26.10.2017 Drucksache 6/4693Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 8. November 2017 Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse bei Reichsbürgern und Selbstverwaltern in Thüringen Die Kleine Anfrage 2404 vom 21. Juli 2017 hat folgenden Wortlaut: Im Beschluss zu TOP 5 der 206. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) bekräftigen die Innenminister der Länder und des Bundes die Notwendigkeit, dass die zuständigen Behörden das geltende Recht konsequent auf "Reichsbürger und Selbstverwalter" anwenden. Dies bedeute - bei Vorliegen entsprechender Erkenntnisse über eine Person und nach Durchführung der erforderlichen Einzelfallprüfung - insbesondere die Versagung beziehungsweise den Entzug waffenrechtlicher Erlaubnisse. Die IMK ist der Auffassung, dass Personen dieser Szene grundsätzlich nicht die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Waffengesetz besitzen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele waffenrechtliche Erlaubnisse wurden aufgrund von Erkenntnissen, die eine Antragstellerin/einen Antragsteller der oben genannten Szene zuordnen, seit dem Jahr 2015 versagt (bitte nach Landkreisen /kreisfreien Städten gliedern)? 2. Wie viele waffenrechtliche Erlaubnisse wurden aufgrund von Erkenntnissen, die eine Inhaberin/einen Inhaber der oben genannten Szene zuordnen, seit dem Jahr 2015 entzogen (bitte nach Landkreisen/ kreisfreien Städten gliedern)? 3. Wie bewertet die Landesregierung diese Entwicklungen? 4. In wie vielen Fällen legten die Betroffenen Widerspruch gegen den Entzug oder die Versagung der waffenrechtlichen Erlaubnis ein und wie wurden die Widersprüche jeweils beschieden? 5. In wie vielen Fällen klagten die Betroffenen und mit welchen Entscheidungen endeten jeweils die Verfahren ? 6. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass das geltende Waffenrecht bei "Reichsbürgern und Selbstverwaltern " in Thüringen konsequent angewendet wird? 7. Falls ja, wie begründet sie ihre Ansicht? 8. Falls nein, wie begründet sie ihre Ansicht und welche Maßnahmen leitet die Landesregierung kurz- und langfristig ein, um eine konsequente Anwendung künftig sicherzustellen? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Walk (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4693 Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 25. Oktober 2017 wie folgt beantwortet: Vorbemerkungen: Nicht zuletzt der tödliche Angriff eines sogenannten Reichsbürgers gegen einen Polizisten in Bayern im Herbst vergangenen Jahres zeigt, wie gefährlich auch der legale Waffenbesitz in den Händen von Extremisten beziehungsweise waffenrechtlich unzuverlässigen Personen sein kann. Um Sicherheitslücken im Erlaubnisverfahren zu schließen, hatte Thüringen gemeinsam mit Hessen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften die Forderung hinsichtlich der Einführung einer Regelanfrage der zuständigen Waffenbehörden bei den Verfassungsschutzbehörden im Rahmen der Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit gemäß § 5 Waffengesetz erneuert. Um den Waffenbesitz von Personen aus dem extremistischen Spektrum noch besser kontrollieren und auch bereits vor Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis möglichst ausschließen zu können, ist nach Auffassung der Landesregierung eine waffenbehördliche Regelabfrage bei der jeweils zuständigen Verfassungsschutzbehörde erforderlich. Der Bundesrat ist in seiner 954. Sitzung am 10. März 2017 den entsprechenden Empfehlungen des Bundesrats -Innenausschusses gefolgt und hat entsprechend zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften (Bundestagsdrucksache 18/11239, vom 20. Februar 2017) Stellung genommen. Die Bundesregierung teilt zwar das Anliegen der Länder, die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes stärker in die waffenrechtliche Zuverlässigkeitsprüfung einfließen zu lassen. Sie lehnt derzeit die Einführung einer Regelabfrage beim Verfassungsschutz im Waffengesetz jedoch ab. Jedoch wird ab dem 1. September 2019 der Informationsfluss zwischen den Waffenbehörden und den Sicherheitsbehörden verbessert. Mit den zu diesem Zeitpunkt in Kraft tretenden Änderungen des Gesetzes zur Errichtung eines Nationalen Waffenregisters werden auch (Erst-)Anträge auf Erteilung waffenrechtlicher Erlaubnisse und entsprechende Versagungen im Nationalen Waffenregister gespeichert werden können. Die Landesregierung wird aber auch zukünftig an der oben genannten Forderung festhalten und zur gegebenen Zeit entsprechende Initiativen ergreifen, dass der Bundesgesetzgeber alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpft, damit Personen aus dem extremistischen Spektrum von vornherein auch nicht legal in den Besitz einer Waffe kommen können. Hierzu gehört die Einführung einer entsprechenden Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden. Zu 1.: Behörde Versagung von waffenrechtlichen Erlaubnissen seit 2015 ABG 1 EIC 0 GTH 1 GRZ 0 HBN 0 IK 0 KYF 3 NDH 0 SHK 0 SOK 0 SLF 1 SM 0 SON 0 SÖM 0 UH 0 WAK 1 3 Drucksache 6/4693Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Behörde Versagung von waffenrechtlichen Erlaubnissen seit 2015 AP 0 EF 0 G 0 J 0 SHL 0 WE 0 gesamt: 7 Zu 2.: Behörde Entzug von waffenrechtlichen Erlaubnissen seit 2015 ABG 1 EIC 0 GTH 1 GRZ 0 HBN 1 IK 1 KYF 0 NDH 0 SHK 0 SOK 3 SLF 0 SM 0 SON 0 SÖM 0 UH 0 WAK 1 AP 0 EF 0 G 0 J 0 SHL 0 WE 0 gesamt: 8 Zu 3.: Hinsichtlich der Erteilung und der Entziehung waffenrechtlicher Erlaubnisse findet im Rahmen der geltenden Übermittlungsbestimmungen ein stetiger Austausch der zuständigen Waffenbehörden mit dem Amt für Verfassungsschutz einerseits sowie zwischen Staatsangehörigkeits-, Melde-, Pass-, und Ausweisbehörden und dem Amt für Verfassungsschutz andererseits statt. In den Fällen, in denen den Waffenbehörden gerichtsverwertbare Tatsachen vorliegen, die eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeitsvermutung rechtfertigen, ergreifen die Waffenbehörden die notwendigen Maßnahmen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 3a Waffengesetz. Eine eindeutige Zuordnung eines Waffenbesitzers beziehungsweise eines Antragstellers zur sogenannten Reichsbürgerszene stellt sich für die Waffenbehörden mitunter schwierig dar. Die Unzuverlässigkeitskriterien in § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a bis c Waffengesetz knüpfen nicht an ein bestimmtes, strafwürdiges und abgeurteiltes, sondern an ein zukünftiges Verhalten an. Das Waffengesetz verlangt, dass der Inhaber einer Schusswaffe damit verantwortungsbewusst und unter Berücksichtigung 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4693 von Leben und Gesundheit seiner Mitmenschen umgeht und die Waffen nur benutzt, wenn die Rechtsordnung dies gestattet. Ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür vorliegt, dass der Waffeninhaber die Schusswaffe missbräuchlich verwenden wird, ist aufgrund einer prognostizierenden Bewertung der Tatsachen festzustellen. Mit den am 6. Juli 2017 in Kraft getretenen Änderungen des Waffengesetzes (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 a WaffG) ist zusätzlich eine Absenkung der Anforderungen an die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen erfolgt. Anhaltspunkte, die im Verdachtsgehalt vage bleiben und nicht auf Tatsachen beruhen, reichen jedoch auch weiterhin als Grundlage für eine Antragsablehnung oder ein Widerrufsverfahren nicht aus. Daher müssen in den durchzuführenden Ablehnungs- und Widerrufsverfahren zunächst entsprechende Tatsachenfeststellungen getroffen werden. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. Zu 4.: In zehn Fällen legten die Betroffenen gegen den Entzug oder die Versagung der waffenrechtlichen Erlaubnisse Widerspruch ein. Soweit das Thüringer Landesverwaltungsamt über die Widersprüche bereits entschieden hat, wurden diese zurückgewiesen. Zu 5.: In vier Fällen klagten die Betroffenen gegen die getroffenen waffenrechtlichen Entscheidungen. In zwei Fällen wurde den Klagen im September 2015 stattgegeben. Die Widerrufsbescheide wurden aufgehoben. Ein weiteres Klageverfahren wurde im September 2015 eingestellt, nachdem der Kläger seine Klage wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückgenommen hatte. Zu 6.: Ja Zu 7.: Im Zusammenhang mit dem Waffenbesitz von Personen, die dem Phänomenbereich "Reichsbürger" zuzurechnen sind, hat das damalige Thüringer Innenministerium bereits mit Erlass vom 8. September 2011 das Thüringer Landesverwaltungsamt darauf hingewiesen, dass eine Person, die sich offen dazu bekennt, die Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtsordnung als "nicht existent" zu bezeichnen, nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitzt. Bei entsprechenden Tatsachenfeststellungen sind die waffenrechtlichen Erlaubnisse zu widerrufen. Nach den Ereignissen am 19. Oktober 2016 im Zusammenhang mit einem sogenannten "Reichsbürger" in Bayern hat das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales die seit den Jahren 2011 und 2012 bestehende Erlasslage hinsichtlich des waffenrechtlichen Umgangs mit Personen, die dem Phänomenbereich "Reichsbürger" zuzuordnen sind, fortgeschrieben. Dadurch wird insbesondere sichergestellt, dass das Amt für Verfassungsschutz den Waffenbehörden die notwendigen Informationen zu Personen übermittelt, die dem Phänomenbereich "Reichsbürger" zugeordnet werden. Am 17. Mai 2017 hat das Thüringer Landesverwaltungsamt mit allen Thüringer Waffenbehörden eine Dienstberatung zu dieser Thematik durchgeführt, auf der das Amt für Verfassungsschutz den Waffenbehörden u. a. praktische Hinweise zum Informationsaustausch gegeben hat. Die Dienstberatung, an der auch Vertreter der Fachabteilung des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales teilnahmen, ergab, dass sich die Waffenbehörden der Problematik intensiv stellen und die erforderlichen waffenrechtlichen Maßnahmen ergreifen. Dazu zählen neben dem Entzug beziehungsweise der Versagung waffenrechtlicher Erlaubnisse zum Beispiel unangekündigte Kontrollen der sicheren Aufbewahrung von Waffen und Munition gemäß § 36 Abs. 3 WaffG. Es ist beabsichtigt, im Laufe des Herbstes eine weitere Dienstberatung zu dieser Thematik durchzuführen. Zu 8.: Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. Maier Minister Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse bei Reichsbürgern und Selbstverwaltern in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkungen: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: