09.04.2015 Drucksache 6/474Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 20. April 2015 Ausbaustand der Erneuerbaren Energien in Thüringen Die Kleine Anfrage 160 vom 13. Februar 2015 hat folgenden Wortlaut: Thüringen ist schon heute Vorreiter bei der Energiewende. Der Freistaat braucht auch künftig eine Energiewende mit Augenmaß und unter Beteiligung der Bürger. Die Energiewende darf nicht auf dem Rücken der Thüringer und zu Lasten unserer reichen Natur umgesetzt werden. Thüringen darf kein Großenergiepark werden, sondern soll schöne Heimat bleiben - für unsere Bürger und Gäste. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung den erreichten Ausbaustand bei den Erneuerbaren Energien in Thüringen ? 2. Wie viele Erzeugungskapazitäten aus Erneuerbaren Energien standen zum 31. Dezember 2014 in Thüringen zur Verfügung? 3. Welche Schwerpunkte sollen beim weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien in Thüringen gesetzt werden? 4. Mit welchen Instrumenten bzw. Initiativen will die Landesregierung die Erzeuger von Bioenergie, insbesondere Biogasproduzenten, unterstützen, die für die Versorgungssicherheit besonders wichtig sind? 5. Auf welcher Grundlage und in welchem Umfang soll der im Koalitionsvertrag der Landesregierung geplante Ausbau von Windenergie im Wald erfolgen? 6. Wie begründet die Landesregierung die im Koalitionsvertrag vorgesehene Bevorzugung von Windenergieproduzenten gegenüber anderen Produzenten von Erneuerbaren Energien? Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 8. April 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Bereits der Energie-Monitoringbericht 2013, den man als eine Art Eröffnungsbilanz für den Umbau des Thüringer Energiesystems ansehen kann, stellte fest, dass der bis dahin dokumentierte Ausbaupfad gute Ansätze erkennen lässt und konstatierte zugleich jedoch erhebliche Ausbaubedarfe in allen drei Säulen der Erzeugung erneuerbarer Energien (im Vergleich zu 2011 2,0-fache Stromerzeugung aus Windkraft, 2,7-fa- K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Gruhner (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/474 che Stromerzeugung aus Photovoltaik, 1,3-fache Stromerzeugung aus Biomasse erforderlich), insbesondere auch die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien im Wärmebereich. Die Ziele des aktuellen Koalitionsvertrages, wonach Thüringen bis zum Jahr 2020 einen Anteil von 35 Prozent erneuerbare Energien am Endenergieverbrauch erreicht haben und bis 2040 seinen Eigenenergiebedarf bilanziell durch einen Mix aus 100 Prozent regenerativer Energie selbst decken können soll, sind zweifelsohne ambitioniert und erfordern ein nochmals höheres Schrittmaß. Zugleich sind sie erforderlich, wenn man anerkennt, dass der Freistaat seinen Beitrag zur Erreichung des international anerkannten Ziels, die Klimaerwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen, leisten muss. Zu 2.: Die aktuellsten Zahlen des Thüringer Landesamtes für Statistik (TLS) zu den Erzeugungskapazitäten für erneuerbare Energien in Thüringen beschränken sich aus Erhebungsgründen auf das Jahr 2013. Nach Angaben des TLS standen 2013 folgende Anlagen zur Verfügung: Biotreibstoffe Für das Jahr 2013 wurden in Thüringen sechs aktive Betreiber von Anlagen zur Herstellung von Biotreibstoffen befragt. Die Kapazität der Ölmühlen und Umesterungsanlagen betrug im Jahr 2013 insgesamt 39.700 Tonnen. Stromerzeugung Energieträger Anzahl der Anlagen1) Leistung in MW Wind 714 1.064,73 Laufwasser 198 200,77 Photovoltaik 21.439 954,59 Feste Biomasse 21 82,87 Flüssige Biomasse 28 10,78 Deponiegas 11 4,88 Klärgas 14 k.A. Biogas 285 147,58 biogener Anteil des Abfalls 3 k.A. Erneuerbare Energien insgesamt 22.713 2.491,52 nachrichtlich: Konventionelle Energieträger 732) 2.201,002) Zusätzlich liegen bereits Daten für die Erzeugung von Strom im Jahr 2013 vor. Die Bruttostromerzeugung betrug demnach 8.158.724 MWh, wovon 4.385.450 MWh aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen wurden . Das entspricht einem EE-Anteil von 53,8 Prozent an der Bruttostromerzeugung in Thüringen. Wärmeerzeugung der Heizwerke3), Heizkraftwerke4) und Industriekraftwerke4) Energieträger Anzahl der Anlagen5) Leistung in MW Biomasse 22 441,18 nachrichtlich: Konventionelle Energieträger 108 2.023,18 Ergänzend zu den vorstehenden Angaben des Landesamtes wurden die beim Netzbetreiber 50 Hertz sowie im neuen EEG-Anlagenregister hinterlegten Anlagenstammdaten aller in 2014 aktiven, also Strom einspeisenden Anlagen einer Auswertung unterzogen. 3 Drucksache 6/474Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Der geringere Differenzierungsgrad der Stammdaten-Auflistung sowie die statistische Einschränkung des Landesamtes (mögliche Doppelnennungen) erschweren jedoch die Vergleichbarkeit der Angaben. Die Ergebnisse haben deshalb nur nachrichtlichen Charakter: Anlagenbestand Ende 2014 (insgesamt) installierte Leistung in MW Wind 742 1.166,04 Biomasse 355 244,50 Solar 2.3812 1.034,00 Zu 3.: Die Landesregierung plant bis Ende 2015 eine "Thüringer Energie- und Klimaschutzstrategie 2040" zu verabschieden . Diese wird die drei bekannten Säulen Windenergie, Solarenergie und Biomasse sowie den Bereich Energieeffizienz ansprechen. Neben dem grundsätzlichen Anliegen des zielstrebigen weiteren Ausbaus der Erzeugungskapazitäten für erneuerbare Energien ist davon auszugehen, dass folgende Aspekte aufgegriffen werden: - Unterstützung der Regionalen Planungsgemeinschaften und Bioenergiedörfer, Landkreise und Gemeinden in der Vorbereitung von Energieeffizienzmaßnahmen und von Energiekonzepten - Stärkung der Energieversorgungspotenziale des Freistaats; Anstalten öffentlichen Rechts, wie die Thüringer Fernwasserversorgung oder ThüringenForst sowie Thüringer Landgesellschaft mbH, sollen rentierliche Investitionen, z. B. in Anlagen zur Energieerzeugung, ermöglicht werden. - Vorhaben kleiner und mittlerer Unternehmen zur Verbesserung der Energieeffizienz sollen stärker gefördert werden. - EFRE-Mittel sollen vermehrt in der Erforschung und Erprobung von innovativen Speicherkonzepten und der Entwicklung nachhaltiger Energieprojekte eingesetzt werden. - Es wird ein Bürgerenergieprogramm erarbeitet werden, um die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Kommunen an Energieprojekten zu fördern. - Energiemanagementkonzepte und rentierliche Investitionen in Energieeffizienz und Energieeinsparungen bei Kommunen sollen besser unterstützt werden. - Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien im ländlichen Bereich, insbesondere auch zur Wärmeversorgung , soll ressourcengerecht unter Berücksichtigung des Biomassepotenzials erfolgen. Zu 4.: Biomasseproduktion und -nutzung kann neben einem signifikanten Beitrag zum erneuerbaren Energiemix u. a. wesentliche Beiträge zur Reduzierung von Treibhausgasen leisten, Nährstoff- und Humuskreisläufe schließen und zudem die Wertschöpfung insbesondere im ländlichen Raum steigern. Aus landwirtschaftlicher Sicht sind für einen weiteren standortgerechten Ausbau insbesondere der Biogasproduktion folgende Instrumente und Initiativen zielführend: - Die Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Biogasproduktion durch den Ausbau der Wärmenutzung kann durch gezielte Beratung und investive Förderung von Nahwärme- und Biogasleitungen unterstützt werden. - Angemessene Berücksichtigung der Energiepflanzenproduktion unter Beachtung von Fruchtfolge- und Biodiversitätsaspekten - Der Etablierung vielversprechender alternativer Energiepflanzen wurde mit dem EEG 2014 die wirtschaftliche Grundlage entzogen - eine Initiative zur Wiedereinführung einer Einsatzstoffvergütung für ökologisch vorteilhafte Energiepflanzen soll geprüft und hierbei die Unterstützung weiterer Bundesländer gesucht werden. - Nachhaltige Erschließung der vorhandenen Biomassepotenziale auf Grundlage der Potenzialanalyse der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft 2013, Vorrang hat dabei die weitere Erschließung des Rest- und Nebenproduktpotenzials - Bereitstellung von qualifizierten Beratungsangeboten und Wissensvermittlung, z. B. zu Anbausystemen, Verfahrenstechnik, Effizienzsteigerung 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/474 Zu 5.: Der Koalitionsvertrag benennt als Ziel eine Verdreifachung der Windenergienutzung von derzeit rund 0,3 auf 1 Prozent der Fläche Thüringens und verweist zugleich darauf, dass der Ausbau der Windkraft in Thüringen durch wirksame Instrumente der Flächenausweisung vorangebracht werden soll. Dazu wird die Landesregierung einen Windenergieerlass zur Konkretisierung der Vorgaben des Landesentwicklungsprogramms 2025 für die Lenkung der Windenergie in den Regionalplänen verabschieden. Darin werden auch die Voraussetzungen und ein Rahmen für den Ausbau der Windenergie im Wald beschrieben. Zudem werden die Regionalen Planungsgemeinschaften in geeigneter Weise bei der Ausweisung von Vorranggebieten unterstützt. Dazu wird z. B. auch die jüngst fertiggestellte Studie zur die Ermittlung von Präferenzräumen für die Windenergienutzung in Teilen herangezogen werden, die hinsichtlich des Potenzials der Windenergie im Wald noch ergänzt werden soll. Weiterhin werden den Planungsgemeinschaften für das Verfahren aktualisierte Fachdaten zur Verfügung gestellt. Selbstverständlich beteiligt sich die Landesregierung an Initiativen, Windparks arten- und naturschutzgerechter zu entwickeln. Zudem soll z. B. hinsichtlich des Lärmschutzes jeweils der aktuelle Stand der Technik zur Anwendung kommen. Zu 6.: Es ist darauf hinzuweisen, dass der Koalitionsvertrag ein Vertrag zwischen drei politischen Parteien ist. Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung diesen Vertrag oder Teile davon zu begründen. Unabhängig davon ist die unterstellte Bevorzugung nicht zu erkennen. Die Aussagen im Koalitionsvertrag widerspiegeln die auf den natürlichen Gegebenheiten basierenden und vielfach nachgewiesenen Potentiale im Freistaat und deren Nutzungsmöglichkeiten (siehe auch die Antwort zu Frage 2). In Vertretung Möller Staatssekretär Endnote 1) bei Kraftwerken für Strom- und Wärmeerzeugung können Mehrfachnennungen entstehen 2) Kraftwerke ab 1 MW elektrische Leistung 3) Heizwerke ab 2 MW thermische Leistung 4) Heizkraftwerke/Industriekraftwerke ab 1 MW elektrische Leistung 5) bei Kraftwerken für Strom- und Wärmeerzeugung können Mehrfachnennungen entstehen