6/4222Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Städte, der Staatsanwaltschaften, der Kriminalpolizeiinspektionen und der Autobahnpolizeiinspektion teilnehmen . Die Tagung soll aktuelles Fachwissen vermitteln und die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den originär zuständigen Abfallbehörden verbessern. Zudem ist für Ende 2017 eine gemeinsame Arbeitsberatung aller an der Abfallüberwachung in Thüringen beteiligten Behörden geplant. Zu 8.: Der Begriff Umweltkriminalität bezeichnet rechtsverletzende Handlungen gegen die gesetzlich geschützten Umweltgüter Luft, Boden, Wasser, Tiere und Pflanzen, die im Strafgesetzbuch oder strafrechtlichen Nebengesetzen mit Strafe bedroht sind. Vorsorge im weiten Sinne umfasst alle Maßnahmen, die dazu führen, dass solche Handlungen unterbleiben. Bereits das Wissen um mögliche Gefahren für die Umwelt und deren strafrechtliche Behandlung ist ein wichtiger Baustein zur Umweltkriminalitätsvorsorge. Das beginnt mit einer entsprechenden Erziehung und Aufklärung im Elternhaus, im Kindergarten und in der Schule und findet seine Fortsetzung mit entsprechenden Informationen in den Medien. Zudem ist die Überwachung und Ahndung von Verstößen durch die Umweltbehörden (Bußgelder) sowie eine konsequente strafrechtliche Verfolgung von Umweltstraftaten durch die Strafverfolgungsbehörden erforderlich , um die gewünschten Abschreckungseffekte der strafrechtlichen Sanktionen auch in der Praxis zu erzielen. In Vertretung Möller Staatssekretär Endnote: 1 Die Zahl der Abgeurteilten im Sinne der Strafverfolgungsstatistik setzt sich zusammen aus den Verurteilten und aus Personen, gegen die andere gerichtliche Entscheidungen (unter anderem Freispruch, Einstellung des Strafverfahrens und Absehen von Strafe) ergangen sind. 2 http://www.thueringen.de/mam/th3/tlvwa/430/kontrollplan_th_1.pdf Illegale Abfallentsorgung durch einen Abbruchunternehmer Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Endnote: