25.07.2017 Drucksache 6/4263Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 8. August 2017 Erhöhung der Organspendebereitschaft in der Thüringer Bevölkerung Die Kleine Anfrage 2298 vom 21. Juni 2017 hat folgenden Wortlaut: Im Mai 2016 forderte der Thüringer Landtag die Landesregierung auf, eine Reihe von Maßnahmen zur Erhöhung der Organspendebereitschaft in der Thüringer Bevölkerung zu ergreifen (vergleiche Drucksache 6/2140). Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Maßnahmen wurden nach dem Beschluss im Mai 2016 bereits verwirklicht? 2. Wie ist der Zeitplan für die weitere Umsetzung des Beschlusses und welche nächs ten Schritte sind geplant ? 3. Wie soll das Thema verstärkt in den Lehrplan eingebunden werden und auf wel chem Stand sind diesbezüglich die Gespräche mit dem Thüringer Institut für Lehr planentwicklung, Lehrerfortbildung und Medien? 4. Welche gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen wurden bereits in den Dialog über die Möglichkeiten zur Steigerung der Organspendebereitschaft einbezogen? 5. Wie ist der Stand bei der Durchführung der geplanten Werbekampagne zur Aufklä rung über das Thema Organspende? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 24. Juli 2017 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Der Thüringer Landtag hat gemäß Drucksache 6/2198 - Tag der Organspende am 4. Juni 2016 nutzen - Organspendebereitschaft in Thüringen fördern - gemäß Ziffer II wie folgt beschlossen "Die Landesregierung wird aufgefordert alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Organspendebereitschaft in der Thüringer Bevölkerung zu erhöhen, insbesondere durch 1. stärkere Berücksichtigung des Themas Organtransplantationen bei der Weiterentwicklung der schulischen Lehrpläne, insbesondere im Fach Biologie; 2. Einbeziehung aller gesellschaftlich relevanten Gruppen und Institutionen, um in einem Dialog über die Möglichkeiten der Steigerungen der Organspendebereitschaft zusammenzukommen; K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Zippel (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4263 3. Thematisierung der sinkenden Organspendebereitschaft im Rahmen der Landesgesundheitskonferenz und deren Arbeitsgruppen; 4. Durchführung einer öffentlichen Werbekampagne in Thüringen mit dem Ziel für das Thema zu sensibilisieren und die Bevölkerung zu informieren, wobei insbesondere zu prüfen ist, inwieweit die AGETHUR (Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Thüringen e. V.) als Träger dieser Kampagne mit einbezogen werden kann." Zu 1.: Hinsichtlich des Sachstandes zu Maßnahme 1 (Drucksache 6/2198) wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu Maßnahme 2 (Drucksache 6/2198): Die Bereitschaft zur Organspende und die entsprechende Erklärung im Organspendeausweis bzw. im Rahmen der erweiterten Zustimmungslösung durch Angehörige ist zwingende Voraussetzung für die Organentnahme - ebenso wie der Eintritt des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls, welcher durch die Entnahmekrankenhäuser festzustellen ist. Hinsichtlich des Informationsgrades der Bevölkerung und der Erklärung im Organspendeausweis belegen die Zahlen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 20161, dass die in den letzten Jahren neu eingeführten Informationspflichten greifen. Die Verteilung von Informationsmaterialien und Organspendeausweisen durch Krankenkassen sowie Pass- und Meldestellen führt diesbezüglich zu einer Verbesserung: Im Vergleich zu 2014 fühlen sich inzwischen mehr als die Hälfte der befragten Bürgerinnen und Bürger gut bzw. sehr gut über das Thema Organ- und Gewebespende informiert (von 43 Prozent Anstieg auf 54 Prozent ). Außerdem haben mehr Bürgerinnen und Bürger eine Entscheidung zur Organspende getroffen und diese auch dokumentiert. Die Landesregierung hat daher in den vergangenen zwölf Monaten ebenfalls wie folgt Maßnahmen zur Aufklärung und Information der Bevölkerung durchgeführt: - Zur Information und Aufklärung wird das Informationsblatt "Organspende? - Entscheiden Sie sich!" herausgegeben . - Der Schwerpunkt zur Information und Aufklärung wurde auf die Unterstützung der Durchführung des Bundesweiten Tages der Organspende am 3. Juni 2017 in Erfurt gelegt. Ministerpräsident Bodo Ramelow übernahm die Schirmherrschaft. - Am 29. Mai 2017 hat das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie gemeinsam mit Vertretern der Verbände der Transplantierten und der Angehörigen sowie mit Vertretern der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) eine Pressekonferenz für die Medienvertreter veranstaltet . - Am 2. Juni 2017 zeichnete Ministerin Werner im Rahmen der Festveranstaltung in Magdeburg gemeinsam mit den zuständigen Gesundheitsministerinnen von Sachsen und Sachsen-Anhalt Krankenhäuser aus, die sich besonders um die Organisation der Organspende verdient gemacht haben. Für Thüringen wurde das Universitätsklinikum Jena ausgezeichnet. - Der Bundesweite Tag der Organspende am 3. Juni 2017 in Erfurt wurde mit Medieninformation 128/2017 bekannt gemacht. - Ministerin Heike Werner hat aktiv zur Eröffnung und in Diskussionsrunden am Bundesweiten Tag der Organspende am 3. Juni 2017 in Erfurt teilgenommen. Grundsätzlich ist das Ziel der Landesregierung, dass die Bürgerinnen und Bürger eine informierte Entscheidung treffen und diese auch dokumentieren. Diese höchst persönliche Entscheidung für oder gegen eine Organspende ist zu respektieren. Im Falle eines primären oder sekundären Hirnschadens, der möglicherweise zu einem irreversiblen Hirnfunktionsausfall führen könnte, ist daher dieses Vermächtnis bei der Festlegung des individuellen Therapieziels durch die behandelnden Ärztinnen und Ärzte zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Abstimmung mit Vertreterinnen und Vertretern der Landesärztekammer Thüringen, der Thüringer Krankenhausgesellschaft und der Deutschen Stiftung Organtransplantation Region Ost (DSO), um die Situation in den Entnahmekrankenhäusern zu diskutieren. Neben den Erklärungen zur Organspende bestehende Patientenverfügungen wurden hierbei als ein besonderes Problem identifiziert: Wenn weitergehende Behandlungen abgelehnt werden, können sie zu Therapielimitierungen führen, ohne dass der irreversible Hirnfunktionsausfall festgestellt werden kann. Daher 3 Drucksache 6/4263Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode wurde die Landesärztekammer Thüringen um eine entsprechende Information gebeten, damit Ärztinnen und Ärzte bei der Abfassung von Patientenverfügungen auch über die Erklärung zur Organspende beraten.2 Außerdem hält die Landesregierung eine retrospektive Fallbetrachtung in den Entnahmekrankenhäusern für unerlässlich, um fundierte Aussagen über das Spendepotential zu erhalten; denn - wie oben ausgeführt - ist die Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls neben der Zustimmung zur Organspende zwingende Voraussetzung für eine Organentnahme. Daher hat die Landesregierung Fortbildungsveranstaltungen der Landesärztekammer zum Thema wie folgt unterstützt: - Vortrag im Rahmen des Fortbildungscurriculum "Transplantationsbeauftragter Arzt" 14. bis 17. November 2016, Landesärztekammer Thüringen - Vortrag im Rahmen der Medizinischen Fortbildungstage "Refresherkurs zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls" am 8. Juni 2017 Weiterhin wurde die Errichtung eines Qualitätszirkels zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls durch die Landesärztekammer Thüringen als qualitätssichernde Maßnahme für die Entnahmekrankenhäuser angeregt und durch Mitwirkung eines Vertreters der Landesregierung an der Auftaktveranstaltung am 25. Januar 2017 unterstützt. Des Weiteren unterstützt die Landesregierung den Regionalen Fachbeirat der DSO durch regelmäßige Entsendung eines Vertreters. Maßnahmen 3 und 4 (Drucksache 6/2198) wurden zu Gunsten der Schwerpunktsetzung betreffend Maßnahmen 2 zunächst zurückgestellt. Über das weitere Vorgehen ist im Zusammenhang mit dem Beschluss des Landtags gemäß Drucksache 6/4022 - "Organspende in Thüringen fördern - Spendenbereitschaft erhöhen " zu entscheiden. Derzeit erfolgt hierzu die Abstimmung. Zu 2.: Der weitere Zeitplan zur Umsetzung der Maßnahmen gemäß Drucksache 6/2198 ist am neueren Beschluss des Landtags gemäß Drucksache 6/4022 - "Organspende in Thüringen fördern - Spendenbereitschaft erhöhen " auszurichten. Derzeit erfolgt die Abstimmung zum weiteren Vorgehen. Zu 3.: Die Thematik Organspende ist bereits in den Lehrplänen Ethik für die allgemein bildenden Schulabschlüsse explizit ausgewiesen: Lehrplan für den Erwerb des Hauptschul- und des Realschulabschlusses Klassenstufe 9 (hauptschulbezogener Abschluss) sowie Klassenstufen 9/10 (realschulbezogener Abschluss) Der Schüler in seiner Individualität und Persönlichkeitsentwicklung - Ich Sachkompetenz Der Schüler kann • den Tod als Wesensmerkmal des Lebens charakterisieren, • den Umgang unserer Gesellschaft mit Sterben und Tod beschreiben, • sich mit ethischen Fragen der Organspende auseinandersetzen, Lehrplan für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife Klassenstufen 9/10 Der Schüler in sozialen Beziehungen - Ich und Wir Sachkompetenz Der Schüler kann • den Umgang unserer Gesellschaft mit Sterben und Tod beschreiben und mit Traditionen anderer Kulturkreise vergleichen, • Bedeutung und Formen der Trauer erläutern, • Bedingungen menschenwürdigen Sterbens herausarbeiten, • sich mit ethischen Fragen der Organspende auseinandersetzen, • verschiedene Vorstellungen über das Weiterleben nach dem Tod gegenüberstellen. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4263 In den letzten Jahren sind in Thüringen moderne, standard- und kompetenzorientierte Lehrpläne erarbeitet worden, die für alle allgemein bildenden Schularten die spezifischen Anforderungen bei der Erlangung von Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz in den Fokus rücken. Die Lehrpläne beschränken sich allerdings auf die Beschreibung verbindlicher zentraler fachspezifischer bzw. aufgabenfeldspezifischer Kompetenzen. Auf eine weitere Präzisierung wurde bewusst verzichtet. Dieser allgemeinen, allen weiterentwickelten Thüringer Lehrplänen zugrunde liegenden Diktion und der Fächersystematik ist es geschuldet, dass die Thematik in den Lehrplänen z. B. für die Fächer Biologie bzw. Katholische oder Evangelische Religionslehre zwar nicht explizit aufgeführt ist, es jedoch durchaus Möglichkeiten des Aufgreifens der Thematik gibt. Es liegt grundsätzlich in der pädagogischen Verantwortung der Lehrkraft und der Fachkonferenz der Schule , die einzelnen Themen im Rahmen der Erstellung schulinterner Lehr- und Lernpläne unter Berücksichtigung aktueller Bezüge, regionaler Gegebenheiten und Schülerinteressen sowie auch unter Einbeziehung außerschulischer Partner auszuarbeiten und so zu vermitteln, dass die Schülerinnen und Schüler anwendungsbereites Wissen erwerben können. Des Weiteren wird das Thema in regelmäßigen Abständen in den Tagungen der Fachberaterinnen und Fachberater aufgegriffen und hierzu regionale Fortbildungen in den Thüringer Schulamtsbereichen geplant und durchgeführt. In der kritischen Auseinandersetzung mit Vorkommnissen in Bezug auf die mögliche Manipulationen bei der Organvergabe erfolgt in den angebotenen Fortbildungsveranstaltungen des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (Thillm) eine Darstellung aller Facetten der komplexen Thematik. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat im Jahr 2015 den Thüringer Schulen das unter Mitwirkung von Fachwissenschaftlern erarbeitete Unterrichtsmaterial "Organspende macht Schule" kostenfrei zur Verfügung gestellt. Es enthält neben Fachinformationen auch methodische Anregungen und Materialien für den Unterricht, wie Kopiervorlagen und Arbeitsblätter. Aufgrund der oben angeführten Sachverhalte ist die Landesregierung der Ansicht, dass die Thematik Organspende bereits ausreichend in den Thüringer Lehrplänen ausgewiesen und eine entsprechende Überarbeitung der Thüringer Lehrpläne nicht erforderlich ist. Daher wurden keine Gespräche dazu mit dem Thillm geführt. Zu 4.: Es wird auf die Antwort zu Frage 1 betreffend Maßnahme 2 (Drucksache 6/2198) verwiesen. Zu 5.: Über weitere Informationskampagnen im Anschluss an die Maßnahmen anlässlich des Bundesweiten Tages der Organspende am 3. Juni 2017 in Erfurt ist im Zusammenhang mit dem Beschluss des Landtags gemäß Drucksache 6/4022 - "Organspende in Thüringen fördern - Spendenbereitschaft erhöhen" zu entscheiden . Derzeit erfolgt die Abstimmung zum weiteren Vorgehen. In Vertretung Feierabend Staatssekretärin Endnote: 1 "Wissen, Einstellung und Verhalten der Allgemeinbevölkerung (14 bis 75 Jahre) zur Organ- und Gewebespende", Bundesweite Repräsentativbefragung 2016 - Erste Studienergebnisse; Befragt wurden 4.002 Personen zwischen 14 und 75 Jahren von Januar bis Februar 2016 Quelle: https://www.organspende-info.de/infothek/studien 2 F. Veit, S. Butters: Die neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Patientenverfügung, Ärzteblatt Thüringen, Ausgabe 10/2016 27. Jahrgang Erhöhung der Organspendebereitschaft in der Thüringer Bevölkerung Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Endnote: