14.07.2017 Drucksache 6/4224Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 26. Juli 2017 Staatsschutzdelikte in Thüringen: Definition, Organisation, Personal Die Kleine Anfrage 2192 vom 18. Mai 2017 hat folgenden Wortlaut: Staatsschutzdelikte, also nach dem Fragesteller vorliegenden Informationen solche Straftaten, die sich ge gen Organe oder Mittel des Staates richten, sind ein wichtiges Kriminalitätsfeld. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Definition wird in Thüringen für "staatsschutzrelevante Delikte" verwendet? 2. Seit wann besteht diese Definition? Wann wurde sie zuletzt wie geändert? 3. Hat das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales die Kompetenz für einzelne Kriminalitätsphä nomene die Bearbeitung dem Staatsschutz zuzuweisen? Wenn ja, für welche und seit wann? 4. Hat das Landeskriminalamt die Kompetenz für den Bereich Staatsschutz die Bearbeitung von einzel nen Delikten an sich zu ziehen? Wenn ja, bei welchen Straftaten (bitte die jeweiligen Paragraphen nen nen) war das seit dem 1. Januar 2015 der Fall (bitte nach den Straftaten und Jahresscheiben aufschlüs seln und die Gründe dafür angeben, warum die Delikte dem Bereich Staatsschutz zugeordnet wurden)? 5. Wie hat sich die personelle Ausstattung der Dezernate 22 und 23 (Abteilung 2: Polizeilicher Staatsschutz) des Landeskriminalamtes seit dem 1. Januar 2015 entwickelt (bitte die Anzahl der besetzten Dienst posten nach Jahresscheiben und den genannten Dezernaten aufschlüsseln; falls eine Aufschlüsselung nach Dezernaten nicht möglich sein sollte, bitte die Entwicklung der besetzten Dienstposten für die Ab teilung 2: Polizeilicher Staatschutz seit dem 1. Januar 2015 bis heute [nach Jahresscheiben] darlegen)? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 13. Juli 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Eine Legaldefinition für "staatsschutzrelevante Delikte" im wörtlichen Sinne der Fragestellung gibt es nicht. Der Polizeiliche Staatsschutz ist für die Abwehr von Gefahren sowie die Verhütung und Verfolgung der Staats schutzkriminalität zuständig. Diese wird zunächst durch die Staatsschutzdelikte determiniert. Basierend auf den im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches in den Abschnitten Eins bis Fünf zusammengefassten be K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Henke (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4224 ziehungsweise durch die Straftatbestände der §§ 129a, 129b, 234a und 241a StGB normierten Straftaten sowie in Ableitung der gerichtsverfassungsrechtlichen Zuweisung nach §§ 74a und 120 GVG lassen sich die sogenannten echten Staatsschutzdelikte im engeren Sinne als traditioneller Kernbereich des Polizeili chen Staatsschutzes bestimmen. Der einheitlichen Beschreibung, Bewertung und Erfassung politisch motivierter Straftaten kommt eine her ausragende Bedeutung zu. Seit Einführung des Definitionssystems Politisch motivierte Kriminalität (PMK) und des darauf basierenden Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (KPMD-PMK) zum 1. Januar 2001 wird umfassend auf die Motivation des Täters abgestellt. Seither können auch Einzelphänomene, die in das Auf gabengebiet des Polizeilichen Staatsschutzes gehören, in ihrer Gesamtheit erfasst werden. Der Politisch motivierten Kriminalität werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie • den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten, • sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung beziehungsweise eines ihrer Wesensmerk male, den Bestand und die Sicherheit des Bundes oder eines Landes richten oder eine ungesetzli che Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern der Verfassungsorgane des Bundes oder ei nes Landes zum Ziel haben, • durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, • gegen eine Person wegen ihrer/ihres zugeschriebenen oder tatsächlichen politischen Haltung, Ein stellung und/oder Engagements, Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, Hautfarbe, Religionszugehö rigkeit, Weltanschauung, sozialen Status, physischen und/oder psychischen Behinderung oder Be einträchtigung, sexuellen Orientierung und/oder sexuellen Identität oder äußeren Erscheinungsbildes gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht beziehungsweise sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. Darüber hinaus werden Tatbestände gem. §§ 80a83, 8486a, 8791, 94100a, 102104a, 105108e, 109 109h, 129a, 129b, 234a oder 241a StGB erfasst, weil sie Staatsschutzdelikte sind, selbst wenn im Einzel fall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Zu 2.: Das Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität wurde zum 1. Januar 2001 eingeführt und zuletzt zum 1. Januar 2017 geändert. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Zu 3.: Ja; die sachlichen Zuständigkeiten richten sich nach dem Thüringer Gesetz über die Organisation der Po lizei (ThürPOG) vom 25. Oktober 2011, der Thüringer Verordnung zur Bestimmung der sachlichen Zustän digkeiten der Polizeibehörden (PolZustVTH) vom 9. August 2013 sowie der Thüringer Richtlinie zur Durch führung des Polizeiorganisationsgesetzes (RLPOG) in der Fassung der Änderung vom 1. Juli 2009. Darüber hinaus ist die BAO ZESAR im TLKA gemäß der einschlägigen Rahmenkonzeption zur Bekämp fung des Rechtsextremismus in Thüringen unter anderem für die Wahrnehmung der polizeilichen Aufga ben der Strafverfolgung in den Fällen von Politisch motivierter Gewaltkriminalität, sofern diese der PMK rechts zuzuordnen sind, zuständig. Zur Gewährleistung eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes hat die BAO ZESAR ein landesweites Ziehungsrecht für sämtliche Fälle der Politisch motivierten Kriminalität sowie der Allgemeinkriminalität, sofern ein Zusammenhang mit den Aufgaben und der Tätigkeit der BAO besteht oder zu vermuten ist. Zu 4.: Ja, auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. Eine Statistik im Sinne der Fragestellung liegt jedoch nicht vor. Zu 5.: Dem Dezernat 22 "Politisch motivierte Kriminalität Rechts/Links-Auswertung/Ermittlungen" und dem De zernat 23 "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" sind gemäß dem seit dem 1. Juli 2014 in Kraft getre tenen Organisations- und Dienstpostenplans des Landeskriminalamtes Thüringen jeweils sieben Dienst posten zugewiesen. 3 Drucksache 6/4224Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Um flexibler auf veränderte Ermittlungsschwerpunkte reagieren zu können, verfügen die Dezernate 22 und 23 darüber hinaus über einen gemeinsamen "Ermittlerpool" mit insgesamt 23 Dienstposten. Die Dienstpos tenzuweisung zum jeweiligen Dezernat erfolgt bedarfsabhängig in Verantwortung des Leiters der Abteilung 2. Die Entwicklung der Besetzung der Dienstposten der Dezernate 22 und 23 sowie des gemeinsamen "Er mittlerpools" im Landeskriminalamt Thüringen seit dem 1. Januar 2015 stellt sich wie folgt dar: Dezernat Anzahl besetzter Dienstposten (Stand: 01.01.2015) Anzahl besetzter Dienstposten (Stand: 01.01.2016) Anzahl besetzter Dienstposten (Stand: 01.01.2017) 22 und 23 9 11 13 Ermittlerpool 22 19 22 Dr. Poppenhäger Minister Staatsschutzdelikte in Thüringen: Definition, Organisation, Personal Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: