11.08.2017 Drucksache 6/4335Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 17. August 2017 Straftaten im Paradiespark Jena Die Kleine Anfrage 2295 vom 9. Juni 2017 hat folgenden Wortlaut: Laut eines Zeitungsartikels in der Ostthüringer Zeitung vom 7. Juni 2017 mit dem Titel "Viele Straftaten im Jenaer Paradies" erhöht sich die Zahl der Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Paradiespark Jena ste tig. Immer mehr Anwohner und Gastwirte fühlen sich durch die Ansammlungen, meist männlicher Jugend licher und deren Aktivitäten bedroht. Insbesondere Körperverletzungen und Verstöße gegen das Jugend schutzrecht sind gravierend angestiegen. Bei den Tätern soll es sich vor allem um Jugendliche deutscher, aber auch vermehrt ausländischer Nationalität handeln. Um gegen die gestiegene Kriminalität vorzugehen, soll die Polizei in diesen Bereichen ihre Präsenz verstärkt haben. Ich frage die Landesregierung: 1. Seit wann ist der Landesregierung und der Landespolizeidirektion die gestiegene Kriminalität im Para diespark Jena bekannt? 2. Welche konkreten Straftaten und/oder Ordnungswidrigkeiten werden in und um den Bereich des Parks konkret beziehungsweise vermehrt festgestellt (bitte für circa zwölf Monate rückwirkend angeben)? 3. Welcher Nationalität gehören die im Paradiespark Jena festgestellten Tatverdächtigen überwiegend an? 4. Wie viele Platzverweise wurden seit dem vergangenen Jahr in diesem Bereich ausgesprochen und falls ja, wie werden diese vor Ort überwacht? 5. Wie viele Beamte sind mit der Absicherung des Parks abgestellt und von welchen anderen Aufgaben/ Stellen wurden diese abgezogen? 6. Wie setzt sich die Stadt Jena beziehungsweise deren Ordnungsamt für die Sicherheit im Paradiespark konkret mit ein? 7. Welche Vorkehrungen gegen eine Ausweitung des Kriminalitätsschwerpunkts im Paradiespark Jena wur den seitens der Polizei bislang konkret getroffen? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Fiedler (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4335 Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 10. August 2017 wie folgt beantwortet: Vorbemerkungen: Die Vorfälle sind Gegenstand strafrechtlicher Ermittlungen (Stand: 17. Juli 2017). Unter Hinweis auf Arti kel 67 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen und § 477 Abs. 2 Satz 1 der Strafpro zessordnung wird insbesondere aus Datenschutzgründen (Grundrecht der informationellen Selbstbestim mung nach Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz, Artikel 6 Abs. 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen) und vor dem Hintergrund der im Strafverfahren zu beachtenden Unschuldsver mutung (Artikel 6 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) von wei teren als nachstehenden Angaben abgesehen (vergleiche auch Beschluss des Thüringer Oberverwaltungs gerichts vom 5. März 2014, Az.: 2 EO 386/13). Zu 1.: Das so genannte Paradies in der Stadt Jena, auch Paradiespark genannt, erstreckt sich links und rechts des Flusslaufes der Saale. In diesem Bereich befinden sich diverse Sportanlagen, unter anderem auch das Ernst-Abbe-Sportfeld. Die Skaterbahn befindet sich im westlich der Saale gelegenen Bereich des Paradiesparks, welcher auch unter der Bezeichnung "Rasenmühleninsel" bekannt ist und an seiner Westseite vom Eisenbahndamm und dem Paradiesbahnhof begrenzt wird. Dieser Bereich um die Skaterbahn im Paradies wurde als Kriminalitätsschwerpunkt seit etwa Ende Febru ar 2017 erkannt. Gewalt und Rohheitsdelikte rivalisierender Jugendgruppen sind im I. und II. Quartal 2017 quantitativ und qualitativ gestiegen. Zu 2.: Als Datenquelle wurde das polizeiliche Vorgangsbearbeitungssystem IGVP genutzt, da dort die Sachver halte mit ihrem polizeilichen Bekanntwerden (Eingang) erfasst werden. Die Recherche wurde mit Stichtag 30. Juni 2017 für die letzten zwölf Monate durchgeführt. Straftaten/Ordnungswidrigkeiten im offensichtli chen Zusammenhang mit Fußballspielen wurden nicht berücksichtigt. Folgende Straftaten und anderen Vorkommnisse wurden in diesem Zeitraum polizeilich bekannt und registriert: • 27 Fälle des Einbruchsdiebstahls, davon • in acht Fällen in Sportanlagen • in sieben Fällen in Gaststätten • in fünf Fällen in Firmen und Geschäfte • in drei Fällen in ein Hotel • in drei Fällen in eine öffentliche Freibadanlage • in einem Fall auf einer Baustelle • 17 allgemeine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz • sechs Fälle der einfachen Körperverletzung • sechs Fälle der gemeinschädlichen Sachbeschädigung • fünf Fälle der Beleidigung • vier Fälle der gefährlichen Körperverletzung • drei Fälle des Diebstahls ohne erschwerende Umstände • drei Fälle des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte • zwei Fälle der Bedrohung • zwei Fälle der Sachbeschädigung • zwei Fälle der Sachbeschädigung durch Graffiti • zwei Fälle des Hausfriedensbruchs • ein Fall des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen • ein Fall des Verstoßes gegen das Waffengesetz • ein Fall der Gefangenenbefreiung • drei allgemeine Ordnungswidrigkeiten • acht Ordnungswidrigkeiten Fälle des Verstoßes gegen Vorschriften des Jugendschutzgesetzes 3 Drucksache 6/4335Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Anmerkung: Die Feststellung der 17 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, der drei allgemeinen Ordnungswidrigkeiten sowie der acht Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz sind jeweils Ergebnis akti ver Kontrolltätigkeit der Polizei. Zu 3.: Die 46 ermittelten Tatverdächtigen gehören folgenden Nationalitäten an: • 34 Tatverdächtige deutscher Staatsangehörigkeit • vier Tatverdächtige syrischer Staatsangehörigkeit • drei Tatverdächtige afghanischer Staatsangehörigkeit • zwei Tatverdächtige libyscher Staatsangehörigkeit • ein Tatverdächtiger eritreischer Staatsangehörigkeit • ein Tatverdächtiger kolumbianischer Staatsangehörigkeit • ein Tatverdächtiger irakischer Staatsangehörigkeit Zu 4.: Im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem wurden für den Zeitraum vom 30. Juni 2016 bis 30. Juni 2017 18 Platzverweise im Paradies ausgesprochen. Die Platzverweise wurden überwiegend gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 Polizeiaufgabengesetz (PAG) bis maximal zum nächsten Morgen für den Bereich des Paradiesparks angeordnet. Die Umsetzung der Platzverweise wird durch die im Dienst befindlichen Einsatzkräfte im Rah men des Streifendienstes überwacht. Eine mehrmonatige Platzverweisung gemäß § 18 Abs. 3 PAG oder eine dauerhafte Platzverweisung ge mäß § 12 Abs. 1 und 2 PAG wurde bislang nicht ausgesprochen. Zu 5.: Die Bekämpfung des in Rede stehenden Kriminalitätsschwerpunktes bildet eine Schwerpunktaufgabe für alle Bediensteten der Landespolizeiinspektion Jena. Diese wird im Rahmen der allgemeinen Dienstverrich tung wahrgenommen. Zu 6.: Es fand ein Gespräch zwischen dem Ordnungsamt der Stadt Jena und dem Leiter des Inspektionsdienstes der Landespolizeiinspektion Jena statt. Nach vorliegenden Erkenntnissen hat die Stadt Jena bereits Maß nahmen ergriffen beziehungsweise geplant. Unter anderem wurde die aufsuchende Jugendsozialarbeit seit 1. Juni 2017 zunächst befristet bis zum Jah resende um eine dreiviertel Stelle aufgestockt. Die zusätzlich anfallenden Sachkosten werden ebenfalls von der Stadt übernommen. Ziel der Maßnahme ist es, vertrauensvolle Kontakte zu den sich regelmäßig im Paradies aufhaltenden Ju gendlichen aufzubauen. Es soll darauf hingewirkt werden, Tatgelegenheiten zu reduzieren und so neue Straftaten zu verhindern sowie eine Ausweitung der Konflikte untereinander oder zwischen den Gruppierun gen zu vermeiden. Dazu sollen auch konkrete Angebote der Freizeitbeschäftigung vor Ort gestaltet werden. Darüber hinaus wird bei einzelnen der straffällig gewordenen jungen Menschen eine Intensivierung bezie hungsweise eine Veränderung von laufenden Jugendhilfemaßnahmen durch den Fachdienst Jugendhilfe in den Arbeitsfeldern Allgemeiner Sozialer Dienst, Heimerziehung unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA), Jugendgerichtshilfe und Vormundschaften geprüft. Es wird eine enge Abstimmung und Koordinierung der Maßnahmen aller Beteiligten (Polizei, Kommunal service Jena, Fachdienst Kommunale Ordnung, Fachdienst Jugend und Bildung, Fachdienst Jugendhilfe, Integrationsmanager Geflüchtete Menschen, Junge Gemeinde Stadtmitte) angestrebt. Eine seitens der Polizei angeregte Verbesserung der Ausleuchtung des Areals ist in Planung. Ebenso soll gemeinsam mit den verschiedenen Nutzergruppen eine den Interessen aller Betroffenen entgegenkommen de Ordnung für das Areal Paradiespark erarbeitet werden. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4335 Zu 7.: Zur Bekämpfung des erkannten Schwerpunktes wurden durch die Landespolizeiinspektion Jena am 31. März 2017 folgende polizeiliche Maßnahmen festgelegt: • tagaktuelle Auswertung der polizeilichen Lage und darauf basierende Einweisung aller operativen Kräfte • intensivierte polizeiliche Kontrollen mit niedriger Einschreitschwelle zu den Schwerpunktzeiten • offene polizeiliche Aufklärung • lageangepasste (Fuß)Streifen im direkten Bereich sowie im Umfeld • Identitätsfeststellungen und Durchsuchungen von Personen unter Ausschöpfung der rechtlichen Vor aussetzungen (Polizeirecht) • beweissichere Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten • Verhindern vermeidbarer Müll und Lärmbelästigungen durch konsequentes Einschreiten • Gewährleistung der Informationswege zur Führungsgruppe der Landespolizeiinspektion Jena und der Landeseinsatzzentrale • enges Zusammenwirken mit den örtlich zuständigen Behörden und Institutionen In Bezug auf Körperverletzungsdelikte konnte im Ergebnis der engmaschigen Kontrolltätigkeit der Polizei und damit verbundenem konsequenten Einschreiten Ende Mai 2017 eine Beruhigung der Lage im Para diespark festgestellt werden. Die letzte polizeiliche Anzeige in diesem Deliktfeld wurde am 25. Mai 2017 aufgenommen. Die Sachbearbeitung einschlägiger Anzeigen wird aktuell und zukünftig durch die Jugendstation des Ins pektionsdienstes Jena übernommen. Die Jugendstation gewährleistet eine enge Zusammenarbeit mit dem Fachdienst Jugendhilfe der Stadt Jena und der zuständigen Staatsanwaltschaft. Neben einer zügigen Sachbearbeitung wird so ein zeitnahes erzieherisches Einwirken auf die jugendlichen Täter gewährleistet. Wiederkehrend findet ein umfassender Informationsaustausch mit dem verantwortli chen Sozialarbeiter der Stadtverwaltung Jena sowie aller im Bereich tätigen Operativkräfte statt. Ebenso werden die anhängigen Sachverhalte regelmäßig in Fallkonferenzen unter Beteiligung der Jugendgerichts hilfe, Staatsanwaltschaft und Polizei behandelt. In einzelnen Fällen wurde eine Intensivierung der Betreuung vereinbart. Bei einem der Haupttatverdächtigen (männlich, syrisch) wurde Untersuchungshaft angeordnet. Auf die Einbruchsserie in und um das Paradies wurde die Landespolizeiinspektion Jena Ende Mai 2017 aufmerksam. Alle Sachverhalte werden in der Kriminalpolizeiinspektion Jena im Zusammenwirken mit dem Inspektionsdienst Jena bearbeitet. An jedem Tatort wurden Spurensicherungsmaßnahmen durchgeführt. Ergänzende Ermittlungsmaßnahmen bekräftigten einen bestehenden Tatverdacht gegen einen deutschen Tatverdächtigen und verdichteten ihn in Bezug auf zunächst sieben Diebstahlsdelikte, davon drei das Pa radies betreffend. Die polizeilichen Ermittlungen dauern an. Dr. Poppenhäger Minister Straftaten im Paradiespark Jena Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkungen: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: