24.04.2015 Drucksache 6/484Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 5. Mai 2015 Vertragskündigung Stadtmarketingverein Greiz e.V. Die Kleine Anfrage 205 vom 6. März 2015 hat folgenden Wortlaut: Laut verschiedenen Presseveröffentlichungen hat der Vorstand des Stadtmarketingvereins (SMV) Greiz e.V. in der Vorstandssitzung vom 4. Februar 2015 beschlossen, den am 10. November 1998 zwischen der Stadt Greiz und dem SMV geschlossenen Vertrag gemäß § 4 unzeitig zu kündigen (vgl. Ostthüringer Zeitung und Vogtlandspiegel). Der SMV Greiz e.V. war nach eigener Darstellung des Vereinsvorsitzenden und ehemaligen Greizer Bürgermeisters gewerblich tätig und nicht als gemeinnützig anerkannt (vgl. Ostthüringer Zeitung vom 7. Februar 2015). Insofern liegt kein nichtwirtschaftlicher Verein im Sinne des § 21 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vor, sondern ein wirtschaftlicher Verein im Sinne des § 22 BGB. Wirtschaftliche Vereine erlangen Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung, wenn es für die Vereinigung unzumutbar ist, sich in den bundesgesetzlich bereitgestellten Rechtsformen zu organisieren (diesbezügliche Rechtsvorschriften u.a. Aktiengesetz, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaftsgesetz etc.). Im Übrigen ist eine Verleihung der Rechtsfähigkeit nach § 22 BGB durch das Land möglich, in dem der Verein seinen Sitz hat (hier: Thüringen). Die Verleihung der Rechtsfähigkeit unterliegt dem Grundsatz der Subsidiarität. Sie ist somit nur zulässig, wenn es für die Vereinigung wegen besonderer Umstände unzumutbar ist, sich als Aktiengesellschaft , GmbH oder Genossenschaft zu organisieren (PALANDT, Kommentar zu § 22 BGB, RN 1). Ich frage die Landesregierung: 1. Wann wurde seitens der Behörden des Freistaats Thüringen welche Rechtshandlung vorgenommen, um dem SMV Greiz e.V. letztlich Rechtsfähigkeit zu verleihen und welche besonderen Umstände lagen beim SMV Greiz e.V. vor, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb in einer im Wirtschaftsleben üblichen Geschäftsform unzumutbar machten? 2. Welche Auswirkungen hatte dieses Vorgehen (insbesondere unter wettbewerbs- und steuerrechtlichen Aspekten) am regional geprägten Markt? 3. Sofern keine entsprechenden Rechtshandlungen vorgenommen wurden: Wie erlangte der SMV Greiz e.V. Rechtsfähigkeit und wer ist für diese Prüfung örtlich und sachlich zuständig? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Rudy (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/484 4. Sofern der SMV Greiz e.V. zuvor als nichtwirtschaftlicher Verein nach § 21 BGB angemeldet war: Hat der Vorstand die Änderung des Zwecks des Vereins angezeigt, wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht und welche zivil-, straf- und steuerrechtlichen Konsequenzen hat dies aufgrund welcher Rechtsvorschriften für den Vorstand und die Geschäftsleitung? 5. Sofern die Fragen 3 und 4 negativ beantwortet wurden: Welche Maßnahmen haben Thüringer Fachbehörden (z.B. Amtsgericht als Vereinsaufsicht, Finanzamt Altenburg im Rahmen der Erfüllung steuerlicher Pflichten etc.) seit 1998 oder zuvor ergriffen, um einen gesetzeskonformen Zustand herzustellen? Falls keine Maßnahmen ergriffen wurden: Warum unterblieben diese und wer ist dafür verantwortlich? 6. Hat der SMV Greiz e.V. seit 1998 Fördermittel beantragt und erhalten? Wenn ja, von welchen Fördermittelgebern , in welcher Höhe und wurden durch die Fördermittelgeber die rechtlichen Voraussetzungen (u.a. Freistellungsbescheinigung des Finanzamts bezüglich Gemeinnützigkeit) detailliert geprüft (bitte Einzelaufstellung nach Jahren und Fördermittelgeber/-zweck)? 7. Sofern Fördermittel ohne gründliche Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen ausgereicht wurden: Wer ist dafür nach welchen Vorschriften verantwortlich? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 24. April 2015 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Am 14. Mai 1997 ist in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts Greiz unter der Registernummer VR 559 der Verein "Stadtmarketing Greiz" eingetragen worden und hat durch diese Eintragung gemäß § 21 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) die Rechtsfähigkeit erlangt. Vor der Eintragung hat das Amtsgericht Greiz den Zweck des Vereins als "nicht wirtschaftlich" anhand der Vereinssatzung geprüft sowie eine Anfrage an das Landratsamt Greiz gemäß §§ 61, 71 BGB gestellt. Das Landratsamt Greiz hat unter dem 21. April 1997 mitgeteilt, dass keine Bedenken gegen die Eintragung bestehen . In der zum Zwecke der Eintragung vorgelegten Satzung vom 11. März 1997 heißt es (auszugsweise): "§ 2 Zweck und Aufgaben des Vereins 1. Zur Schaffung und Erhaltung einer unverwechselbaren Identität der Stadt Greiz hat der Verein alle notwendigen Aktivitäten für ein erfolgreiches Stadtmarketing zu initiieren, zu fördern und zu koordinieren . 2. Der Verein hat die Aufgabe, nach dem Grundsatz der Freiwilligkeit und unter dem Ausschluss von parteipolitischen, konfessionellen und beruflichen Gesichtspunkten in Zusammenarbeit aller am Wohl der Stadt interessierten Kräfte das Allgemeinwohl, das Image und die Attraktivität der Stadt Greiz zu erhalten und zu stärken. 3. In diesem Sinne wird der Verein aktiv zur Verbesserung des Bekanntheitsgrades und des Erscheinungsbildes der Stadt Greiz in der Öffentlichkeit beitragen. § 3 Gemeinnützigkeit 1. Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke und erstrebt keinen Ge- winn. Mittel des Vereins dürfen nur für satzungsgemäße Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten in ihrer Eigenschaft als Mitglieder keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins. 2. Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. 3. Es darf keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, oder durch unverhält- nismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden." Das Amtsgerichts Greiz hat die Eintragungsvoraussetzungen in Bezug auf den Satzungszweck durch die von dem Verein gemäß § 59 Abs. 2, § 71 Abs. 1 BGB vorzulegenden Unterlagen geprüft. Der Direktor des Amtsgerichts Greiz hat mitgeteilt, dass dem Amtsgericht Greiz keine Umstände bekannt geworden sind, aufgrund derer der zuständige Rechtspfleger Grund zu der Annahme hätte haben müssen, dass der Zweck des einzutragenden Vereins entgegen dem in der Satzung definierten Zweck ein anderer sei und eine andere Einordnung des Vereins im Sinne des § 21 BGB erfordert hätte. 3 Drucksache 6/484Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 2.: Die maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften, insbesondere im Körperschaftsteuergesetz und im Umsatzsteuergesetz , gelten gleichermaßen für rechtsfähige wie für nichtrechtsfähige Vereine sowie für Kapitalgesellschaften und Genossenschaften. Eine andere Rechtsform führt somit nicht grundsätzlich zu einer anderen steuerlichen Beurteilung. Inwieweit die Eintragung des Stadtmarketing Greiz in das Vereinsregister sich auf den Wettbewerb am regional geprägten Markt ausgewirkt hat, ist der Landesregierung nicht bekannt. Zu 3.: Auf die Antwort zu Frage 1 wird Bezug genommen. Für die Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen in das Vereinsregister ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Verein seinen Sitz hat, § 55 BGB, § 374 ff. des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Dies ist hier das Amtsgericht Greiz. Zu 4.: Für das Stadtmarketing Greiz e.V. sind folgende Änderungen des Zwecks des Vereines zur Eintragung in das Vereinsregister angemeldet und eingetragen worden: - Satzungsänderung durch Beschluss vom 24. November 1999, eingetragen am 10. Mai 2000 Es wurden in § 2 Nr. 1 der Vereinssatzung hinter den Worten "Stadt Greiz" die Worte "im Vogtland" eingefügt , so dass § 2 Nr. 1 geändert wie folgt lautet: "1. Zur Schaffung und Erhaltung einer unverwechselbaren Identität der Stadt Greiz im Vogtland hat der Verein alle notwendigen Aktivitäten für ein erfolgreiches Stadtmarketing zu initiieren, zu fördern und zu koordinieren." Weiterhin wurde § 3 (Gemeinnützigkeit) gestrichen. Grund hierfür war laut dem Protokoll der Mitgliederversammlung die "gestiegene Wirtschaftskraft des Vereins". - Satzungsänderung durch Beschluss vom 25. Juni 2008, eingetragen am 1. September 2008 An die unveränderten Nummern 1 bis 3 des § 2 der Vereinssatzung wurden folgende Nummern 4 und 5 angefügt: "4. Der Vereinszweck wird erfüllt durch Organisation und Durchführung von Veranstaltungen. Der Verein gibt Hilfestellung und Unterstützung für die Veranstaltungsdurchführung Dritter. 5. Der Verein ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die dem Gegenstand des Vereins unmittelbar und mittelbar zu dienen geeignet sind oder mit diesem Gegenstand im Zusammenhang stehen. Er ist berechtigt, andere ihm gleichartige, verwandte oder ähnliche Gesellschaften zu gründen , zu erwerben oder sich an solchen zu beteiligen, sofern dadurch die Zwecke des Vereins weder unmittelbar noch mittelbar gefährdet werden." Die angemeldeten Satzungsänderungen sind von dem Amtsgericht Greiz anhand der von dem Verein gemäß § 71 BGB vorzulegenden Unterlagen geprüft worden. Nach § 71 BGB sind mit der Anmeldung einer Satzungsänderung eine Abschrift des die Änderung enthaltenden Beschlusses und der Wortlaut der Satzung beizufügen. Diese Unterlagen haben keine für das Registergericht ersichtlichen Hinweise auf eine wirtschaftliche Tätigkeit des Vereins im Sinne des § 22 BGB enthalten und daher keinen Anlass zu einer geänderten Einordnung des Vereines gegeben. Grundsätzlich führt nicht jede wirtschaftliche Betätigung eines Vereins zu einer Einordnung als wirtschaftlicher Verein im Sinne des § 22 BGB. Dies ist vielmehr nur der Fall, wenn die Vereinstätigkeit auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb wie bei einem Unternehmer gerichtet und nicht lediglich Nebenzweck einer ideellen Zielsetzung ist. Sofern ein Idealverein satzungswidrig einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 22 BGB aufnimmt, kann das zuständige Registergericht von Amts wegen ein Amtslöschungsverfahren einleiten (§ 43 BGB, § 395 FamFG). Die Löschung der Eintragung hat den Verlust der Rechtsfähigkeit zur Folge und kann zur persönlichen Haftung der Mitglieder und der für den Verein handelnden Personen führen (vgl. §§ 43, 54 BGB). 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/484 Zu 5.: Die Überprüfung der Eintragungsvoraussetzungen eines Idealvereins erfolgt durch das zuständige Registergericht . Das Amtsgericht Greiz hat, wie dessen Direktor mitteilte, alle zur Eintragung angemeldeten Satzungsänderungen durch den zuständigen Rechtspfleger nach den gesetzlichen Vorgaben geprüft; laut Aktenlage seien dem Amtsgericht Greiz zu keinem Zeitpunkt Umstände bekannt gewesen, aufgrund derer ein Amtslöschungsverfahren gemäß § 43 BGB, § 395 FamFG einzuleiten gewesen wäre. Die für die Besteuerung zuständigen Finanzämter prüfen nicht, ob eine Eintragung als Idealverein im Vereinsregister zutreffend erfolgt ist. Im Übrigen führt nach den maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften die Rechtsform als rechtsfähiger oder nichtrechtsfähiger Verein nicht grundsätzlich zu einer unterschiedlichen steuerrechtlichen Beurteilung (vgl. Antwort zu Frage 2). Weitergehende Informationen zur steuerlichen Behandlung des Stadtmarketings Greiz e.V. können nicht erteilt werden, da insoweit die Vorschriften über den Schutz des Steuergeheimnisses entgegenstehen (§ 30 Abgabenordnung, Artikel 67 Abs. 3 der Verfassung des Freistaats Thüringen). Zu 6.: Das Stadtmarketing Greiz e.V. hat aus Lottomitteln im Jahr 1999 von dem Justizressort eine Zuwendung in Höhe von 3.000 Deutsche Mark als Zuschuss im Rahmen des "Park- & Schlossfestes" für die anteilige Finanzierung der Übernachtungs- und Verpflegungskosten ausländischer Gäste erhalten. Des Weiteren ist der Verein von der Thüringer Staatskanzlei in den Jahren 2002, 2003 und 2004 für das Projekt "Klassik Nacht" in Greiz bei einem jeweiligen Maßnahmevolumen zwischen 5.000 und 7.000 Euro mit jeweils 2.000 Euro aus Lottomitteln unterstützt worden. Eine nachträgliche Überprüfung der Bewilligungsvoraussetzungen für die vorgenannten Fördermaßnahmen ist nicht mehr möglich, da insoweit Aktenvorgänge wegen Ablaufs der Aufbewahrungsfristen nicht mehr vorhanden sind. Des Weiteren ist der Stadtmarketing Greiz e.V. im Geschäftsbereich des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie seit 1998 insgesamt zehnmal von der Gesellschaft für Arbeitsund Wirtschaftsförderung des Freistaats Thüringen gefördert worden. In fünf weiteren Fällen wurden Förderanträge gestellt, welche nicht bewilligt wurden. Zu den Einzelheiten nehme ich Bezug auf die als Anlage beigefügte tabellarische Übersicht. Zur Prüfung der rechtlichen Fördervoraussetzungen hat das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit , Frauen und Familie darauf hingewiesen, dass die Prüfung in jedem Zuwendungsverfahren anhand der Verwaltungsvorschrift zu § 44 Thüringer Landeshaushaltsordnung erfolgt. Geprüft werde dabei u. a. auch die steuerliche Unbedenklichkeit, während die Gemeinnützigkeit eines Vereins keine Fördervoraussetzung sei. Über etwaige weitere Zuwendungen an das Stadtmarketing Greiz e.V. liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Zu 7.: Anhaltspunkte dafür, dass Fördermittel ohne hinreichende Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen ausgereicht worden sein könnten, liegen der Landesregierung nicht vor. Lauinger Minister