18.08.2017 Drucksache 6/4357Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 30. August 2017 Links- und rechtsextremistisch motivierte Gewalt in Thüringen: Ursachen, Tendenzen und Gegenmaßnahmen Die Kleine Anfrage 2135 vom 24. April 2017 hat folgenden Wortlaut: Sowohl bei der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) - rechts als auch bei der PMK-links ist bereits seit dem Jahr 2012 ein starker und stetiger Anstieg der Gewaltdelikte zu verzeichnen. So erhöhten sich die Gewaltstraftaten bei der PMK-rechts von 22 (im Jahr 2012) auf 128 (im Jahr 2016); bei der PMK-links stiegen sie von 12 (im Jahr 2012) auf 52 (im Jahr 2016). Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Thüringer Polizeibeamte wurden bei Einsätzen in Thüringen oder in anderen Bundesländern durch a) Linksextremisten; b) Rechtsextremisten verletzt (bitte nach dem Einsatzdatum, Einsatzort, Anzahl der verletzten Polizisten sowie der PMK-Zuordnung seit dem 1. Januar 2015 nach Jahresscheiben aufschlüsseln)? 2. Wie viele Thüringer Polizeibeamte wurden bei Einsätzen im Zusammenhang mit Demonstrationen und Kundgebungen, die von links- oder rechtsextremistischen Vereinigungen in Thüringen oder in anderen Bundesländern angemeldet wurden, verletzt (bitte nach Titel, Datum und Ort der Demonstration/Kundgebung , Anmelder [Vereinigung] mit Nennung der Zuordnung zum links- oder rechtsextremistischen Spektrum , Anzahl der verletzten Polizisten und PMK-Zuordnung der Straftat seit dem 1. Januar 2015 nach Jahresscheiben aufschlüsseln)? 3. Wie viele Polizeibeamte wurden während der Ausübung ihres Dienstes durch linksextremistisch motivierte Straftaten verletzt (bitte seit dem 1. Januar 2016 nach Jahresscheiben, Anzahl der Straftaten, Paragraph und Bereich der Landespolizeiinspektion aufschlüsseln)? 4. Wie viele Polizeibeamte wurden während der Ausübung ihres Dienstes durch rechtsextremistisch motivierte Straftaten verletzt (bitte seit dem 1. Januar 2016 nach Jahresscheiben, Anzahl der Straftaten, Paragraph und Bereich der Landespolizeiinspektion aufschlüsseln)? 5. Welche Straftaten der Politisch motivierten Gewaltkriminalität wurden in Thüringen seit dem 1. Januar 2015 begangen (bitte nach PMK-Zuordnung sowie der Straftat [mit Nennung des Paragraphen] und dem Jahr aufschlüsseln)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Henke (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4357 6. Wie viele Beschuldigte, deren Straftaten der PMK-Gewaltkriminalität links oder rechts zugeordnet wurden , wurden seit dem 1. Januar 2015 in Thüringen abgeurteilt (bitte nach der PMK-Zuordnung, dem Verfahrensabschluss und der Straftat [mit Nennung der Rechtsgrundlage] aufschlüsseln)? 7. Welche Ursachen sind nach Auffassung der Landesregierung für den Anstieg der Politisch motivierten Kriminalität - links sowie der linksextremistisch motivierten Gewaltdelikte in Thüringen ausschlaggebend? 8. Was unternimmt die Landesregierung präventiv und repressiv gegen linksextremistisch motivierte Gewalttaten ? 9. Welche Ursachen sind nach Auffassung der Landesregierung für den Anstieg der Politisch motivierten Kriminalität - rechts sowie der rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikte in Thüringen ausschlaggebend? 10. Was unternimmt die Landesregierung präventiv und repressiv gegen rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten ? 11. Welche Prognosen und Annahmen trifft die Landesregierung hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Gewaltneigung des linksextremistischen Spektrums in Thüringen? 12. Welche Prognosen und Annahmen trifft die Landesregierung hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Gewaltneigung des rechtsextremistischen Spektrums in Thüringen? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 17. August 2017 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Zu dem nachfolgend verwendeten Begriff des "Extremismus" wird darauf hingewiesen, dass es sich um einen historischen Arbeitsbegriff der Sicherheitsbehörden handelt, um einen Handlungsmaßstab für den Schutz der "freiheitlichen demokratischen Grundordnung" zu erreichen, zu welcher der Extremismus als Gegenpol gesehen wird. Zudem wird der Begriff in einzelnen Gesetzen verwandt. Die Verwendung des Arbeitsbegriffs "Extremismus" durch die Sicherheitsbehörden ist keine politikwissenschaftliche Aussage. Zu 1.: Statistische Erhebungen zu durch Straftäter der Politisch motivierten Kriminalität -links-/Linksextremisten oder durch Straftäter der Politisch motivierten Kriminalität -rechts-/Rechtsextremisten verletzten Polizeivollzugsbeamten liegen nicht vor. Zu 2.: Die Anlässe für die jeweiligen Einsätze, bei denen im Dienst befindliche Polizeivollzugsbeamte als Opfer von Straftaten registriert wurden, werden nicht gesondert statistisch erfasst. Zur Beantwortung der Frage 2 wurde deshalb eine Auswertung zur Politisch motivierten Kriminalität herangezogen und diese dargestellt. Im Zusammenhang mit Versammlungen im Freistaat Thüringen wurden 34 Polizeivollzugsbeamte in den Jahren 2015 und 2016 durch Delikte der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- beziehungsweise -linksverletzt . Straftat 2015 2016 Verletzte Polizeivollzugsbeamte bei Versammlungen 20 14 Politisch motivierte Kriminalität -links- 14 9 Politisch motivierte Kriminalität -rechts- 6 5 Eine Kausalität zwischen den Anmeldern beziehungsweise den Versammlungsleitern und den Straftaten ist nicht zwangsläufig zu unterstellen. In den Jahren 2015 und 2016 wurden bei Einsätzen zu Versammlungslagen in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland 41 Thüringer Polizeivollzugsbeamte verletzt. 3 Drucksache 6/4357Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Land 2015 2016 Verletzte Polizeivollzugsbeamte 6 35 Bayern 0 2 Berlin 0 27 Hamburg 0 1 Hessen 3 0 Sachsen 3 5 Die Zuordnung zu den Phänomenbereichen der Politisch motivierten Kriminalität der mit den oben angegebenen Delikten verbundenen Straftaten obliegt den in den Tatort-Ländern zuständigen Dienststellen. Zu 3.: Bei Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität -links- wurden in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt 23 Polizeivollzugsbeamte verletzt. Straftat 2015 2016 LPI-Bereich Verletzte Polizeivollzugsbeamte der Politisch motivierten Kriminalität -links- 14 9 Landfriedensbruch (§ 125 StGB) 1 0 Jena Körperverletzung (§ 223 StGB) 2 0 Erfurt 3 6 Jena 2 0 Saalfeld Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) 3 3 Jena 3 0 Saalfeld In den Jahren 2015 und 2016 wurden bei Einsätzen zu Versammlungslagen in anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland 41 Thüringer Polizeivollzugsbeamte verletzt. Land 2015 2016 Verletzte Polizeivollzugsbeamte 6 35 Bayern 0 2 Berlin 0 27 Hamburg 0 1 Hessen 3 0 Sachsen 3 5 Die Zuordnung zu den Phänomenbereichen der Politisch motivierten Kriminalität der mit den oben angegebenen Delikten verbundenen Straftaten obliegt den in den Tatort-Ländern zuständigen Dienststellen. Zu 4.: Bei Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- wurden in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt 15 Polizeivollzugsbeamte verletzt. Straftat 2015 2016 LPI-Bereich Verletzte Polizeivollzugsbeamte der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- 7 8 Landfriedensbruch (§ 125 StGB) 1 0 Saalfeld Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs (§ 125a StGB) 1 0 Saalfeld Körperverletzung (§ 223 StGB) 0 3 Erfurt 0 2 Jena 1 0 Nordhausen 2 0 Saalfeld Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) 0 2 Jena 2 1 Saalfeld 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4357 Zu 5.: Im Freistaat Thüringen wurden in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt 396 Fälle der Politisch motivierten Gewaltkriminalität registriert. Straftat 2015 2016 Phänomenbereich Politisch motivierte Gewaltkriminalität 185 211 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) 13 14 PMK -rechts-1 16 4 PMK -links-2 1 2 PMK -Sonstige3 Landfriedensbruch (§ 125 StGB) 4 4 PMK -rechts- 5 4 PMK -links- Besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs (§ 125a StGB) 2 1 PMK -rechts- 1 1 PMK -links- Totschlag (Versuch) (§ 212 StGB) 1 0 PMK -Ausländer4 Körperverletzung (§ 223 StGB) 25 52 PMK -rechts- 10 13 PMK -links- 3 0 PMK -Ausländer 7 9 PMK -Sonstige Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB) 43 53 PMK -rechts- 32 23 PMK -links- 2 3 PMK -Ausländer 4 7 PMK -Sonstige Schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) 1 0 PMK -links- Raub (§ 249 StGB) 0 3 PMK -links- 1 1 PMK -Sonstige Räuberischer Diebstahl (§ 252 StGB) 2 0 PMK -rechts- Erpressung (§ 253 StGB) 1 3 PMK -Sonstige Räuberische Erpressung (§ 255 StGB) 0 1 PMK -Ausländer Brandstiftung (§ 306 StGB) 2 0 PMK -rechts- 1 3 PMK -links- 3 1 PMK -Sonstige Schwere Brandstiftung (§ 306a StGB) 1 0 PMK -rechts- 3 2 PMK -Sonstige Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB) 0 3 PMK -rechts- Gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr (§ 315b StGB) 0 1 PMK -rechts- 1 1 PMK -links- 0 2 PMK -Sonstige Zu 6.: Statistische Angaben im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor. Zu 7.: Im Jahr 2016 wurden im Freistaat Thüringen 442 Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität -links- registriert . Im Vergleich zu den im Jahr 2015 registrierten 373 Fällen war ein Anstieg um 69 Straftaten (+18,5 Prozent) zu verzeichnen. 52 Gewaltdelikte wurden in diesem Phänomenbereich im Jahr 2016 festgestellt. Das bedeutete einen Rückgang um 15 Fälle (-22,4 Prozent). Der Anteil der Gewaltdelikte an der Politisch motivierten Kriminalität -links- betrug 11,8 Prozent im Jahr 2016. Ein Aspekt für den Anstieg der Politisch motivierten Kriminalität -links- könnte der Anstieg politischer Veranstaltungen und der damit einhergehenden Konfrontationen zwischen den politischen Lagern sein. Hierbei sind den politischen Gegnern von Linksextremisten insbesondere auch die Partei "Alternative für Deutschland " und die (neuen) Kleinstparteien "DIE RECHTE" beziehungsweise "Der III. Weg" sowie Personengruppierungen wie THÜGIDA etc. zuzurechnen. 5 Drucksache 6/4357Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Vorkommnisse wie unfriedliche Demonstrationsverläufe oder Einzeldelikte belegen in Thüringen diese Entwicklung ebenso wie Diskussionsprozesse im Kontext der sogenannten "Militanzdebatte", mit zum Teil erheblicher verbaler Gewaltorientierung. Zu 8.: Wegen des Sachzusammenhanges werden die Fragen 8 und 10 gemeinsam beantwortet. Sowohl Polizei als auch Verfassungsschutz verfügen über zahlreiche Konzepte, um extremistischen Bestrebungen frühzeitig zu begegnen. Die Polizei stützt die Bekämpfung rechtsextremistischer und linksextremistischer Straftaten auf mehrere Kernelemente . Durch aktive Erkenntnisgewinnung und einen umfassenden Informationsaustausch aller betroffenen Behörden können extremistische Veranstaltungen rechtzeitig erkannt und damit den davon ausgehenden Gefahren begegnet werden. Die Auswertung rechts- und linksextremistischer Inhalte im Internet dient ebenso der frühzeitigen Informationsgewinnung wie die Überwachung von Treffpunkten sowie Aufenthaltsund Sammelorten der dem rechts- beziehungsweise linksextremistischen Spektrum zuzurechnenden Personen . Durch offensive Präsenz können einschlägige Straftaten und Ordnungsstörungen verhindert werden. Um die Effektivität der Präventionsarbeit zu erhöhen, richtete die Thüringer Polizei im Jahr 2013 in der Landespolizeidirektion eine Stabsstelle "Polizeiliche Extremismusprävention" (PEP) ein. Die Landespolizeidirektion nimmt im Rahmen eines ganzheitlichen Präventionsansatzes nicht nur (politisch motivierte) Gewaltkriminalität in den Blick. Dementsprechend zielen konkrete Präventions-maßnahmen auf die Verhütung Politisch motivierter Kriminalität ab. Das Zusammenwirken der Thüringer Polizei mit staatlichen und nichtstaatlichen Präventionsträgern hat sich im Ergebnis seitdem deutlich intensiviert. Ziel sämtlicher Präventionsmaßnahmen ist es, die Handlungssicherheit von Thüringer Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten im Umgang mit Politisch motivierter Kriminalität zu erhöhen sowie für einen angemessenen Umgang mit Opfern derartiger Straftaten zu sensibilisieren. Die Stabsstelle PEP betreibt zudem ein "Informations- und Wissensportal" im polizeilichen Intranet, welches Thüringer Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten die Möglichkeit bietet, Informationen zu allen Phänomenbereichen der Politisch motivierten Kriminalität abzurufen, unter anderem auch zum (gewalttätigen) Links- und Rechtsextremismus. Die Auswertung wissenschaftlicher Literatur, einschlägiger polizeilicher und nachrichtendienstlicher Erkenntnisse sowie sonstiger relevanter Quellen ist ebenfalls ständige Aufgabe der Stabsstelle PEP. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse fließen unter anderem in die eigene Fortbildungstätigkeit, die Erstellung von (Präventions -) Konzeptionen sowie Besprechungen und Beratungstätigkeiten ein. Im Rahmen der Strafverfolgung sind die Polizeibehörden bei der Bekämpfung politisch motivierter Straftaten besonders gefordert. Dies schließt eine kontinuierliche Auswertung sowie die Gewährleistung einer umfassenden und beweissicheren Verfolgung von Straftaten ein. Des Weiteren werden personen- und gruppenorientierte Ermittlungen sowie ein intensiver Austausch im Rahmen der nationalen Zusammenarbeit geführt. Als konkretes Beispiel dafür steht die Besondere Aufbauorganisation "Zentrale Ermittlungen und Strukturaufklärung - Rechts" (BAO Zesar) zur konsequenten Bekämpfung der Politisch motivierten Gewaltkriminalität -rechts-. Darüber hinaus ist das Amt für Verfassungsschutz (AfV) zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gegen extremistische Bestrebungen tätig. Es beobachtet extremistische Entwicklungen und beteiligt sich im Rahmen seines gesetzlichen Auftrages sowie der vorhandenen finanziellen und personellen Mittel an Informations- und Präventionsmaßnahmen. So bietet das AfV entsprechende Fachvorträge, Informationsveranstaltungen und Infomaterialien sowie eine Wanderausstellung an, um hinsichtlich aller Erscheinungsformen im politischen Extremismus zu sensibilisieren. Im Bereich der Thüringer Justiz werden, neben der Durchsetzung des Rechts im Strafverfahren und der sich daraus ergebenden präventiven Wirkung, im Bereich des Strafvollzugs und der Bewährungshilfe Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit und vorurteilsbasierender Gewalt durchgeführt. In der Jugendstrafanstalt Arnstadt wird zusätzlich ein Anti-Aggressionstraining ausgerichtet, welches allgemeine Gewaltdelikte, aber auch vorurteilsbasierende Straftaten, umfasst. Darüber hinaus unterstützt das Thüringer Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit alle zivilgesellschaftlich Engagierten und fördert verschiedenste Maßnahmen der Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention . Eine Aufstellung der im Rahmen des Programms geförderten Maßnahmen kann unter www. denkbunt-thueringen.de eingesehen werden. Darüber hinaus wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfra- 6 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4357 ge Nr. 1547 der Abgeordneten Muhsal (AfD), Förderung aus dem Thüringer Landesprogramm für Demokratie , Toleranz und Weltoffenheit, und Nr. 2065 des Abgeordneten Henke (AfD), Islamisten und Rechtsextremisten im ländlichen Raum, verwiesen. Zu 9.: Im Jahr 2016 wurden im Freistaat Thüringen 1.570 Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität -rechtsregistriert . Im Vergleich zu den im Jahr 2015 registrierten 1.412 Straftaten war ein Anstieg um 158 Straftaten (+11,2 Prozent) zu verzeichnen. 128 Gewaltdelikte wurden in diesem Phänomenbereich im Jahr 2016 festgestellt. Das bedeutete einen Anstieg um 36 Fälle (+39,1 Prozent). Der Anteil der Gewaltdelikte an der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- betrug 8,2 Prozent im Jahr 2016. Als eine mögliche Ursache fällt der Zusammenhang sowohl mit der Anti-Asyl-Agitation der "rechten Szene" selbst als auch diesem Themenspektrum nahestehenden Bewegungen wie SÜGIDA/PEGIDA/THÜGIDA und anderen Organisationen auf, der zu einer Steigerung der infrage stehenden Straftaten geführt haben könnte. Bei potenziellen Tätern kann die durch eine breite öffentliche Thematisierung verstärkte Vorstellung , einen angeblichen Volks- oder Gemeinwillen lediglich noch exekutieren zu müssen, stark tatauslösende Wirkung haben. Dass die Anzahl der in der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- erfassten Straftaten zugenommen hat, liegt darüber hinaus darin begründet, dass die Polizei Veranstaltungen der "rechten Szene" mit entsprechendem Kräfteansatz begleitet und der polizeiliche Verfolgungsdruck im extremistischen Bereich auf einem sehr hohen Niveau gehalten wurde. Zu 10.: Es wird auf die Antwort zu Frage 8 verwiesen. Zu 11. und 12.: Wegen des Sachzusammenhanges werden die Fragen 11 und 12 gemeinsam beantwortet. Gegenwärtig sind bundesweite gesellschaftliche und politische Entwicklungen insbesondere im Kontext von Zuwanderungen erkennbar, die sich wesentlich auf die Fallzahlenentwicklung im Bereich der Politisch motivierten Kriminalität auswirken könnten. Im Freistaat Thüringen wurden im Jahr 2016 insgesamt 2.301 Fälle der Politisch motivierten Kriminalität registriert . Im Jahr 2015 wurden 2.072 Delikte bekannt. Damit stieg das Fallaufkommen im Vergleich zum Vorjahr um 229 Fälle (+11,1 Prozent). Im Phänomenbereich Politisch motivierte Kriminalität -links- war ein Anstieg um 69 Fälle (+18,5 Prozent) zu verzeichnen und im Phänomenbereich Politisch motivierte Kriminalität -rechts- stieg die Zahl der festgestellten Straftaten gegenüber dem Vorjahr um 158 Fälle (+11,2 Prozent). Der regionale Schwerpunkt der Politisch motivierten Kriminalität befand sich im Jahr 2016 im Bereich der Landespolizeiinspektion Jena. Dort wurden mit 520 Fällen die meisten Delikte registriert. Die relativ hohen Fallzahlen in den Zuständigkeitsbereichen der Landespolizeiinspektionen Jena, Erfurt und Gotha waren auch auf die Aktivitäten von Angehörigen der dortigen "rechten" und "linken Szene" sowie deren Konfrontation mit den Sicherheitsbehörden, unter anderem bei den Versammlungen "Wir sind das Volk - Massenzuwanderung stoppen" am 19. März 2016 in Eisenach, "Dem linken Terror keine Stadt mehr” am 20. April 2016 in Jena, "Deutschland zuerst - Invasoren stoppen" am 21. Mai 2016 in Weimar und der Versammlung der Partei "DIE RECHTE" unter dem Motto "Tradition verpflichtet - Kapitalismus zerschlagen - Heraus zum 1. Mai" am 1. Mai 2016 in Erfurt zurückzuführen. Gleichwohl liegen für einen erheblichen Anstieg von Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität -rechtsund -links- im Freistaat Thüringen in den kommenden Jahren keine konkreten Anhaltspunkte vor. Erkennbar ist aber eine zunehmende Gewaltbereitschaft in allen Phänomenbereichen und die daraus resultierenden Wechselwirkungen zwischen den politischen Extremismusbereichen sowie die Auseinandersetzung mit den Sicherheitsbehörden. Die zurückgehende Anerkennung staatlicher Autorität und der damit einhergehende mangelnde Respekt vor den Sicherheitsbehörden sowie ein hohes Maß an Aggressivität und Gewaltbereitschaft sind Indizien dafür, dass in den kommenden Jahren eine Zunahme der Fallzahlen im Bereich Politisch motivierter Kriminalität -links- nicht auszuschließen ist. Ebenso spricht das gerade in den letzten Jahren steigende Demonstrationsaufkommen nicht dafür, dass sich die Zahl der Straf- und Gewalttaten der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- in den kommenden Jahren maßgeblich verringern wird. Eine hohe Gewaltneigung ist dem Rechtsextremismus schon aus ideologischen Gründen immanent. Korrespondierend kommt hinzu, dass sich von dieser Ideologie überdurch- 7 Drucksache 6/4357Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode schnittlich gewaltaffine Personen stark angezogen fühlen. In Kombination geht von diesem Personenpotenzial bei entsprechenden Gelegenheitsstrukturen und einer gegebenenfalls ebenso ausgerichteten Agitation durch das rechtsextremistische Spektrum selbst eine fortlaufend mindestens abstrakte Gefahr aus. So bleibt, ungeachtet der bei Anti-Asyl-Demonstrationen zurückgehenden Mobilisierungsfähigkeit der "rechten Szene", das Thema Asyl und Anti-Migration auf der Agenda von Rechtsextremisten, weshalb hier auch zukünftig ein handlungsleitendes Motiv bei Straftaten von Rechtsextremisten zu finden sein wird. Zugleich wird auch die Konfrontation mit dem politischen Gegner, insbesondere bei Demonstrationen und Kundgebungen , aller Voraussicht nach weiterhin Anlass und Ursache von Straftaten der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- sein. Dr. Poppenhäger Minister Endnote: 1 PMK -rechts-: Politisch motivierte Kriminalität -rechts- 2 PMK -links-: Politisch motivierte Kriminalität -links- 3 PMK -Sonstige: Politisch motivierte Kriminalität -Sonstige/nicht zuzuordnen 4 PMK -Ausländer: Politisch motivierte Ausländerkriminalität Links- und rechtsextremistisch motivierte Gewalt in Thüringen: Ursachen, Tenden-zen und Gegenmaßnahmen Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11. und 12.: Endnote: