17.11.2017 Drucksache 6/4760Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 29. November 2017 Zwangseinweisungen von psychisch Kranken in Thüringen Die Kleine Anfrage 2526 vom 8. September 2017 hat folgenden Wortlaut: Die Behörden in den Landkreisen und kreisfreien Städten stehen täglich vor großen Herausforderungen, insbesondere beim Vollzug des Thüringer Gesetzes zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (ThürPsychKG). Im öffentlichen Gesundheitsdienst in den Landratsämtern ist hierfür der Sozialpsychiatrische Dienst zuständig, in dessen Zuständigkeit insbesondere auch die Anordnung der Unterbringung psychisch kranker Menschen liegt. Im Falle krisenhafter Zuspitzungen mit erheblichen Gefährdungen kann nach § 9 ThürPsychKG eine vorläufige Unterbringung (ohne vorherige gerichtliche Entscheidung) angeordnet werden. Die Anordnungsbefugnis des Sozialpsychiatrischen Dienstes kann in Thüringen ohne gesetzliche Regelung nicht auf Dritte übertragen werden, weshalb ein 24-Stunden-Rufbereitschaftsdienst erforderlich ist. Aufgrund des Ärzte- und Fachkräftemangels in den Gesundheitsämtern gestaltet es sich als äußert schwierig den erforderlichen Rufbereitschaftsdienst ganzjährig aufrecht zu erhalten. In anderen Bundesländern, wie beispielsweise im Freistaat Bayern, können in unaufschiebbaren Fällen der Notarzt oder die Polizei den Betroffenen ohne Anordnung der Kreisverwaltungsbehörde in ein psychiatrisches Fachkrankenhaus oder in eine psychiatrische Fachabteilung eines Krankenhauses zur Unterbringung und Behandlung einweisen. Auch die Thüringer Polizisten sind bei Zwangseinweisungen häufig gefordert. Da der Umgang mit psychisch Kranken weniger berechenbar ist, ist behutsam vorzugehen. Stimmungsschwankungen, eine erschwerte Kommunikation, plötzliche Aggressivität, verringerte Schmerzempfindlichkeit und eine erhöhte Kraftentwicklung der Betroffenen machen solche Einsätze schwierig. In den letzten Jahren scheint deren Anzahl anzusteigen. Ich frage die Landesregierung: 1. Ist eine Änderung des Thüringer Gesetzes zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen sowie der noch aus dem Jahr 2006 stammenden Fachempfehlungen für die Arbeit und Struktur Sozialpsychiatrischer Dienste in Thüringen auf der Grundlage des Thüringer Gesetzes zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen in Arbeit beziehungsweise in absehbarer Zeit geplant? 2. Wenn ja, ist beabsichtigt die Anordnungsbefugnis für die vorläufige Unterbringung auf den Notarzt beziehungsweise die Polizei zu übertragen? 3. Wie schätzt die Landesregierung eine solche Übertragung der Anordnungsbefugnis auf den Notarzt beziehungsweise die Polizei ein? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Meißner (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4760 4. Hat die Landesregierung Einfluss auf die Erhöhung der Planstellen für die Sozialpsychiatrischen Dienste der Gesundheitsämter? 5. Sind durch die Landesregierung Qualifizierungsmaßnahmen für die Sozialpsychiatrischen Dienste der Gesundheitsämter vorgesehen? 6. Wie häufig kam es in den letzten zehn Jahren zu Einsätzen, bei denen Polizisten eine Zwangseinweisung durchführten (bitte aufschlüsseln nach Jahr und Landkreis/kreisfreier Stadt)? 7. Ist der Umgang mit psychisch Kranken Teil der Polizeiausbildung? Wenn ja, a) seit wann ist das Thema Teil der Ausbildung beziehungsweise des Studiums? b) welche theoretischen und praktischen Inhalte werden vermittelt? c) gibt es realitätsnahe Einsatztrainings und/oder Rollenspiele für den Umgang mit psychisch Kranken? 8. Sieht die Landesregierung Handlungsbedarf bezüglich der Aus- und Weiterbildung der Polizisten für den Umgang mit psychisch Kranken? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 17. November 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die Vorlage einer Novelle zum Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (ThürPsychKG) ist noch in dieser Legislaturperiode beabsichtigt. Die Fachempfehlungen für die Arbeit und Struktur Sozialpsychiatrischer Dienste in Thüringen können erst nach Abschluss der Novellierung des Thüringer Gesetzes zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen überarbeitet und an dessen Vorgaben angepasst werden. Zu 2.: Der Abstimmungsprozess im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ist hierzu noch nicht abgeschlossen. Zu 3.: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Zu 4.: Nach § 111 Abs. 1 Satz 2 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) müssen die Landkreise das "fachlich geeignete Personal anstellen, das erforderlich ist, um den geordneten Gang der Geschäfte zu gewährleisten". Dies gilt gemäß § 6 Abs. 3 ThürKO auch für die kreisfreien Städte. Die Fachaufsicht über die Gesundheitsämter , bei denen der Sozialpsychiatrischer Dienst (SpDi) angesiedelt ist, führt das Landesverwaltungsamt. Sollte erkennbar sein, dass die Aufgaben der Gesundheitsämter in Folge eines nicht bedarfsgerechten Personalbestandes nicht vollzogen werden können, ist das Einschreiten der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde geboten. Gemäß § 118 Abs. 2 ThürKO ist Rechtsaufsichtsbehörde für die Landkreise und die kreisfreien Städte das Landesverwaltungsamt. Zu 5.: Derzeit werden durch die Landesregierung keine Qualifizierungsmaßnahmen für den SpDi angeboten. Wie bereits zur Frage 4 ausgeführt, sind die SpDi den Gesundheitsämtern zugeordnet und unterstehen damit der kommunalen Selbstverwaltung der Landkreise und kreisfreien Städte. Weitere Möglichkeiten sind im Abstimmungsprozess im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auszuloten. Zu 6.: Die Polizei nimmt selbst keine Zwangseinweisungen nach dem Thüringer Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen vor. Eine Unterbringung in einem psychiatrischen Fachkrankenhaus oder in einer psychiatrischen Fachabteilung eines Krankenhauses nach §§ 8 und 9 ThürPsychKG erfolgt durch die SpDi. Aus der Anlage ergibt sich die Anzahl der Einsätze der Polizei, die eine Unterbringung durch die SpDi zur Folge hatten. 3 Drucksache 6/4760Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 7. und 8.: Der Umgang mit psychisch kranken Menschen ist seit 2017 Teil der polizeilichen Ausbildung. Im Rahmen der Ausbildung werden folgende theoretische Inhalte vermittelt: - Sensibilisierung für den Umgang mit psychisch kranken Menschen im Rahmen der polizeilichen Intervention , - Adressatengerechte Ermessensausübung insbesondere im Kontext der Vollzugshilfe und der Zwangsanwendung sowie - Umgang mit psychisch kranken Menschen als Tatopfer beziehungsweise als Beschuldigte. Spezifisch auf den Umgang mit psychisch kranken Menschen zugeschnittene Rollenspiele beziehungsweise Einsatztrainings fanden bislang noch nicht statt. Aus Sicht der Bildungseinrichtungen besteht Ausbaubedarf insbesondere auch im Hinblick auf praktische Ausbildungsinhalte. Werner Ministerin Anlage 4 Thüringer Landtag - 6. W ahlperiode D rucksache 6/ 4760 Anlage Einsätze der Polizei mit anschließender Unterbringung nach dem ThürPsychKG durch die Sozialpsychiatrischen Dienste 5 D rucksache 6/4760 Thüringer Landtag - 6. W ahlperiode Zwangseinweisungen von psychisch Kranken in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7. und 8.: Anlage