07.04.2015 Drucksache 6/464Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 17. April 2015 Rechtsextremismus bei Hooligans? Die Kleine Anfrage 147 vom 5. Februar 2015 hat folgenden Wortlaut: Medienberichten zufolge (unter anderen Thüringer Allgemeine vom 4. Februar 2015) haben Beobachtun gen des Fanprojekts Jena verstärkt rechtsextreme Tendenzen unter Hooligans ergeben. Weiterhin wurde bekannt, dass es in der Erfurter Hooliganszene in der jüngeren Vergangenheit Kontakte zur NPD sowie zur rechten Szene gegeben haben soll. Für Mitte März 2015 sei zudem eine Kundgebung durch einen hooli gannahen Verein unter dem Motto "Gemeinsam gegen Salafisten" angemeldet. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche konkreten Erkenntnisse hat die Landesregierung über die politische Gesinnung von Hooligans in Thüringen (bitte Auflistung nach Anzahl und Zuordnung nach Vereinen)? 2. Wie bewertet die Landesregierung die generelle Gefahr von Ausschreitungen durch "rechtsgerichtete" Hooligans in Thüringen und gab es bereits diesbezügliche Sachverhalte? 3. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung für die angemeldete Kundgebung bzw. mögliche Ge genkundgebungen im März 2015 vor? 4. Wie bewertet die Landesregierung die Arbeit der Fanprojekte vor Ort, insbesondere hinsichtlich mögli cher rechtsextremer Tendenzen, werden die bestehenden lokalen Kooperationen (Vereine, Fanprojekte, Jugend-, Sozialarbeit und Sicherheits- und Ordnungsbehörden) als ausreichend erachtet? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 2. April 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In Erfurt werden derzeit 80 Personen der Erfurter Hooliganszene zugerechnet. Diese unterteilt sich in ver schiedene Gruppierungen. Insbesondere die Gruppierungen "Kategorie Erfurt (KEF)" mit ca. 20 Mitgliedern und "Jungsturm" mit ca. 15 Mitgliedern treten bei Fußballspielen des FC RotWeiß Erfurt, aber auch bei "Ri sikospielen" von Vereinen befreundeter Hooligan bzw. Problemfangruppierungen in Erscheinung. Beide Gruppierungen werden als tendenziell "rechtsoffen" eingeschätzt. K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Walk (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/464 Unter der Anhängerschaft des FC Carl Zeiss Jena befinden sich nach polizeilicher Einschätzung etwa 70 HooIigans, wobei etwa zehn Personen dem "rechten" und etwa 15 Personen dem "linken" Spektrum zuge ordnet werden. Im Umfeld des FSV Wacker Nordhausen werden bis zu 15 Personen als Hooligans eingestuft. Fünf bis zehn Personen zeigen politisch "rechte Tendenzen". Nach Erhebungen aus den Vorjahren waren bis zu etwa zehn Prozent der in Thüringen bekannten Hooli gans zugleich aus rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt geworden. Zu 2.: Die gewaltbereite Hooliganszene in Thüringen ist bisher überwiegend unpolitisch und lässt sich von Rechts extremisten kaum anlassbezogen rekrutieren. Derzeit liegen keine Hinweise auf eine planmäßige Koope ration oder gezielte Einflussnahme organisierter Rechtsextremisten auf die hiesige Hooliganszene vor. Ge waltbereite Fußballfans, insbesondere Hooligans, stellen aufgrund ihres Gewaltpotentials grundsätzlich hohe Anforderungen an die Sicherheitsbehörden. In Thüringen kam es in der Vergangenheit nur vereinzelt zu geplanten Aktionen und Ausschreitungen: Hooligans aus Erfurt überfielen im Juli 2008 Jugendliche an der Krämerbrücke und griffen beim Thüringer Pokalfinale im Jahr 2009 Fangruppierungen aus Jena an. Nach dem Spiel des FC Carl Zeiss Jena gegen den 1. FC Saarbücken am 11. August 2010 beschädigten Jenaer Hooligans einen Fanbus der Gastmannschaft. Neben Sachschäden waren auch Personenschäden zu verzeichnen. Wiederum nach einem Heimspiel des FC Carl Zeiss Jena kam es zwischen Jenaer Fan gruppierungen nach verbalen Provokationen zu körperlichen Auseinandersetzungen. Überdies wurden bei einigen sportlichen Veranstaltungen, insbesondere bei Fußballspielen, vereinzelt rechtsextremistische Parolen bzw. das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen festgestellt. Zu 3.: Für den 15. März 2015 plante der Verein "GemeinsamStarkDeutschland e.V." in der Erfurter Innenstadt einen Aufzug mit einer Auftakt-, Zwischen- und Abschlusskundgebung in der Zeit von 14.00 bis 20.00 Uhr unter dem Motto "Gemeinsam gegen Salafisten" mit etwa 1.000 Teilnehmern aus dem gesamten Bundes gebiet. Als Anmelder fungierte der Vereinsvorsitzende. Die Veranstalter hatten im Rahmen eines ersten Ko operationsgesprächs neben Redebeiträgen auch den Auftritt der bundesweit bekannten und rechtsextre mistisch bewerteten Musikband "Kategorie C - Hungrige Wölfe" angekündigt. Zur Teilnahme war über die Internetseite des Vereins sowie über ein eigenes FacebookEvent mobilisiert worden. Am 8. März 2015 sagten die Veranstalter diese Demonstration ab, kündigten gleichzeitig eine Neuanmel dung an. Am 12. März 2015 meldete der Verein "GemeinsamStark Deutschland e.V." unter dem Motto "Hand in Hand, für unsere Kinder und unser Land!" erneut eine Demonstration in Erfurt an. Diese soll am 2. Mai 2015 mit etwa 600 Teilnehmern auf dem Domplatz stattfinden. Für den 15. März 2015 hatten zahlreiche demokratische Organisationen und Gruppierungen demonstrative Gegenaktionen, zu denen bis zu 2.000 Gegendemonstranten erwartet wurden, geplant. Zur Teilnahme hat ten auch autonome AntifaGruppen aus Thüringen über entsprechende Internetaufrufe mobilisiert. Aufgrund der Absage der Veranstaltung des "GemeinsamStark Deutschland e.V." fanden keine Gegenaktivitäten statt. Zu 4.: Die Landesregierung misst der Stärkung des Sports in Thüringen gegen ein Eindringen von Fremdenfeind lichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus sowie der Abwehr von Gewalttätigkeiten bei Sportveranstal tungen eine hohe Bedeutung bei. Hierbei werden Fanprojekte unter anderem in die präventive Sicherheits arbeit einbezogen. 3 Drucksache 6/464Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Aufgabe der Fanprojekte ist es nicht nur durch vorbeugende Angebote, Einzelfallhilfen und soziale Grup penarbeit generell zur Verringerung von Gewalt und Ausländerfeindlichkeit im Zusammenhang mit Fußball spielen beizutragen, sondern überhaupt erst die Fans vor einem Abgleiten in gewaltbereite Spektren, wie die Hooliganszene und Neonaziszene, zu bewahren. In Thüringen arbeiten an den Standorten Jena und Erfurt Fanprojekte auf der Grundlage des "Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit" (NKSS). Sie stellen durch zielorientierte Netzwerkarbeit und Kooperation sowohl für die Vereine als auch für die Arbeit der Polizei und Ordnungsbehörden ein wichtiges Bindeglied im Bereich der Kommunikation mit den Fans dar. Es erfolgt an beiden Standorten regelmäßig die Kooperation der Netzwerkpartner in den örtlichen Ausschüs sen "Sport und Sicherheit" mit den Beiräten der Fanprojekte. In den Ausschüssen und Beiräten arbeiten die von den Fußballveranstaltungen tangierten Partner, wie die Vereine, Verbände, Sicherheitsbehörden, Fan projekten, Fangruppierungen sowie die Kommunen mit den Sozial und Jugendämtern und Verkehrsbe trieben, zusammen. Anlassunabhängig werden zweimal jährlich die Situation vor Ort analysiert und Stand punkte ausgetauscht. Durch diese Maßnahmen sowie durch eine klare Distanzierung von gewalttätigen, rassistischen und aus länderfeindlichen Aktionen wirken die beiden Fanprojekte als wichtiger Bestandteil präventiver Jugend und Sozialarbeit im Umfeld des Fußballs und werden grundsätzlich als positiv bewertet; nichtsdestotrotz ist es erforderlich eine beständige Fortentwicklung der Zusammenarbeit vorzunehmen, um erfolgreiche Gewalt prävention zu gewährleisten. Dr. Poppenhäger Minister