17.07.2017 Drucksache 6/4234Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 28. Juli 2017 Mehrwertsteuersatz bei der Abrechnung von Bandagen und Orthesen Die Kleine Anfrage 2230 vom 2. Juni 2017 hat folgenden Wortlaut: Technisch vergleichbare Hilfsmittel, die in derselben Produktartengruppe des Hilfsmittelverzeichnisses zusammengefasst sind, werden teilweise mit unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen belegt. In der Praxis führt dieser Umstand immer wieder zu Problemen - bis hin zu Steuerrückforderungen seitens der Finanzämter. Ich frage die Landesregierung: 1. Nach welchen Kriterien wird die Abgabe von Bandagen und Orthesen mit dem vollen beziehungsweise mit dem verminderten Mehrwertsteuersatz belegt? 2. Werden diese Kriterien von allen Thüringer Finanzämtern einheitlich angewandt? 3. Inwieweit sind hierzu Abweichungen zu den Festlegungen der Zolltarifbehörden möglich und bekannt? 4. Nehmen unterschiedliche Zolltarifbehörden unterschiedliche Festlegungen der Mehrwertsteuersätze innerhalb einer Produktgruppe (hier Bandagen und Orthesen) vor? 5. Sind hierzu in den vergangenen Jahren Änderungen in der Anwendung festzustellen? 6. Wie ist die Erstattung der Abgabe von Bandagen und Orthesen zwischen den Leistungserbringern (zum Beispiel Sanitätshäuser) und den Kostenträgern in Thüringen geregelt? 7. Wer trägt im Falle einer falschen Zuordnung des verminderten Mehrwertsteuersatzes das Risiko einer möglichen Steuernachzahlung? 8. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, bei der Zuordnung eines verminderten Mehrwertsteuersatzes Transparenz und Verbindlichkeit zu gewährleisten? 9. Wie stellt die Rechtsaufsicht sicher, dass die Kostenträger in Thüringen in den Hilfsmittelverträgen mit den Leistungserbringern die tatsächlich geltenden gesetzlichen Mehrwertsteuersätze zugrunde legen und welche Mittel stehen der Rechtaufsicht hierbei zur Verfügung? 10. Wie oft haben sich Leistungserbringer in Thüringen seit dem Jahr 2012 an die Rechtsaufsicht gewandt, weil Kostenträger nicht den gesetzlichen Mehrwertsteuersatz anwenden? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Zippel (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Finanzministeriums 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4234 11. In wie vielen Fällen hat die Rechtsaufsicht seit dem Jahr 2012 zu Gunsten der Leistungserbringer in Thüringen die Anwendung des tatsächlichen gesetzlichen Mehrwertsteuersatzes durch die Kostenträger durchgesetzt? Das Thüringer Finanzministerium hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 14. Juli 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Bandagen und Orthesen unterliegen nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 52 Buchst. b) der Anlage 2 zum Umsatzsteuergesetz (UStG) dem ermäßigten Steuersatz, wenn sie als orthopädische Apparate oder andere orthopädische Vorrichtungen in die Unterposition "9021 10" des Zolltarifs einzureihen sind. Ausgenommen von der Steuerermäßigung sind Teile oder Zubehör. Die zolltarifliche Einreihung von Waren erfolgt ausschließlich anhand der Kombinierten Nomenklatur (KN) (Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif), die als verbindliches Zolltarifschema unmittelbar in jedem EU-Mitgliedstaat gilt. Die zolltarifliche Einreihung fällt in die alleinige Zuständigkeit der dem Bund unterstehenden Zollverwaltung und erfolgt daher ohne Beteiligung der Landesfinanzbehörden. Bestehen Zweifel, ob die Lieferung eines Gegenstands unter die Steuermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG fällt, haben sowohl der Lieferer als auch der Abnehmer die Möglichkeit, bei der zuständigen Dienststelle des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundesfinanzverwaltung (BWZ) eine unverbindliche Zolltarifauskunft für Umsatzsteuerzwecke (uvZTA) einzuholen. UvZTA können auch von den Landesfinanzbehörden (zum Beispiel den Finanzämtern) beantragt werden. Zu 2.: Die Kriterien zur zolltariflichen Einreihung gelten bundes- bzw. unionsweit. Die Thüringer Finanzämter nehmen daher die Besteuerung nach den unter der Antwort zu Frage 1 genannten Rechtsgrundlagen vor. UvZ- TA werden durch die Thüringer Finanzämter aber nur im Einzelfall (zum Beispiel im Rahmen von Außenprüfungen ) beantragt, da die Beweislast, dass die Lieferung eines Gegenstands dem ermäßigten Steuersatz unterliegt, grundsätzlich beim Steuerpflichtigen liegt. Zu 3.: In der uvZTA wird auch ein unverbindlicher Hinweis auf den derzeit zutreffenden Umsatzsteuersatz aufgenommen . Die Finanzämter sind gehalten, eine gültige Zolltarifauskunft der Besteuerung zu Grunde zu legen . Dementsprechend sind bisher keine Fälle bekannt geworden, in denen ein Finanzamt in Thüringen von einer gültigen Zolltarifauskunft abgewichen ist und eine eigene zolltarifliche Einordnung vorgenommen hat. Zu 4.: Die Zuständigkeit für die Erteilung von uvZTA ist nach Kapiteln der KN klar auf die verschiedenen Dienstorte des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundesfinanzverwaltung aufgeteilt. Für Waren des Kapitels 90 der KN, in das auch orthopädische Apparate und Vorrichtungen fallen, ist allein der Dienstort Berlin zuständig. Daher kann von einer einheitlichen Anwendung der zolltariflichen Einreihungsregeln ausgegangen werden. Zu 5.: Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. Zu 6.: Das TMASGFF führt die Rechtsaufsicht über zwei Betriebskrankenkassen sowie die Unfallkasse Thüringen (Kostenträger). Zur Sicherstellung der Versorgung mit Bandagen und Orthesen schließen die Krankenkassen mit den Leistungserbringern Verträge gemäß § 127 Abs. 2 SGB V. Die Verbände der Unfallversicherungsträger erlassen hierzu gemeinsame Richtlinien nach § 31 Abs. 2 Satz 2 SGB VII. 3 Drucksache 6/4234Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 7.: Steuerschuldner für Lieferungen im Inland ist nach § 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG der liefernde Unternehmer. Dies gilt auch im Falle einer späteren höheren Steuerfestsetzung, zum Beispiel durch eine abweichende Beurteilung des anzuwendenden Steuersatzes im Rahmen einer Außenprüfung durch die Landesfinanzbehörden . Zivilrechtlich besteht gegebenenfalls ein Anspruch des liefernden Unternehmers auf Zahlung der erhöhten Mehrwertsteuer gegen den Abnehmer der Lieferung. Zu 8.: Wie in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, kann bei Zweifeln, ob die Lieferung eines Gegenstands unter die Steuermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG fällt, eine uvZTA eingeholt werden. Je eine Ausfertigung der uvZTA erhalten neben dem Antragsteller auch dessen zuständiges Finanzamt sowie die Thüringer Landesfinanzdirektion . Da die Thüringer Finanzämter die Besteuerung grundsätzlich entsprechend der uvZTA vornehmen , kann so innerhalb der Finanzverwaltung Transparenz und Verbindlichkeit im Hinblick auf die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes hergestellt werden. Die uvZTA sind unverbindliche Einreihungsauskünfte der Finanzverwaltung und können daher nicht direkt angefochten werden. Der Finanzrechtsweg (außergerichtlicher Rechtsbehelf, finanzgerichtliches Klageverfahren ) ist erst gegen die darauf beruhende Steuerfestsetzung gegeben. Die Gerichtsbarkeit ist jedoch nicht an eine uvZTA gebunden und auch nicht verpflichtet, eine solche einzuholen. Zu 9.: Die Aufsichtsmittel sind in § 89 SGB IV abschließend beschrieben. Zu 10.: Bisher hat sich kein Leistungserbringer an die Aufsichtsbehörde gewandt. Zu 11.: Für ein Handeln der Rechtsaufsicht bestand bisher kein Anlass. Taubert Ministerin Mehrwertsteuersatz bei der Abrechnung von Bandagen und Orthesen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: