02.04.2015 Drucksache 6/461Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 15. April 2015 Kastenstände im Besamungsbereich tragender Sauen Die Kleine Anfrage 153 vom 3. Februar 2015 hat folgenden Wortlaut: Nach § 24 Abs. 4 Nr. 2 Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) müssen Kastenstände so beschaffen sein, dass jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann. Auf die bundesweit einheitlichen Auslegungshinweise zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit Stand vom 23. Februar 2010 wird hingewiesen. Die danach installierten Kastenstände in den Deck- und Wartebereichen der Thüringer Ferkelproduzenten werden derzeit von den Überwachungsbehörden sehr kritisch bewertet, da die festgelegten Maße in den Betrieben nicht erreicht werden. Entsprechend werden Veränderungen eingefordert. Darüber hinaus hat das Oberverwaltungsgericht Magdeburg (Beschluss vom 8. April 2013, 3 M 40/13 - ohne Rechtskraft) die bisher genutzten Auslegungshinweise zur Gestaltung der Kastenstände teilweise gekippt. Nach dessen Auffassung ist die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung nicht erfüllt, wenn die Gliedmaßen des liegenden Schweins - etwa durch ein Gitter - über den Kastenstand hinausragen. Obwohl keine gesicherten, wissenschaftlichen Erkenntnisse (Ethologie) derzeit zu dieser Thematik vorliegen , werden Thüringer Ferkelproduzenten angewiesen, die Kastenstände für die Haltung leerer und niedertragender Sauen zu verbreitern. Diese neuen Anforderungen (Thüringer Handlungsempfehlungen) haben erhebliche Auswirkungen auf bestehende Ferkelproduktionsbetriebe (aller Bestandsgrößen) in Thüringen. Ich frage die Landesregierung: 1. Beschäftigen sich nach Kenntnis der Landesregierung der Bund bzw. andere Bundesländer ebenfalls mit dieser Thematik und wenn ja, mit welchen Zielrichtungen? 2. Welches methodische Vorgehen zur Ermittlung der Kastenstandbreite wird in Thüringen angewandt und besteht eine einheitliche Meinung (Empfehlungen) mit der fachlichen Meinung der Bund-LänderArbeitsgemeinschaft /Arbeitsgruppe Tierschutz? 3. Wird die genannte Bund-Länder-Arbeitsgruppe die bundesweit einheitlichen Auslegungshinweise (dokumentiert im Handbuch Tierschutzüberwachung) zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit Stand vom 23. Februar 2010 mittelfristig novellieren und wenn ja, welche Sachstände wurden derzeit erreicht? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Primas (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/461 4. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zu dem Sachverhalt, dass nach ethologischen Erkenntnissen zum Schwein bei breiteren Kastenständen abzusehen ist, dass es zu neuen erheblichen Problemen hinsichtlich des Tierschutzes in diesem Haltungsabschnitt kommen wird? 5. Welche Rechtssicherheiten haben die Ferkel produzierenden Betriebe in Thüringen nach der Umsetzung der neuen Anforderung, da diese die betroffenen Betriebe mit enorm hohen Investitions- und Folgekosten belasten? 6. Welche Übergangsfristen gelten gemäß den Thüringer Handlungshinweisen für die Ferkelproduzenten, die von 2012 bis 2014 ihre Anlagen entsprechend den bundesweit einheitlichen Auslegungshinweisen zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit dem Stand vom 23. Februar 2010 rekonstruiert haben und sind diese Übergangsfristen mit dem Landesamt für Verbraucherschutz bzw. mit den Veterinärämtern abgestimmt? 7. Werden gesetzliche Gegebenheiten des Genehmigungsmanagements (Verfahrensdauer) beachtet? 8. Wie wird dem garantierten Vertrauensschutz bei erteilter immissionsschutzrechtlicher Genehmigung nach Bundes-Immissionsschutzgesetz Rechnung getragen? 9. Welche Konsequenzen haben gewerbliche Ferkelproduzenten zu tragen, die die neuen Auslegungshinweise zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zwar umsetzen wollen, jedoch nach Baugesetzbuch (BauGB) kein Baurecht mehr besitzen (§ 35 BauBG)? 10. Welche Auswirkungen auf die Ferkelproduzenten ergeben sich, wenn diese die Planungsträger (Kommunen ) nicht zu einem angepassten neuen B-Plan "ermutigen" können und wäre in diesem Fall der erzwungene Tierbestandsabbau mit den Grundrechten des Grundgesetzes, insbesondere Artikel 14 Abs. 1, vereinbar? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 31. März 2015 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: In den von der Arbeitsgruppe Tierschutz (AGT) der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) im Jahr 2010 beschlossenen Ausführungshinweisen zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) werden Mindestmaße für Kastenstände von 65 cm lichter Weite für Jungsauen und "kleinere" Sauen und 70 cm lichter Weite für Altsauen genannt. Im Rahmen staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen in Sachsen-Anhalt und auch Thüringen wurden u. a. zu enge Kastenstände bemängelt. Bei Kontrollen der Kastenstandmaße von Thüringer Betrieben wurde festgestellt, dass in einigen Betrieben auch große Sauen tierschutzwidrig in viel zu kleinen Kastenständen mit lichten Weiten unter 60 cm (z. B. 53 cm lichte Weite) gehalten werden. Dies betrifft mehrere Tausend Sauen in Thüringen. In diesen Betrieben besteht unverzüglicher Handlungsbedarf , um eine rechtskonforme Haltung der Sauen sicherzustellen. Es muss demnach in Thüringen unterschieden werden zwischen den Betrieben mit Kastenstandmaßen unterhalb der genannten Ausführungshinweise und Betrieben mit 65 bzw. 70 cm breiten Kastenständen. Nach § 24 Abs. 4 TierSchNutztV müssen Kastenstände so beschaffen sein, dass die Schweine sich nicht verletzen können und jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann. Laut einem Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Magdeburg vom 3. März 2014 (Az.: 1 A 230/14) ist das Stockmaß einer Sau auch eine geeignete Grundlage für die Bemessung der notwendigen Breite eines Kastenstandes. Eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Sachsen-Anhalt zum nunmehr dort anhängigen Rechtsmittelverfahren ist noch nicht ergangen. Die Auslegung des VG Magdeburg zur Kastenstandbreite hat mit Blick auf die Ausführungshinweise zum Handbuch Nutztierkontrollen zu einer Verunsicherung der zuständigen Tierschutzbehörden und betroffenen Landwirte geführt, da die darin enthaltenen Mindestmaße zur Kastenstandbreite regelmäßig als allgemein verbindlich angesehen werden. Auch wird die dort getroffene Formulierung "mindestens" nicht immer hinreichend beachtet. Es bedarf einer Klarstellung, dass Abweichungen nicht nur zulässig, sondern vor dem Hintergrund der zuvor getroffenen Ausführungen bei großrahmigen Tieren auch erforderlich sind. 3 Drucksache 6/461Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Dies kann hilfsweise in den Ausführungshinweisen erfolgen. Thüringen hat dazu erste Überlegungen als Diskussionsgrundlage erarbeitet. Zu 1.: Die Bundesregierung beschäftigt sich derzeit im Rahmen von Anfragen mit der genannten Thematik. In einem Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vom 29. Juli 2014 wird dargelegt, dass die im Handbuch "Tierschutzüberwachung in Nutztierhaltungen" enthaltenen Mindestmaße "bei größeren Tieren entsprechend angepasst werden sollen". Des Weiteren wird darauf verwiesen, dass es in der Verantwortung des Tierhalters liegt, dafür zu sorgen, dass die Haltungsbedingungen dahin gehend angepasst werden, dass auch großrahmigen Sauen genügend Platz im Kastenstand zur Verfügung steht. In den einzelnen Betrieben mit Sauenhaltung sind die Bedingungen im Stall teilweise sehr unterschiedlich und wenig vergleichbar. Auch aus diesem Grund sind die Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zur Gestaltung von Kastenständen so formuliert, dass den zuständigen Vollzugsbehörden ein angemessener Handlungs- und Entscheidungsspielraum bei der Beurteilung des Einzelfalls vor Ort gelassen wird. Für eine Änderung der betreffenden Vorgaben in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung wird vom BMEL aus den genannten Gründen keine Notwendigkeit gesehen. Die AGT hat sich in ihrer Sitzung am 3./4. Dezember 2014 mit der Thematik beschäftigt. Dabei wurde u. a. Folgendes erläutert: "Laut Nationalen Bewertungsrahmen Tierhaltungsverfahren (KTBL-Schrift 446) werden Sauen in Kastenständen nahezu in allen ihren Verhaltensweisen mit Ausnahme der Nahrungs- und Wasseraufnahme deutlich eingeschränkt bzw. können bestimmte Verhaltensweisen nicht ausgeführt werden. Praxistaugliche Alternativen zu diesem Haltungsverfahren sollten deshalb weiter entwickelt werden, wobei neben der Tiergerechtheit arbeitswirtschaftliche und ökonomische Erwägungen zu berücksichtigen sind." Des Weiteren hat die AGT das BMEL gebeten, das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) mit einer wissenschaftlichen Stellungnahme zu den Raumanforderungen bei der Haltung von Sauen in Kastenständen im Deckzentrum unter Einbeziehung bestimmter maximaler Aufenthaltsdauern zu beauftragen. Auf eine direkte Anfrage Thüringens an die Tierschutzreferenten der anderen Länder zu o. g. Fragestellung liegen bisher lediglich drei Antworten vor, welche die Auffassung des BMEL unterstützen, dass für größere Sauen breitere Kastenstände erforderlich sind, bzw. die Thematik im Rahmen der Projektgruppe Strategie der Arbeitsgruppe Tierschutz der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz behandelt wissen wollen. In Sachsen wurden Untersuchungen zur körperlichen Entwicklung von Zuchtsauen durchgeführt und Konsequenzen für die Kastenstandhaltung dargelegt. Dabei wurde festgestellt, dass für große Sauen Kastenstandweiten von etwa 80 cm erforderlich sind. Ein Liegen der Sauen in gestreckter Seitenlage, wie in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung gefordert, erfordert Standweiten in Widerristhöhe der Tiere, die unter Berücksichtigung der Verletzungsgefahr durch ein Umdrehen der Sau in zu großen Kastenständen eine verletzungsfreie Kastenstandhaltung unmöglich machen würden und deshalb sogar tierschutzrelevant sind. Es wird eine Differenzierung der Kastenstandweiten in 60, 70 und 80 cm im Verhältnis von 25 : 45 : 35 Prozent der erforderlichen Plätze empfohlen. Zu 2.: Die in den Ausführungshinweisen der AGT genannten Mindestmaße für Kastenstände stellen keinen Bezug zur Körpergröße der Sau her, d. h. es fehlt die Angabe bis zu welcher Größe der Sau ein 70 cm breiter Kastenstand geeignet ist, um die Anforderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zu erfüllen. Bisher wurde diese Frage nicht thematisiert. Im Rahmen verwaltungsgerichtlicher Verfahren in SachsenAnhalt und aufgrund staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen infolge von Anzeigen durch Tierschutzorganisationen wurde diese Frage jedoch aufgegriffen. Der AGT wurden die mit den für den Tierschutz zuständigen Behörden in Thüringen abgestimmten Orientierungswerte für Kastenstandmaße in Bezug zur Körpergröße der Sau als Diskussionsgrundlage übermittelt. Schriftliche Rückmeldungen anderer Länder hierzu liegen bisher nicht vor. Da in Thüringen, wie bereits erwähnt, unverzüglicher Handlungsbedarf insbesondere bei den Betrieben mit Kastenstandweiten unterhalb der in den Ausführungshinweisen genannten Mindestmaße besteht, wurden unter Berücksichtigung der Untersuchungen in Sachsen, des Schreibens des BMEL vom 29. Juli 2014, des Beschlusses des OVG Sachsen-Anhalt vom 8. April 2013 (Az.: 3 M 40/13) sowie des Urteils des VG Magdeburg vom 3. März 2014 den für den Tierschutz zuständigen Behörden eine fachliche Orientierungshilfe zur Beurteilung der notwendigen Kastenstandbreite im Rahmen von Beratungen zu dieser Thematik übergeben. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/461 Die in dieser Orientierungshilfe genannten Kastenstandmaße liegen aufgrund der in den sächsischen Untersuchungen erwähnten Verletzungsgefahr für die Schweine bei zu breiten Kastenständen unterhalb der Schulterhöhe der Tiere. Damit wäre ein Durchstrecken der Gliedmaßen der Sau in den Kastenstand der Nachbarsau grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Bei dem Orientierungsmaß von 85 cm lichter Weite des Kastenstandes für große Sauen mit einer Schulterhöhe von 90 cm bis 100 cm wurde berücksichtigt, dass bei Sauen dieser Größe in Thüringen Gesäuge-Rückenmaße von bis zu 85 cm gemessen wurden. Um zumindest Verletzungen des Gesäuges der Sau durch ein Hineinragen in den Kastenstand der Nachbarsau bzw. Anstoßen an die Begrenzung des Kastenstandes zu vermeiden und den Sauen das nach Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung erforderliche Ruhen zumindest in einfacher Seitenlage zu ermöglichen, werden diese Maße als Mindestmaße für erforderlich gehalten. Generell ist jedoch anzumerken, dass aus fachlicher Sicht eine Haltung von Sauen in Kastenständen nicht zu empfehlen ist, da arttypische Verhaltensweisen (Sozialverhalten, Trennung von Kot- und Liegebereich, Bewegung) nicht ausgeführt werden können. Die Folge sind häufig auftretende stereotype Verhaltensweisen wie Stangenbeißen oder Leerkauen sowie Schäden an den Gliedmaßen und der Haut. In einem Merkblatt der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz vom Januar 2015 wird aus den genannten Gründen die Gruppenhaltung von Sauen direkt nach der Säugeperiode empfohlen. Hierzu gibt es zwischenzeitlich ausreichende Erfahrungen und in einigen Thüringer Betrieben wird diese tiergerechtere Haltungsform bereits praktiziert. Die Gruppenhaltung von Sauen vor und auch direkt nach der Besamung erfordert aber besondere Kenntnisse, besondere Empathie für die Tiere und besondere Sorgfalt bei der Tierbetreuung. Zu 3.: Die AGT hat Anfang Dezember 2014 die Projektgruppe Handbuch Tierschutzüberwachung in Nutztierhaltungen gebeten, einen Vorschlag zur Überarbeitung der Ausführungshinweise zu § 24 Abs. 4 TierSchNutztV bis spätestens zur nächsten Sitzung der AGT unter Berücksichtigung der Verantwortlichkeit des Tierhalters für die Einhaltung der Vorschriften in bestehenden Betriebe zu entwickeln. Eine Sitzung der Projektgruppe hat bisher nicht stattgefunden. Zu 4.: Probleme in Form von Verletzungen der Sauen sind bei Kastenstandbreiten beschrieben, welche etwa der Schulterhöhe der Tiere entsprechen. Die Empfehlungen zur Kastenstandweite von etwa 80 cm für große Sauen nach den sächsischen Untersuchungen sowie die fachliche Orientierungshilfe zur Kastenstandweite in Thüringen liegen unterhalb der Schulterhöhe der Sauen und berücksichtigen die Verletzungsgefahr bei zu breiten Kastenständen. Rechtskonforme, funktions- und tiergerechte Kastenstände müssen den altersabhängigen Platzanspruch der Sauen, der aus dem Aufsteh- und Liegeverhalten und der Dynamik der Körperbewegungen resultiert, berücksichtigen und haltungsbedingte Verletzungen vermeiden. Der Tierhalter ist dafür verantwortlich, alle Maßnahmen zu ergreifen, um Verletzungen der Schweine bei gleichzeitiger Erfüllung der Anforderung, dass die Schweine in Seitenlage mit ausgestreckten Gliedmaßen liegen können, zu vermeiden. Zu diesen Maßnahmen gehören beispielsweise die Gabe von ausreichendem und geeignetem Beschäftigungsmaterial, eine geeignete Liegefläche, ein optimales Stallklima, die bedarfsgerechte Versorgung mit Futter und Wasser und die bauliche Gestaltung des Kastenstandes. Gemäß § 30 Abs. 4 TierSchNutztV dürfen Jungsauen und Sauen nur in Kastenständen gehalten werden, wenn nicht offensichtlich erkennbar ist, dass diese Haltungsform zu nachhaltiger Erregung führt, die insbesondere durch Gabe von Beschäftigungsmaterial nicht abgestellt werden kann. Kranke und verletzte Jungsauen oder Sauen sind gemäß § 30 Abs. 3 TierSchNutztV so zu halten, dass sie sich jederzeit umdrehen können. Zu 5.: Zunächst ist klarzustellen, dass es sich nicht um neue Anforderungen handelt. Es geht um die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Anforderungen nach § 24 Abs. 4 TierSchNutztV. Bei neuen tierschutzrechtlichen Anforderungen durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber, die sich auch auf Altanlagen erstrecken sollen, muss durch Übergangsregelungen den verfassungsrechtlichen Grundsätzen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Vertrauensschutzes Rechnung getragen werden. Ergänzend ist anzumerken, dass grundsätzlich kein Recht darauf besteht, von Neuregelungen verschont zu bleiben , bis einmal getätigte Investitionen sich vollständig amortisiert haben (vgl. Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - , Urteil vom 30.04.2009, Az.: 7 C 14/08 - juris Rn. 37). 5 Drucksache 6/461Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 6.: Ob für Ferkelproduzenten, die von 2012 bis 2014 ihre Anlagen entsprechend den bundesweit einheitlichen Auslegungshinweisen zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit Stand vom 23. Februar 2010 angepasst haben, mit Blick auf von ihnen gegebenenfalls eingestellte großrahmige Sauen erneut ein Anpassungsbedarf besteht, muss von der zuständigen Behörde im Einzelfall geprüft werden. Von den Gegebenheiten im Einzelfall hängen auch Übergangsfristen ab. Zu 7.: Ob für Änderungsvorhaben aufgrund tierschutzrechtlicher Anforderungen bezogen auf nach dem BundesImmissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungsbedürftige Tierhaltungsanlagen ein Anzeigeverfahren gemäß § 15 BImSchG oder eine Genehmigung gemäß § 16 BImSchG erforderlich ist, kann erst beurteilt werden, wenn der zuständigen Behörde aussagekräftige Unterlagen vorliegen. Kann sich die Änderung nicht auf die Schutzgüter nach § 1 BImSchG auswirken, bedarf es nach Immissionsschutzrecht weder einer Anzeige noch einer Genehmigung, gegebenenfalls aber einer erforderlichen Baugenehmigung. Im Fall einer notwendigen Genehmigung nach § 16 Abs. 1 BImSchG oder einer anzeigebedürftigen Änderung, für die nach § 16 Abs. 4 Satz 1 BImSchG eine Genehmigung beantragt wurde, sind die gesetzlichen Vorgaben zur Verfahrensdauer (§ 16 Abs. 3 und 4 Satz 2 Halbsatz 2 BImSchG) zu beachten. Zu 8.: Mit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wird dem Betreiber einer Anlage das Recht eingeräumt , diese im Rahmen der Genehmigung zu errichten und zu betreiben. Einen garantierten Vertrauensschutz (Bestandsschutz) gibt es im Immissionsschutzrecht nicht. Der Betreiber kann nicht darauf vertrauen, dass die zum Zeitpunkt der Genehmigung geltenden Vorschriften maßgeblich sind, wenn sich neue immissionsschutzrechtliche Gründe ergeben, z. B. Gesetzesänderungen, EU-Richtlinien oder Änderungen beim Stand der Technik. Mit der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung wird festgestellt, dass die Erfüllung der aus § 5 BImSchG und aus Rechtsverordnungen gemäß § 7 BImSchG resultierenden Pflichten sichergestellt ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG) und dass andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften in diesem Sinne gehören auch die anlagenbezogenen Vorschriften des Tierschutzrechts. Die Feststellungswirkung der Genehmigung knüpft an den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung an. Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung ist kein Dauerverwaltungsakt in dem Sinne, dass der Betrieb künftig nur der ursprünglichen Genehmigung unterworfen ist (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 23.10.2008, Az.: 7 C 4/08). Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vermittelt keinen Schutz vor nachträglichen Änderungen der tierschutzrechtlichen Anforderungen. Nach § 24 Abs. 4 TierSchNutztV müssen Kastenstände so beschaffen sein, dass die Schweine sich nicht verletzen können und jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie den Kopf und in Seitenlage die Gliedmaßen austrecken kann. Diese rechtliche Anforderung gilt seit über 20 Jahren und wirkt unmittelbar auf die Rechtsposition der Betreiber. Das einschlägige Fachrecht stellt insoweit eine materielle Anforderung an die Anlagen. In den bundesweit einheitlichen Auslegungshinweisen zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung mit Stand vom 23. Februar 2010 sind zu § 24 Abs. 4 Nr. 2 TierSchNutztV Mindestmaße für die notwendige Breite der Kastenstände angegeben, die "im Allgemeinen" Anwendung finden. Ein Bezug auf die Größe der Sauen erfolgt dabei nicht, so dass Sauen außerhalb der bisherigen "Standardmaße" insoweit grundsätzlich nicht erfasst sind. Wenn sich die Bedingungen in der Praxis der Nutztierhaltung ändern und Tierhalter immer mehr großrahmige Sauen einstellen, liegt es in der Verantwortung des Tierhalters, dafür zu sorgen, dass die Haltungsbedingungen dahin gehend angepasst werden, dass auch diesen großrahmigen Sauen im Kastenstand genügend Platz zur Verfügung steht. Hierauf hat das BMEL in seinem Schreiben vom 29. Juli 2014 hingewiesen. Zu 9.: Wie bereits ausgeführt, gibt es keine neuen Auslegungshinweise zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung . Die Einhaltung der tierschutzrechtlichen Anforderungen der vorgenannten Verordnung gehört zu den Betreiberpflichten. Für Vorhaben, die die Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben, bestimmt sich die Zulässigkeit des Vorhabens im Rahmen des Baurechts unter anderem nach den §§ 30 bis 37 des Baugesetzbuchs. 6 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/461 Sofern der Neubau von Ställen geplant ist, um die bisher in zu engen Kastenständen gehaltene Anzahl von Schweinen weiterhin halten zu können, dies jedoch baurechtlich nicht möglich ist, kann den tierschutzrechtlichen Anforderungen nur durch die Haltung von weniger Sauen in den vorhandenen Ställen entsprochen werden. Zu 10.: Die einzuhaltenden Bestimmungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung stellen ebenso wie Vorschriften des Bauplanungsrechts grundsätzlich zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums im Sinne des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes dar. Werner Ministerin