17.07.2017 Drucksache 6/4233Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. Juli 2017 Neonazistischer Eichsfeldtag in Leinefelde Die Kleine Anfrage 2177 vom 8. Mai 2017 hat folgenden Wortlaut: Am Sonnabend, dem 6. Mai 2017, fand in Leinefelde der sogenannte "Eichsfeldtag", ein Rechtsrock-Event der Neonazi-Szene statt. Diverse extrem rechte Bands waren angekündigt, darunter "AMOK", "Nahkampf" und die "Lunikoff-Verschwörung". Bereits am Morgen des 6. Mai 2017 gab es Berichte, dass Neonazis auf das Gelände gelassen wurden, trotzdem sich Gegendemonstrantinnen und -demonstranten noch vor Ort befanden und es zu Rangeleien gekommen sei. Journalisten berichteten, dass sie dort von Neonazis massiv an einer freien Berichterstattung gehindert worden seien; so seien Journalisten unter anderem mit Getränken beschüttet worden. Auf bei flickr veröffentlichten Fotogalerien ist für mich zu erkennen, dass sich unter den teilnehmenden Neonazis auch Vertreter der Gruppe "Aryans" befanden, die mit gewalttätigen Übergriffen am 1. Mai 2017 in Halle in Erscheinung traten. Ebenso waren mehrere eindeutige Bezüge (beispielsweise Bands, Lieder et cetera) zu dem in Deutschland verbotenen Netzwerk "Blood & Honour" erkennbar. Mehrere Journalisten berichten davon, dass beispielsweise "AMOK" ein Lied von Ian Stuart, dem Gründer von "Blood & Honour" gesungen hätte. Mehrere Alben beziehungsweise Lieder von Ian Stuart sowie dessen ehemaliger Band "Screwdriver" sind indiziert. Neben den "Aryans" habe ich unter anderem Vertreter von "Thügida" und der "Europäischen Aktion" erkannt. Ich frage die Landesregierung 1. Wie viele Teilnehmer aus welchen Bundesländern beziehungsweise anderen Ländern kamen nach Kenntnis der Landesregierung beim "Eichsfeldtag" zusammen (bitte nach Bundesländern/Ländern auflisten)? 2. Wurde nach Kenntnis der Landesregierung Eintritt beziehungsweise Spenden von Teilnehmern des "Eichsfeldtags" genommen und wenn ja, in welcher Höhe? 3. Von wie vielen Teilnehmern wurden die Personalien erfasst und wie viele Straftaten beziehungsweise Ordnungswidrigkeiten wurden bei wie vielen Personen aus welchen Gründen festgestellt (bitte einzeln auflisten)? 4. Welche extrem rechten Gruppierungen waren nach Kenntnis der Landesregierung auf dem "Eichsfeldtag " vertreten (bitte einzeln auflisten)? 5. Welches Lied von Ian Stuart spielte die in der Begründung genannte Band "AMOK" nach Kenntnis der Landesregierung und, sofern dieses Lied indiziert ist, wieso wurde nicht eingegriffen und wurden im Nachgang Ermittlungsverfahren deswegen eingeleitet? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten König-Preuss (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4233 6. Wie viele indizierte Lieder wurden nach Kenntnis der Landesregierung auf dem "Eichsfeldtag" von welchen Bands gespielt und wie wurde dies jeweils erfasst beziehungsweise festgestellt (bitte einzeln auflisten)? 7. Wurden Ermittlungsverfahren gegen Neonazis, die unter anderem mit T-Shirt-Aufdrucken, wie "Blod & Ära Sverige" ("Blood & Honour" Schweden - die in Deutschland verbotene Organisation "Blood & Honour ") eingeleitet, wenn nein, warum nicht, wenn ja, nach welchen Straftatbeständen? 8. Wurden die Personalien der Person/Personen festgestellt und gegebenenfalls gegen diese Ermittlungsverfahren eingeleitet, die mit einem T-Shirt der Band "Erschiessungskommando" auftraten, gegen die in Thüringen aufgrund der Veröffentlichung eines Mordaufrufs derzeit ermittelt wird (bitte gegebenenfalls Straftatbestand nennen, wenn keine Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden, bitte begründen)? 9. Wurden - vor dem Hintergrund des neonazistischen Übergriffs am 1. Mai 2017 in Halle - Personalien der Teilnehmer, welche mit T-Shirts der extrem rechten Gruppierungen "Aryans" auftraten, erfasst (darunter zwei Mitglieder der Band "Randgruppe deutsch")? 10. Inwieweit ist nach Ansicht der Landesregierung die Teilnahme von Kindern an einem Rechtsrockfestival, wie sie auf den im Internet veröffentlichten Bildern zu erkennen ist, mit dem Kinder- und Jugendschutz vereinbar und wie begründet sie jeweils ihre Auffassung? 11. Wie beurteilt die Landesregierung den "Eichsfeldtag", welcher sowohl aufgrund der Auswahl der Bands als auch durch Lieder, T-Shirt-Aufdrucke und Reden positiv Bezug auf das NS-Regime, verbotene Neonazi -Organisationen nahm? 12. Wie gedenkt die Landesregierung künftig derartige Veranstaltungen zu behandeln und wie begründet sie ihre Auffassung? 13. Falls die Landesregierung bestätigen kann, dass Journalisten in ihrer Arbeit durch Teilnehmer des "Eichsfeldtags " behindert wurden, welche Unterstützung erhielten Journalisten vor Ort, um ungehindert ihrer Arbeit nachgehen zu können? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 17. Juli 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: An der Veranstaltung nahmen bis zu 480 Personen aus Thüringen und anderen Bundesländern sowie aus der Schweiz teil. Weitergehende Erkenntnisse liegen nicht vor. Zu 2.: Es wurden keine Eintrittskarten verkauft. Die Teilnehmer wurden um Spenden gebeten. Zur Höhe dieser Spenden liegen keine Erkenntnisse vor. Zu 3.: Es wurden die Personalien von 25 Personen erfasst sowie Anzeigen zu 16 Fällen wegen des Verdachts einer Straftat und in einem Fall wegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit aufgenommen: Delikt Anzahl Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) 6 Beleidigung (§ 185 StGB) 1 Verstoß gegen das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten 1 Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz 1 Verstoß gegen das Versammlungsgesetz 8 Die Ermittlungen richten sich gegen 15 Tatverdächtige. 3 Drucksache 6/4233Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 4.: Es waren auf dem "Eichsfeldtag" neben der NPD die "Europäische Aktion" (EA) und das Projekt "Gefangenenhilfe .info" vertreten. Zu 5.: Der Mitteldeutsche Rundfunk berichtete, dass die Band "AMOK" das Lied "Tomorrow Belongs to Me" aufgeführt haben soll. Die Prüfungen, ob dieses Lied indiziert ist, dauern an. Es wurden Ermittlungen wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Jugendschutzgesetz aufgenommen. Zu 6.: Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Darüber hinaus liegen keine weiteren Erkenntnisse vor. Zu 7.: Es wurden keine Ermittlungen wegen des Tragens von Bekleidung mit der Aufschrift "Blod & Ära Sverige" aufgenommen. Während das Tragen von Kennzeichen der in der Bundesrepublik Deutschland verbotenen "Blood & Honour Division Deutschland" als Verstoß gegen § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) verfolgt wird, unterliegen die Symbole anderer internationaler Zweige der "Blood & Honour"-Organisation nicht diesem Verbot. Zu 8.: Es wurden keine Personen festgestellt, die T-Shirts im Sinne der Fragestellung getragen haben. Zu 9.: Es wurden keine Personalien von Personen wegen des Tragens von Bekleidung mit der Aufschrift "Aryans " erfasst. Zu 10.: Das Jugendschutzgesetz ist insbesondere im Hinblick auf öffentliche Veranstaltungen und im Zusammenhang mit jugendgefährdenden Medien (Schriften, Filmen, Tonträger) von besonderer Bedeutung. So kann gemäß § 7 Jugendschutzgesetz die zuständige Behörde anordnen, dass der Veranstalter Kindern und Jugendlichen die Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung zu untersagen hat, wenn von der Veranstaltung eine (vorhersehbare) Gefährdung für das körperliche, geistige oder seelische Wohl der Kinder und Jugendlichen ausgeht. Grundsätzlich gilt, dass auch Minderjährige Träger des Grundrechts der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit sind (Grundrechtsmündigkeit). Soweit jedoch eine unmittelbare Gefährdung des geistigen und seelischen Wohles der Kinder und Jugendlichen durch entsprechende Medien bei der Versammlung zu befürchten ist, kann eine entsprechende Beauflagung durch die Versammlungsbehörde in Betracht kommen. Werden während der Veranstaltung Anhaltspunkte für eine unmittelbare Gefährdung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls von Kindern und Jugendlichen bekannt, können Polizei und Ordnungsbehörden gemäß § 8 Satz 1 und 2 Nr. 1 Jugendschutzgesetz, § 1 Abs. 4 Thüringer Jugendschutzzuständigkeitsverordnung Kinder und Jugendliche unter anderem zum Verlassen des Veranstaltungsortes auffordern. Vorliegend lag eine Veranstaltung im Sinne des Versammlungsgesetzes vor. Bereits im Vorfeld der Versammlung wurde eine Überprüfung der entsprechenden Liedvorträge im Hinblick auf eine mögliche Indizierung durchgeführt. Es war ausweislich des Auflagenbescheids untersagt, in Reden und Liedtexten zum Hass gegen Bevölkerungsteile aufzustacheln oder zu Gewalt und Willkürmaßnahmen aufzurufen oder die Menschenwürde anderer Menschen zu verletzen, indem Teile der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich gemacht oder verleumdet werden. Insbesondere wurde das Skandieren ausländerfeindlicher Parolen untersagt. Des Weiteren war untersagt, Liedtexte mit strafbarem, rassistischem und volkverhetzendem Inhalt sowie indizierte Texte vorzutragen oder abzuspielen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 5 bis 7 verwiesen. Zu 11.: Bei dem sogenannten "Eichsfeldtag" handelt es sich um eine seit dem Jahr 2011 jährlich wiederkehrende rechtsextremistische Versammlung mit Musik- und Redebeiträgen. Es wurden wiederum gezielt überregional bekannte Bands eingesetzt, um Veranstaltungsteilnehmer anzuziehen und die Rednerbeiträge durch musikalische Programmpunkte aufzulockern. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4233 Die NPD versucht mit dieser Versammlung ihren in den letzten Jahren verloren gegangenen Einfluss innerhalb der rechtsextremistischen Szene wieder zu erweitern. Dabei dient ihr diese Veranstaltung nicht nur als Scharnierfunktion zwischen Neonazis und der subkulturell geprägten rechtsextremistischen Szene, sondern die Veranstaltung erfüllt auch Funktionen der Mobilisierung und Ideologisierung. Zu 12.: Das Handeln der Sicherheits- und Ordnungsbehörden richtet sich nach den Prinzipien des Rechtsstaates. Sie sind nach Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz an Recht und Gesetz gebunden. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. In diesem Rahmen werden die Aufgaben und Befugnisse der Sicherheits- und Ordnungsbehörden wahrgenommen und durchgesetzt. Die Exekutive wird unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung, insbesondere der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur NPD, anhand dieser Grundsätze im jeweiligen Einzelfall eine Entscheidung treffen. Im Übrigen wird sich die Landesregierung rechtsextremistischen Tendenzen und Aktivitäten weiterhin dauerhaft und nachhaltig entgegenstellen und für eine friedfertige demokratische Gesellschaft eintreten. Zu 13.: Konkrete Erkenntnisse dafür, dass die Pressearbeit in der Versammlung der NPD behindert wurde, liegen der Landesregierung nicht vor. Vertreter von Medien wurden auf eigenen Wunsch im Versammlungsraum polizeilich begleitet. Dr. Poppenhäger Minister Neonazistischer Eichsfeldtag in Leinefelde Ich frage die Landesregierung Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: Zu 12.: Zu 13.: