28.09.2017 Drucksache 6/4560Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 11. Oktober 2017 Rechtsverbindlichkeit von Eingemeindungsverträgen am Beispiel der Stadt Sondershausen und der Gemeinde Großfurra vom 12. September 1997 Die Kleine Anfrage 2365 vom 30. Juni 2017 hat folgenden Wortlaut: Die Stadt Sondershausen und die Gemeinde Großfurra haben am 12. September 1997 einen Eingemeindungsvertrag abgeschlossen. In § 7 Abs. 2 des Vertrags ist vereinbart: "Aus dem Vermögenshaushalt verwendet die Stadt Sondershausen für den künftigen Ortsteil Großfurra ab dem Jahr 2000 jährlich mindestens 100,0 TDM. Der Einsatz der Mittel erfolgt nur mit Zustimmung des künftigen Ortschaftsrates." Seit dem Jahr 2014 wird mit Verweis auf die Notwendigkeit der Haushaltskonsolidierung seitens der Stadt diese vertragliche Regelung nicht mehr umgesetzt. Investitionsbedarfe werden durch den Ortschaftsrat gegenüber der Stadt geltend gemacht. Im April 2017 gab es in Anwendung des § 10 Abs. 2 des Vertrags ein Gespräch bei der zuständigen Kommunalaufsicht. Das Gespräch verlief ergebnislos. Der Ortschaftsrat verweist auf § 61 Abs. 1 Nr. 1 Thüringer Kommunalordnung, wonach die Gemeinde zu Ausgaben ermächtigt ist, wozu sie rechtlich verpflichtet ist. Die Einhaltung von Verträgen gehört zu den rechtlichen Pflichten der Gemeinde . Die Stadt Sondershausen unterliegt der Rechtsaufsicht des Landes. Ich frage die Landesregierung: 1. Sind abgeschlossene Eingemeindungsverträge rechtsverbindlich und müssen entsprechend umgesetzt werden? Wie begründet die Landesregierung diese Auffassung? 2. Welche Folgewirkungen hat diese Auffassung auf die Einhaltung der Rechtverbindlichkeit des Eingemeindungsvertrags vom 12. September 1997 zwischen der Stadt Sondershausen und der Gemeinde Großfurra? 3. Unter welchen Voraussetzungen darf die Stadt Regelungen aus dem nachgefragten Eingemeindungsvertrag abändern, aussetzen oder nicht mehr umsetzen beziehungsweise anwenden und wie wird dies begründet? In welcher Art und Weise ist dabei der Stadtrat und der Ortsteil-/beziehungsweise Ortschaftsrat zu beteiligen? 4. Welche rechtsaufsichtlichen Maßnahmen werden möglicherweise zu welchem Zeitpunkt von der Landesregierung in diesem Zusammenhang eingeleitet? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 27. September 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Eingemeindungsverträge sind koordinationsrechtliche Verwaltungsverträge im Sinne des § 54 ff. Thüringer Verwaltungsverfahrensgesetz (ThürVwVfG). Sie entfalten nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4560 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Artikel 20 Abs. 3 Grundgesetz) und nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts grundsätzlich eine Bindungswirkung für die Vertragsparteien und deren Rechtsnachfolger. Sie sind daher grundsätzlich umzusetzen. Zu 2.: Die Prüfung und Bewertung von Eingemeindungsverträgen obliegt zunächst der Gemeinde und ihrem betroffenen Ortsteil. Zudem kann die Beratung der örtlich zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde in Anspruch genommen werden. Im hier angesprochenen Fall befinden sich die Betroffenen gegenwärtig im Gespräch und streben unter Beteiligung des Ortsteilbürgermeisters und einer Vertretung des Ortsteilrates, des Bürgermeisters der Stadt Sondershausen und des Hauptamtsleiters der Stadtverwaltung eine einvernehmliche Lösung an. Eine weitere Begleitung durch die Rechtsaufsichtsbehörde wurde den Betroffenen angeboten, bisher aber nicht in Anspruch genommen. Zu 3.: Einzelne vertragliche Regelungen entfalten dann keine Bindungswirkung, wenn sie unwirksam sind. Dies ist der Fall, wenn sie gegen rechtliche Bestimmungen verstoßen beziehungsweise die Entscheidungsgewalt der neugegliederten Gebietskörperschaft und ihrer Organe in unzulässiger Weise einschränken. Dies ist insbesondere für Vereinbarungen von Bedeutung, die die Haushaltswirtschaft der neugegliederten Gemeinde betreffen. Rechtlich problematisch und auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bedenklich sind vor allem solche Vereinbarungen, die die neugegliederte Gemeinde ohne Rücksicht auf deren finanzielle Möglichkeiten zwingend zur Erfüllung von Aufgaben oder zu Investitionen verpflichten. Der Beschluss über die Haushaltssatzung fällt in die ausschließliche Zuständigkeit des Gemeinderates (§ 26 Abs. 2 Nr. 7, § 57 Abs. 1 Thüringer Kommunalordnung [ThürKO] bzw. § 8 Abs. 1 Thüringer Gesetz über die kommunale Doppik [ThürKDG]) der neugegliederten Gemeinde. Er hat durch die in ihr getroffenen Festsetzungen für eine ordnungsgemäße Haushaltswirtschaft zu sorgen und bindet sich insoweit selbst. Vor diesem Hintergrund kommt es für die Wirksamkeit von Vereinbarungen in Eingemeindungsverträgen auf eine Würdigung im jeweiligen Einzelfall an, ob und inwieweit sie die Haushaltsautonomie der neugegliederten Gebietskörperschaft unzulässig beschränken oder verletzen. Unzulässig dürften insbesondere Vereinbarungen sein, die Aufgaben, Ausgaben und Verpflichtungen ohne Befristung und/oder Öffnungsklausel statuieren. Sind die Regelungen eines Eingemeindungsvertrages wirksam, kann in besonderen Ausnahmefällen nach den Rechtsgrundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein Recht zur Anpassung oder Kündigung bestehen, wenn sich die für den Vertragsinhalt maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse nach Vertragsschluss so erheblich verändert haben, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der Vereinbarung nicht mehr zugemutet werden kann (siehe auch § 60 ThürVwVfG). Entscheidend sind auch insoweit die Umstände des Einzelfalls. Für die Beteiligung des Stadtrates gelten die allgemeinen Regeln zur Abgrenzung der Zuständigkeiten von Gemeinde- beziehungsweise Stadtrat und Bürgermeister (§ 29 ThürKO und speziell für den Erlass der Haushaltssatzung § 57 Abs. 1 ThürKO). Die Einbeziehung des Ortsteil- beziehungsweise Ortschaftsrates richtet sich nach § 45 Abs. 5 f. und § 45 a Abs. 5 ff. ThürKO. Zu 4.: Der Einsatz der Rechtsaufsichtsmittel fällt gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ThürKO in die Zuständigkeit des Landratsamtes als unterer staatlicher Verwaltungsbehörde. Zum konkreten Fall wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Maier Minister Rechtsverbindlichkeit von Eingemeindungsverträgen am Beispiel der Stadt Sondershausen und der Gemeinde Großfurra vom 12. September 1997 Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: