10.11.2017 Drucksache 6/4736Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 21. November 2017 Rettungsdiensteinsätze bei schweren Verkehrsunfällen in Großbreitenbach und Neustadt Die Kleine Anfrage 2535 vom 12. September 2017 hat folgenden Wortlaut: Am 5. August 2017 gegen 19.37 Uhr befuhr ein 30-jähriger Fahrer in einem PKW Renault die Ilmenauer Straße in der Ortslage Großbreitenbach aus Richtung Stadtzentrum in Richtung "Hohe Tanne". Im Fahrzeug befanden sich die 20-jährige Beifahrerin und ein 15-jähriger Mitfahrer auf dem Rücksitz. In Höhe des REWE-Markts bemerkte er zu spät, dass ein vorausfahrendes Fahrzeug hielt, um abzubiegen. Beim Ausweichen auf die Gegenfahrbahn kollidierte er mit einem entgegenkommenden PKW. Alle drei Insassen des PKW Renault wurden schwer verletzt. Die Frau und der 15-jährige Mitfahrer wurden mit Rettungshubschraubern in umliegende Kliniken verbracht. Die beiden Insassen im PKW Audi erlitten leichte Verletzungen. Nach Information der im Einsatz befindlichen Feuerwehr war nur der im oberen Kreisgebiet befindliche Rettungswagen schnell am Einsatzort. Notärzte waren nicht verfügbar. Dies hatte zur Folge, dass erst nach 45 Minuten eine notärztliche Absicherung durch einen Rettungshubschrauber erfolgen konnte. Ein weiterer Verkehrsunfall ereignete sich wohl am 25. August 2017 von Neustadt am Rennsteig in Richtung Dreiherrenstein, bei dem ein PKW mit einem Baum kollidierte. Nach Informationen der im Einsatz befindlichen Feuerwehrkräfte traf zwar ein Rettungswagen ein, doch ein Notarzt kam überhaupt nicht zum Unfallort. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie gestaltete sich die Absicherung des schweren Unfallereignisses in Großbreitenbach durch medizinische Rettungskräfte nach Kenntnis der Landesregierung? 2. Trat erst nach 45 Minuten ein Notarzt am Unfallort ein? Wenn ja, weshalb? 3. Wie gestaltete sich die Absicherung des schweren Unfallereignisses von Neustadt in Richtung Dreiherrenstein durch medizinische Rettungskräfte nach Kenntnis der Landesregierung? 4. War ein Notarzt am Unfallort? Wenn nein, weshalb nicht? 5. Wurden bei den benannten Einsatzlagen die Hilfsfristen eingehalten? Wenn nein, weshalb nicht? 6. Wie viele Einsätze wurden durch die Zentrale Leitstelle im Ilm-Kreis an den Rettungsdienst in den Jahren 2015 bis 2017 vermittelt (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Bühl (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4736 7. In wie vielen Fällen wurde die gesetzlich vorgeschriebene Hilfsfrist im Ilm-Kreis in den Jahren 2015 bis 2017 nicht eingehalten (bitte nach Jahren aufschlüsseln)? 8. Was sind die Gründe bei etwaigem Nichteinhalten der gesetzlich vorgeschriebenen Hilfsfrist im Ilm-Kreis? 9. Wie viele medizinische Rettungskräfte und Notärzte sowie dafür vorgesehene Fahrzeuge sind wo im Ilm-Kreis stationiert und verfügbar? Erachtet die Landesregierung diese Zahl für ausreichend? Wenn ja, weshalb? Wenn nein, weshalb nicht? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 9. November 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach Auswertung der Daten des Einsatzleitsystems der Zentralen Leitstelle des Ilm-Kreises können folgende Informationen mitgeteilt werden: Mit Einsatzbeginn um 19:35 Uhr war das erste medizinische Rettungsmittel (ein Rettungstransportwagen - RTW) nach seiner Alarmierung um 19:35 Uhr, innerhalb von drei Minuten und 25 Sekunden an der Einsatzstelle und erfüllte somit die gesetzlich vorgesehene Hilfsfrist. Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Großbreitenbach waren ebenfalls bereits an der Einsatzstelle und teilten während der Anfahrt des ersten RTW den Bedarf eines zweiten RTW der Zentralen Leitstelle mit. Nach erster medizinischer Lageeinschätzung wurde um 19:41 Uhr durch den ersten RTW ein Notarzt bei der Zentralen Leitstelle nachgefordert. 19:54 Uhr traf der zweite RTW und 20:39 Uhr der dritte RTW ein. Zu 2.: Nein, der erste Notarzt traf mit dem um 19:47 Uhr alarmierten Intensivtransporthubschrauber (ITH) aus Bad Berka nach Datenlage des Einsatzleitsystems der Zentralen Leitstelle des Ilm-Kreises, um 20:10 Uhr an der Einsatzstelle ein. Sofern der Einsatzbeginn für den Rettungsdienst um 19:35 Uhr zugrunde gelegt wird, traf der erste Notarzt also 35 Minuten später an der Einsatzstelle ein. Der zweite Notarzt traf mit dem um 20:10 Uhr alarmierten Rettungstransporthubschrauber (RTH) aus Fulda um 20:39 Uhr 1 Stunde und 4 Minuten später nach Einsatzbeginn um 19:35 Uhr an der Einsatzstelle ein. Um 20:19 Uhr wurde von den Rettungskräften an der Einsatzstelle mitgeteilt, dass kein weiterer Notarzt benötigt wird. Zu 3.: Nach Alarmierung des RTW Großbreitenbach um 17:53 Uhr, traf dieser 10 Minuten und 53 Sekunden später am Einsatzort an. Insofern wurde auch hier die gesetzlich vorgesehene Hilfsfrist eingehalten. Zu 4.: Nein, es kam kein Notarzt zum Einsatz. Nach Stellungnahme des Ilm-Kreises konnte zu diesem Zeitpunkt kein Notarzt zu diesem Einsatz disponiert werden. Die bodengebundenen Notärzte aus Ilmenau, Suhl und Neuhaus waren nicht verfügbar. Anfragen bei dem RTH Suhl und dem ITH Bad Berka ergaben, dass diese gebunden seien. Der Zentralen Leitstelle des Ilm-Kreises wurde 18:12 Uhr durch den RTW mitgeteilt, dass kein Notarzt benötigt wird. Zu 5.: Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu 6.: Für die Jahre 2015 bis 2017 wurden folgende Einsätze durch die Zentrale Leitstelle des Ilm-Kreises an den Rettungsdienst vermittelt: im Jahr 2015: 20.822 Einsätze im Jahr 2016: 21.590 Einsätze im Jahr 2017: 13.108 Einsätze (bis 31. Juli 2017) Zu 7.: Für die Jahre 2015 bis 2017 wurden die gesetzlich vorgesehenen Hilfsfristen in folgenden Einsatzfällen nicht eingehalten: 3 Drucksache 6/4736Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode im Jahr 2015: 604 Einsatzfälle im Jahr 2016: 924 Einsatzfälle im Jahr 2017: 440 Einsatzfälle (bis 31. Juli 2017) Zu 8.: Für das Jahr 2015 wurden durch den Aufgabenträger Landkreis Ilm-Kreis folgende Ursachen für eine Hilfsfristüberschreitung identifiziert: Ursachen für die Nichteinhaltung der Hilfsfrist waren überwiegend ein Ansteigen der Einsatzzahlen, die Notwendigkeit der Umlenkung des RTW bzw. gebietsübergreifende Einsätze infolge einer Bindung des zuständigen RTW. Weiterhin führte ein erhöhter Zeitaufwand für die Fahrzeugdisposition durch Verständigungsprobleme mit sprachlichem beziehungsweise technischem Hintergrund zu einer Überschreitung. Als weitere Ursachen für eine Überschreitung kommen auch witterungs- und verkehrsbedingte Ausnahmesituationen (zum Bespiel ungünstiger Straßenzustand von Gräfenroda nach Gehlberg, Baustelle in Verbindung mit Vollsperrung zwischen Gräfenroda und Einsatzort Liebenstein) beziehungsweise eine besondere topographische Lage (Einsätze ab Rettungswache Großbreitenbach) in Frage. Außerdem führen die Abwesenheit des Rettungsmittels vom Standort zum Alarmierungszeitpunkt und die damit verbundene zeitintensivere Anforderung eines angrenzenden Fremdrettungsmittels sowie Ereignisduplizitäten in Monaten mit stark nach oben abweichenden Einsatzzahlen (zum Bespiel Februar) zu einer Nichteinhaltung der Hilfsfrist. Für das Jahr 2016 wurden durch den Aufgabenträger Landkreis Ilm-Kreis folgende Ursachen für eine Hilfsfristüberschreitung identifiziert: In der Sitzung des Rettungsdienstbereichsbeirates (RDBB) des Ilm-Kreises am 7. März 2017 bildete das Thema "Hilfsfristeinhaltung 2016 im Rettungsdienstbereich Ilm-Kreis, Vergleich zu den Vorjahren, Schlussfolgerungen " einen entscheidenden Tagesordnungspunkt. Hierbei wurde zunächst die allgemeine Feststellung eines beträchtlichen Anstieges der Anzahl der rettungsdienstlichen Einsätze im Ilm-Kreis gegenüber dem vorangegangenen Auswertungszeitraum 2015 getroffen. Gleichzeitig ist im verstärkten Umfang der Einsatz von RTW für KTW-Fahrten (Krankentransportwagen) erforderlich, so dass der betreffende RTW im Notfall nicht sofort verfügbar ist. Auch im Jahr 2016 sind Kommunikations- beziehungsweise Sprachprobleme bei der Notrufabwicklung oder die Notwendigkeit der Umlenkung des Rettungsmittels bei bereichsübergreifenden Einsätzen als Ursachen für eine Hilfsfristüberschreitung zu benennen. Allgemein wird der Anstieg der Einsatzzahlen und Nachfolgeeinsätze bei Start des Rettungsmittels von einem nicht mit dem Rettungswachenstandort identischem Ort, ungünstige Witterungs- und Verkehrsbedingungen beziehungsweise topographische Lagen sowie die Nichtverfügbarkeit des erforderlichen Rettungsmittels zum Zeitpunkt des Einganges eines Notrufes für die Überschreitung der Hilfsfrist verantwortlich gemacht. Bis zum 31. Juli 2017 wurden durch den Aufgabenträger Landkreis Ilm-Kreis folgende Ursachen für eine Hilfsfristüberschreitung identifiziert: Als eine der Ursachen wird die kontinuierliche Steigerung der Einsatzzahlen im Rettungsdienst (Notarzteinsatzfahrzeug - NEF, RTW, Krankentransportwagen - KTW) in den zurückliegenden Jahren aufgeführt. Darüber hinaus scheinen die starken Schwankungen der täglichen Einsatzzahlen eine notwendige Bedarfsplanung zu erschweren. Einsatztaktisch sind an Tagen mit hohen Einsatzzahlen die Rettungsmittel gebietsübergreifend im Einsatz, sodass aufgrund der dadurch verlängerten Fahrzeiten gegebenenfalls Hilfsfristüberschreitungen verursacht werden. Gleichzeitig können Langzeitbaustellen mit Vollsperrungen und Umleitungen (Stand: 11. August 2017 im Ilm-Kreis: 13 Vollsperrungen, sieben halbseitige Sperrungen) eine Fahrzeitüberschreitung bedingen. Aufgrund eines erhöhten KTW-Bedarfs werden RTW auch im Krankentransport eingesetzt und stehen so nicht der Notfallrettung, ihrer originären Aufgabe, nicht zur Verfügung. Um dieser Situation Abhilfe zu verschaffen, wird durch den Ilm-Kreis als zuständigen Aufgabenträgern die KTW-Vorhaltung ab dem 1. November 2017 erhöht. Hierzu wurde das Einvernehmen mit den Kostenträgern (Träger der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherungen) hergestellt. Zu 9.: Laut Rettungsdienstbereichsplan des Ilm-Kreises ergibt sich folgende Übersicht der Rettungswachen und Rettungsmittelvorhaltung: 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4736 Rettungswache Standort Rettungsmittel Arnstadt Bierweg 1 NEF (24h) Goethestraße 2 RTW (24h) 1 RTW (Mo. - So. 06:00 - 18:00Uhr) 1 KTW (Mo. - Fr. 8h, nicht an Wochenfeiertagen) 1 KTW (Mo. - Fr. 16h, an Wochenfeiertagen 8h) Gräfenroda Clara-Zetkin-Str. 1 RTW (24h) Stadtilm Weimarische Str. 1 RTW (24h) Ilmenau Oehrenstöcker Str. 1 NEF (24h) 2 RTW (24h) 2 KTW (Mo. - Fr. 8h, nicht an Wochenfeiertagen) Stützerbach 1 RTW (Mo. - So. 07:00 - 19:00Uhr) Großbreitenbach Schulstr. 1 RTW (24h) Anzumerken sind flexible Vorhaltezeiten für die KTW, die dem tatsächlichen Tagesbedarf mit variablen Startund Endzeiten angepasst werden. Die Rettungsmittel werden laut Rettungsdienstbereichsplan des Aufgabenträgers wie folgt besetzt: NEF: 1 Rettungsassistent, 1 Notarzt RTW: 1 Rettungssanitäter, 1 Rettungsassistent beziehungsweise 1 Notfallsanitäter KTW: 2 Rettungssanitäter Grundsätzliches Ziel muss die Einhaltung der Hilfsfristen nach Ziffer 3.2 des LRDP in mindestens 95 Prozent der Einsätze sein. Sofern vermeidbare Ursachen für eine Hilfsfristüberschreitung identifiziert wurden, sind diese umgehend abzustellen. Dies kann neben baulichen und technischen Verbesserungen auch die Anpassung entsprechender Rettungsmittelvorhaltungen notwendig machen. Hierüber ist entsprechendes Einvernehmen mit den Kostenträgern des Rettungsdienstes (Träger der gesetzlichen Kranken- und Unfallversicherungen) herzustellen um den bodengebundenen Rettungsdienst einschließlich der notärztlichen Versorgung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Thüringer Rettungsdienstgesetz (ThürRettG) bedarfsgerecht und flächendeckend sicherzustellen. Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales und das rechtsaufsichtsführende Thüringer Landesverwaltungsamt stehen als Ansprechpartner für die betroffenen Aufgabenträger jederzeit zur Verfügung, um gemeinsam mit allen Beteiligten Lösungen zu erarbeiten und deren Umsetzungen auf Wunsch zu begleiten. Maier Minister Rettungsdiensteinsätze bei schweren Verkehrsunfällen in Großbreitenbach und Neustadt Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: