25.03.2015 Drucksache 6/427Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 9. April 2015 Antisemitische Überfälle, Leugnung des Holocaust und andere Straftaten im Jahr 2014 insgesamt und im letzten Quartal 2014 Die Kleine Anfrage 150 vom 9. Februar 2015 hat folgenden Wortlaut: Deutsche Rechtsextremisten verübten im Jahr 2014, auch in den Monaten Oktober bis Dezember 2014, antisemitische Straftaten, verschandelten jüdische Friedhöfe, schmierten antisemitische Parolen, bedrohten und überfielen jüdische Bürgerinnen und Bürger sowie jüdische Einrichtungen. Flankiert wird dies durch eine teilweise oder gänzliche Leugnung des Holocaust. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche antisemitischen Aktivitäten (Zusammenrottungen, Überfälle, Schmierereien, Pressedelikte, Leugnung des Holocaust usw.) sind der Landesregierung für das Jahr 2014 insgesamt in Thüringen bekannt geworden (bitte genaue Auflistung nach [Tat-]Ort, gegebenenfalls Bereich der Landespolizeiinspektion [LPI-Bereich], Datum, gegebenenfalls Kontext der Aktivitäten und Straftaten)? 2. Welche antisemitischen Aktivitäten (Zusammenrottungen, Überfälle, Schmierereien, Pressedelikte, Leugnung des Holocaust usw.) sind der Landesregierung davon für die Monate Oktober 2014 bis Dezember 2014 in Thüringen bekannt geworden (bitte genaue Auflistung nach [Tat-]Ort, gegebenenfalls LPI-Bereich, Datum, gegebenenfalls Kontext der Aktivitäten und Straftaten)? 3. Wie viele Tatverdächtige wurden wegen antisemitischer Delikte im Jahr 2014 festgenommen (bitte genaue Auflistung nach Tatvorwurf, Ort und Datum, auch vorläufige Festnahmen)? 4. Wie viele Tatverdächtige wurden wegen antisemitischer Delikte davon in den Monaten Oktober 2014 bis Dezember 2014 festgenommen (bitte genaue Auflistung nach Tatvorwurf, Ort und Datum, auch vorläufige Festnahmen)? 5. Wie viele Ermittlungsverfahren bzw. Gerichtsverfahren liefen wegen derartiger Delikte im Jahr 2014 (bitte genaue Auflistung nach Tatvorwurf bzw. Tat, Datum, Ort, gegebenenfalls LPI-Bereich und gegebenenfalls Strafmaß)? 6. Wie viele Ermittlungsverfahren bzw. Gerichtsverfahren liefen wegen derartiger Delikte davon in den Monaten Oktober 2014 bis Dezember 2014 (bitte genaue Auflistung nach Tatvorwurf bzw. Tat, Datum, Ort, gegebenenfalls LPI-Bereich und gegebenenfalls Strafmaß)? 7. In wie vielen Fällen wurden die Ermittlungen, die im Jahr 2014 aufgenommen wurden, aufgrund welcher Vorschrift eingestellt (bitte genaue Auflistung nach Tatvorwurf, Einstellungsvorschrift, Ort, gegebenenfalls LPI-Bereich und Datum)? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten König (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/427 8. In wie vielen Fällen wurden Ermittlungen, die in den Monaten Oktober 2014 bis Dezember 2014 aufgenommen wurden, aufgrund welcher Vorschrift eingestellt (bitte genaue Auflistung nach Tatvorwurf, Einstellungsvorschrift, Ort, gegebenenfalls LPI-Bereich und Datum)? 9. Wie viele Personen wurden 2014 insgesamt wegen antisemitischer Straftaten in diesem Zeitraum zu welchen Strafen verurteilt (bitte nach Datum, Straftat und Strafmaß aufschlüsseln)? 10. Wie viele Personen wurden wegen antisemitischer Straftaten in den Monaten Oktober bis Dezember 2014 zu welchen Strafen verurteilt (bitte nach Datum, Straftat und Strafmaß aufschlüsseln)? 11. Wie viele Personen wurden im Jahr 2014 bei Überfällen mit antisemitischer oder zu vermutender antisemitischer Motivation leicht verletzt, schwer verletzt oder getötet (bitte aufschlüsseln nach Schwere, Datum und Ort, gegebenenfalls LPI-Bereich)? 12. Wie viele Personen wurden in den Monaten Oktober 2014 bis Dezember 2014 bei Überfällen mit antisemitischer oder zu vermutender antisemitischer Motivation leicht verletzt, schwer verletzt oder getötet (bitte aufschlüsseln nach Schwere, Datum und Ort, gegebenenfalls LPI-Bereich)? 13. Welcher materielle Schaden entstand nach Kenntnis der Landesregierung bei antisemitischen Straftaten im Jahr 2014 insgesamt? 14. Welcher materielle Schaden, der nach Kenntnis der Landesregierung bei antisemitischen Straftaten entstanden ist, entfiel dabei auf den Zeitraum von Oktober 2014 bis Dezember 2014? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 25. März 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Im Jahr 2014 sind der Thüringer Polizei folgende zunächst als antisemitisch bewertete Straftaten bekannt geworden: Straftat Paragraf Anzahl LPI-Bereich Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen § 86a StGB* 1 3 4 6 1 2 3 Erfurt Gera Gotha Jena Nordhausen Saalfeld Suhl Öffentliche Aufforderung zu Straftaten § 111 StGB 1 Gera Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten § 126 StGB 1 Erfurt Volksverhetzung § 130 StGB 11 8 7 6 4 6 1 Erfurt Gera Gotha Jena Nordhausen Saalfeld Suhl Störung der Totenruhe § 168 StGB 1 Nordhausen Beleidigung § 185 StGB 2 2 Nordhausen Suhl 3 Drucksache 6/427Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Straftat Paragraf Anzahl LPI-Bereich Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener § 189 StGB 1 Suhl Körperverletzung § 223 StGB 1 Saalfeld Gefährliche Körperverletzung § 224 StGB 1 1 1 Erfurt Gotha Jena Bedrohung § 241 StGB 2 2 Gotha Suhl Sachbeschädigung § 303 StGB 1 1 1 1 1 Erfurt Gotha Jena Nordhausen Saalfeld Gemeinschädliche Sachbeschädigung § 304 StGB 3 Jena * Strafgesetzbuch Zu 2.: Im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2014 sind der Thüringer Polizei folgende zunächst als antisemitisch bewertete Straftaten bekannt geworden: Straftat Paragraf Tatzeit LPI-Bereich Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen § 86a StGB 04.10.2014 13.10.2014 18.11.2014 29.11.2014 03.12.2014 Nordhausen Gotha Saalfeld Jena Jena Öffentliche Aufforderung zu Straftaten § 111 StGB 30.10.2014 Gera Volksverhetzung § 130 StGB 12.10.2014 18.10.2014 25.10.2014 14.11.2014 17.11.2014 19.12.2014 19.12.2014 Gotha Jena Gotha Saalfeld Gera Erfurt Gotha Beleidigung § 185 StGB 28.11.2014 Nordhausen Bedrohung § 241 StGB 12.10.2014 Suhl Sachbeschädigung § 303 StGB 14.10.2014 27.11.2014 22.12.2014 Gotha Saalfeld Nordhausen Zu 3.: Im Jahr 2014 wurden keine Personen wegen eines antisemitischen Deliktes festgenommen. Zu 4.: In den Monaten Oktober bis Dezember 2014 wurden keine Personen wegen eines antisemitischen Deliktes festgenommen. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/427 Zu 5.: Rechtsextremistische/fremdenfeindliche Straftaten werden bei den Staatsanwaltschaften des Freistaats - quartalsweise - zahlenmäßig erfasst und statistisch ausgewertet. Antisemitische Straftaten werden nur insoweit gesondert erfasst, als die Anzahl der eingeleiteten Ermittlungsverfahren, auch unterschieden nach Straftatengruppen, mitgeteilt wird. Bei den Staatsanwaltschaften Erfurt, Gera, Meiningen und Mühlhausen wurden im Jahr 2014 37 Ermittlungsverfahren wegen antisemitischer Bestrebungen eingeleitet und zwar 9 Verfahren nach § 86 oder § 86a StGB, 19 Verfahren nach § 130 oder § 131 StGB, 9 Verfahren wegen sonstiger Delikte (außer §§ 125, 125a, 211, 212, 223 ff., 306 ff., 340 StGB). Darüber hinausgehendes statistisches Zahlenmaterial im Sinne der Fragestellung steht nicht zur Verfügung. Die Einstufung einer Tat als antisemitisch durch die Staatsanwaltschaft muss wegen unterschiedlicher Erfassungskriterien und/oder des fortgeschrittenen Ermittlungsstandes nicht unbedingt mit der Bewertung durch die Polizei übereinstimmen. Zu 6.: Bei den Staatsanwaltschaften Erfurt, Gera, Meiningen und Mühlhausen wurden im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2014 neun Ermittlungsverfahren wegen antisemitischer Bestrebungen eingeleitet und zwar 1 Verfahren nach § 86 oder § 86a StGB, 7 Verfahren nach § 130 oder § 131 StGB, 1 Verfahren wegen sonstiger Delikte (außer §§ 125, 125a, 211, 212, 223 ff., 306 ff., 340 StGB). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Zu 7. bis 10.: Zahlenmaterial im Sinne der Fragestellungen steht nicht zur Verfügung, da bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten darüber keine Statistiken geführt werden. Die nachträgliche Feststellung dieser Zahlen würde angesichts des großen Aktenbestandes und der Möglichkeit, dass sich die rechtliche Beurteilung eines Sachverhaltes sowohl im Ermittlungsverfahren als auch im Hauptverfahren ändert, zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Tätigkeit der Staatsanwaltschaften führen. Zu 11.: In zwei Fällen wurden insgesamt vier Personen leicht verletzt. Straftat Paragraf Anzahl LPI-Bereich Opfer Körperverletzung § 223 StGB 1 Saalfeld 1 Gefährliche Körperverletzung § 224 StGB 1 (Versuch) Erfurt 2 (keine Verletzungen) 1 Gotha 3 1 (Versuch) Jena 4 (keine Verletzungen) Zu 12.: Im Zeitraum von Oktober bis Dezember 2014 wurden keine Personen Opfer antisemitischer Gewalttaten. Zu 13.: Im Zusammenhang mit den von der Polizei als antisemitisch eingestuften Straftaten wurde im Jahr 2014 ein materieller Schaden in Höhe von ca. 3.200 Euro bekannt. 5 Drucksache 6/427Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 14.: Im Zusammenhang mit den von der Polizei als antisemitisch eingestuften Straftaten wurde im angefragten Zeitraum ein materieller Schaden in Höhe von ca. 1.600 Euro bekannt. In Vertretung Dr. Albin Staatssekretärin