26.03.2015 Drucksache 6/440Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 10. April 2015 Fairer Handel in Thüringen Die Kleine Anfrage 143 vom 5. Februar 2015 hat folgenden Wortlaut: Der faire Handel zielt auf die gerechte Verteilung der sozialen und ökologischen Produktion und möchte Ausbeutungsprozesse in den Entwicklungsländern zurückdrängen. Viele Ehrenamtliche, Vereine und Bürger unterstützen das Konzept des fairen Handels und leisten damit einen aktiven Beitrag zur aktiven Entwicklungshilfe . Auch viele Städte und Gemeinden bekennen sich mittlerweile zum fairen Handel, bieten fair gehandelte Produkte an und haben sich der Nachhaltigkeit des Fairtrade-Konzepts verschrieben. Im Koalitionsvertrag hat sich auch die Landesregierung zur Förderung des fairen Handels bekannt. Daher erscheint es angezeigt, zu erfahren, welche konkreten Maßnahmen diesbezüglich die Landesregierung verfolgt. Ich frage die Landesregierung: 1. Welchen wirtschaftlichen Stellenwert misst die Landesregierung dem fairen Handel zu? 2. Welches sind nach der Auffassung der Landesregierung die Voraussetzungen für fairen Handel? 3. Wie schätzt die Landesregierung das ehrenamtliche Engagement der Bürger für Aktivitäten des fairen Handels ein? Sieht sie hier Förderungsbedarfe und/oder -möglichkeiten? 4. Welche Potenziale sieht die Landesregierung, den fairen Handel stärker im Bewusstsein der Bürger zu verankern? 5. Strebt die Landesregierung die Schaffung bzw. Erweiterung des Angebots von Fairtrade-Produkten bei Bewirtungen, Empfängen, Veranstaltungen oder in den landeseigenen Kantinen an? 6. Welche Thüringer Städte und Gemeinden haben sich als "FairtradeTown" beworben? Wie ist der jeweilige Bewerbungsstatus? Streben noch weitere Städte in Thüringen eine solche Bewerbung an? Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 23. März 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Bezüglich des wirtschaftlichen Stellenwertes des Fairen Handels liegt der Landesregierung keine amtliche Statistik vor. K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Walsmann (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/440 Das Forum Fairer Handel berichtet von einem Gesamtumsatz mit Fairtrade-Produkten im Jahr 2013 (neuere Zahlen waren nicht zu eruieren) in Deutschland in Höhe von 784 Millionen Euro; eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr um 21 Prozent. Verglichen mit dem Gesamtumsatz im Einzelhandel in Deutschland in Höhe von 430 Milliarden Euro stellt der Handel mit Fairtrade-Produkten jedoch eher noch ein "Nischengeschäft" dar. Zu 2.: Treffend beschreibt dies die Definition aus dem FINE-Grundlagenpapier zum Fairen Handel, 2001 (Quelle: www.forum-fairer-handel.de/fairer-handel/definition/): "Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt. Durch bessere Handelsbedingungen und die Sicherung sozialer Rechte für benachteiligte Produzent/innen und Arbeiter/innen - insbesondere in den Ländern des Südens - leistet der Faire Handel einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung. Fair Handels-Organisationen engagieren sich - gemeinsam mit Verbraucher/innen - für die Unterstützung der Produzent/innen, die Bewusstseinsbildung sowie die Kampagnenarbeit zur Veränderung der Regeln und der Praxis des konventionellen Welthandels." Die Koalitionsparteien DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten sich bereits in ihrem Koalitionsvertrag auf den Seiten 38 und 89 wie folgt zum Fairen Handel verständigt: "Der Schutz unserer natürlichen Ressourcen sowie der sparsame, effiziente Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen und ihre Wiederverwendung sind uns wichtig. Sie finden bei künftigen landesrechtlichen Regelungen und beim staatlichen Handeln verstärkt Beachtung. Dazu gehört auch eine öffentliche Beschaffung , die Umwelt- und Sozial-Standards/Aspekte stärker als bisher berücksichtigt. … … Eine zukunftsfähige Eine-Welt-Politik muss eine ressourcenschonende, klimaverträgliche Wirtschaftsund Lebensweise im Interesse der Bekämpfung von Armut und Ungleichheit verfolgen. Konsequenterweise heißt das, dass wir auch auf Landesebene die Verzahnung der entwicklungspolitischen und umweltpolitischen sowie der wirtschaftspolitischen und sozialen Ziele verstärkt befördern wollen. Der faire Handel ist für uns ein wichtiger Baustein für die Umsetzung globaler Gerechtigkeit." Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist von Seiten der Verwaltung neben dem dadurch gesetzten rechtlichen Rahmen auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Fair gehandelte Produkte sind oft erheblich teurer als andere gleichwertige Produkte. Insofern könnte unter Umständen der höhere Preis von fair gehandelten Produkten dazu führen, dass gemäß Vergabevorschriften der Zuschlag für einen derartigen Auftrag nicht erteilt werden kann. Auch in der Bevölkerung ist oft das Preis-Leistungs-Verhältnis das Auswahlkriterium. Somit werden fair gehandelte Produkte im Allgemeinen weniger nachgefragt, vor allem in Regionen, in denen auch die Kaufkraft niedriger ist. Zu 3.: Bezüglich ehrenamtlicher Engagements von Bürgern für Aktivitäten des Fairen Handels bzw. zu Förderungsbedarfe liegen der Landesregierung keine amtlichen Angaben vor. In Thüringer Eine-Welt-Vereinen und/oder Weltläden engagieren sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger für den Fairen Handel. Zurzeit seien es rund 300 Bürgerinnen und Bürger, die sich unmittelbar in 21 Weltläden oder Fairtrade-Gruppen sowie in acht Vereinen im "Eine Welt Netzwerk Thüringen e. V." (EWNT - www. ewnt.de) für den fairen Handel einbringen. Die Förderung professioneller Strukturen und Rahmenbedingungen werden von den Betroffenen als wichtig angesehen, um ehrenamtliches Engagement zu ermöglichen und zu erhalten. Gerade die administrativen Tätigkeiten lassen sich, so die Aussage der Betroffenen, auf Grund der gestiegenen formalen Anforderungen und der begrenzten zeitlichen Kapazitäten mit rein ehrenamtlicher Tätigkeit kaum noch realisieren. Die Landesregierung steht daher mit dem "Eine Welt Netzwerk Thüringen e. V." in Kontakt, um zu prüfen, ob und wie eine Unterstützung seitens des Landes Thüringen neben der Unterstützung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, perspektivisch aussehen kann. Die sogenannten Weltläden gibt es derzeit in 15 Städten Thüringens (Altenburg, Eisenach, Erfurt, Heiligenstadt , Ilmenau, Jena, Meiningen, Mühlhausen, Nordhausen, Rudolstadt, Saalfeld, Schmalkalden, Sondershausen , Suhl und Weimar). 3 Drucksache 6/440Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Aber nicht nur in diesen Weltläden werden fair gehandelte Produkte vertrieben, sondern gemäß Handelsverband Thüringen - Der Einzelhandel e. V. auch in namhaften Einzelhandelsunternehmen sowie Discountern , da vor allem diese erst die Verbreitung und den Erfolg dieser Produkte möglich machen. Zu 4.: Fairer Handel, verantwortungsvoller und nachhaltiger Konsum sowie Arbeits- und Produktionsbedingungen in den Ländern des globalen Südens sind wichtige Elemente der entwicklungspolitischen Bildungs- und Informationsarbeit . Deren Ausweitung und Förderung bietet daher das Potenzial, den fairen Handel stärker im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu verankern. Die Thüringer Landesregierung ist bemüht, durch eigenes nachhaltiges Handeln im Bereich der Lebensmittelbeschaffung einer Vorbildwirkung gerecht zu werden. Zu 5.: Bei Bewirtungen und Betriebsverpflegungen ist die Landesregierung bemüht, auch Fairtrade-Produkte anzubieten . Hierbei sind, wie in der Antwort zu Frage 2 ausgeführt, der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der Verwaltung und bei Ausschreibungen die entsprechenden Regelungen zu beachten. Bei bestehenden Verträgen zum Betrieb von Verpflegungseinrichtungen wurde bisher kein Angebot von Fairtrade -Produkten oder deren Verwendung bei der Zubereitung von Speisen ausdrücklich gefordert. Es wird allerdings bei den Ausschreibungen standardmäßig die Einhaltung der Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung gefordert. In deren Qualitätsstandards für die Betriebsverpflegung wird auf die Nachhaltigkeitsstrategie Bezug genommen und die Verwendung von regional erzeugten Lebensmitteln, möglichst aus ökologischer Landwirtschaft und artgerechter Tierhaltung sowie Produkten aus Fairem Handel oder direkter Kooperation mit Anbauern empfohlen. Die Thüringer Staatskanzlei geht zudem bei der Bewirtung mit gutem Beispiel voran. Seit Beginn des Jahres 2015 ist dort der explizite Zusatz in einer Ausschreibung zu vermerken, dass "aufgrund (des) unmittelbaren Bezuges zu Thüringen (…) die Staatskanzlei regionale und biologische Produkte (unterstützt)" und "eine Aufstellung (der) Subunternehmen/Lieferanten (beigefügt werden sollte), deren Produkte aus Thüringen sowie aus einer nachhaltigen Produktion stammen oder die Bioprodukte verwenden". Zu 6.: Zur dieser Frage liegen der Landesregierung keine amtlichen Informationen vor. Gemäß Veröffentlichungen auf der Internetseite www.fairtrade-towns.de sind in Deutschland insgesamt 314 Städte Fairtrade Towns. In Thüringen sind die Städte Jena (seit 20. Oktober 2012 - 104. Stadt in Deutschland; 2014 für vier weitere Jahre verlängert), Eisenach (seit 20. Oktober 2012 - 114. Stadt in Deutschland; 2014 für vier weitere Jahre verlängert), Erfurt (seit 20. Juni 2014 - 264. Stadt in Deutschland) und Nordhausen (seit 5. Juni 2010 - 18. Stadt in Deutschland) Fairtrade Towns. Auch der Landkreis Nordhausen ist dort seit 24. November 2010 gelistet. Darüber hinaus hat Suhl die Information erhalten, dass die Bewerbung der Stadt erfolgreich war - eine Übergabe der Urkunde wird, nach heutigem Wissensstand, vorbereitet. Die Stadt Sondershausen hatte sich 2010 beworben. Über den Status liegen keine Informationen vor. Weimar habe 2012 beschlossen den Titel anzustreben, aber noch keinen Antrag abgegeben. Ob noch weitere Städte bzw. Landkreise eine entsprechende Bewerbung anstreben, entzieht sich derzeit der Kenntnis der Landesregierung. Tiefensee Minister