19.12.2017 Drucksache 6/4887Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 8. Januar 2018 Umgang mit Waschbären in Thüringen - Teil II Die Kleine Anfrage 2645 vom 6. November 2017 hat folgenden Wortlaut: Der Waschbär (Procyon lotor) ist ein Vetreter der Familien der Kleinbären und gehört zur Ordnung der Raubtiere . Er stammt ursprünglich aus Nordamerika und ist in Deutschland nicht heimisch. Die in Europa vorkommenden Waschbären gehen auf Tiere zurück, die im letzten Jahrhundert für die Pelzproduktion eingeführt wurden. Die heute wild lebenden Waschbären konnten sich aus den Gehegen befreien oder wurden - wie zwei Waschbärpärchen am 12. April 1934 am hessischen Edersee - ausgesetzt. Mittlerweile gilt der Waschbär als eine der erfolgreichsten Art, die sich abseits ihres ursprünglichen Herkunftsgebiets etablieren konnte, da sie in Europa keine natürli chen Feinde hat und sich Siedlungsgebiete zum Lebensraum machen konnte. Das führt uns heute zu Herausforderungen im Umgang mit dem Tier, der als Störer in unseren Gemeinden wahrge nommen wird. Dort tut er sich beispielsweise an Abfalltonnen und in Gärten gütlich, was zunehmend als Problem betrachtet wird. Ich frage die Landesregierung: 1. Was ist beim Transport und beim Einsperren von Waschbären zu beachten? 2. Unter welchen konkreten Voraussetzungen dürfen Waschbären durch wen und durch die Anwendung welcher Maßnahmen verjagt oder getötet werden? 3. Welche Kosten entstehen bei der Entsorgung toter Waschbären und wie hoch sind diese pro Tier und wer hat sie zu übernehmen? 4. Gibt es seitens der Landesregierung Handlungsanweisungen an die Kommunen für den Umgang mit Waschbären und wenn nicht, wäre es möglich analog zum Umgang mit Wölfen in Thüringen einen entsprechenden Aktionsplan aufzustellen? 5. Wie viel Zeit würde die Erarbeitung eines solchen Aktionsplans in Anspruch nehmen; hat die Landesregierung hierzu bereits konkretere Pläne und welcher Gestalt sind diese? 6. Was empfiehlt die Landesregierung zum Schutz des eigenen Grundstücks vor Waschbären? 7. Unter welchen Voraussetzungen und durch wen dürfen Waschbären ausgewildert werden? 8. Welche straf- oder ordnungsrechtliche Folgen hat eine nicht genehmigte Auswilderung? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Mühlbauer (SPD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4887 Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die einführende Antwort aus der Kleinen Anfrage 2644 (Umgang mit Waschbären in Thüringen - Teil I) bitte ich ergänzend zu beachten. Zu 1.: Invasive gebietsfremde Arten von unionsweiter Bedeutung dürfen grundsätzlich nicht befördert werden, es sei denn, dies geschieht im Zuge einer geplanten Beseitigung oder im Zuge der Managementmaßnahmen nach Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014. Deshalb kann aufgrund der weiten Verbreitung des Waschbären in Deutschland sowie der Unmöglichkeit, diese Art wieder aus der Umwelt zu beseitigen, der Transport von Waschbären genehmigt werden. Voraussetzung ist in jedem Falle, dass bei zeitweise oder dauerhaft in Gewahrsam genommenen Waschbären eine Vermehrung durch Sterilisierung sicher verhindert wird. Zum Transport sind geeignete, ausbruchsichere Käfige zu verwenden, ein Entkommen muss ausgeschlossen werden, denn es stellt eine Ordnungswidrigkeit im Sinne des § 69 Abs. 6 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) dar. Hierzu siehe auch die Antwort auf Frage 8 der Kleinen Anfrage 2644. Es sind zudem die allgemeinen Haltungsregelungen des Natur- und Tierschutzrechts zu beachten. Waschbären müssen so transportiert werden, dass ihnen vermeidbare Schmerzen, Leiden oder Schäden erspart bleiben. Für eine dauerhafte Unterbringung von Waschbären sind die Vorgaben aus dem Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 7. Mai 2014 heranzuziehen. So sind für die Unterbringung eines Waschbärenpaares ein Außengehege mit einer Grundfläche von mindestens 30 Quadratmeter sowie eine Mindesthöhe von drei Meter erforderlich . In Gehegen gehaltene Waschbären dürfen nach Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 seit dem 3. August 2016 nicht mehr gezüchtet werden. Bei gemischtgeschlechtlicher Haltung kommt nur die Sterilisation der Waschbären in Betracht. Die Haltung muss ebenfalls unter Verschluss erfolgen, dass heißt, Gehege müssen gegen ein Entkommen der Tiere gesichert sein. Zu 2.: Der Waschbär unterliegt in Thüringen dem Jagdrecht. Ein nicht durch den Jagdausübungsberechtigten genehmigtes Entnehmen von Exemplaren aus der freien Natur verstößt gegen das ausschließliche Aneignungsrecht des Jagdausübungsberechtigten und erfüllt den Tatbestand der Jagdwilderei nach § 292 Strafgesetzbuch (StGB). Nach den Vorgaben des § 6 des Thüringer Jagdgesetzes (ThJG) können Eigentümer oder Nutznießer von befriedeten Bezirken unter Beachtung des Tierschutzgesetzes (TierSchG) Haarraubwild (unter anderem Waschbären) fangen, töten und sich aneignen. Eines Jagdscheines bedarf es dazu nicht. Ein Wirbeltier töten darf gemäß § 4 TierSchG nur, wer die dazu notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hat. Nach §§ 1 und 4 TierSchG ist zu beachten, dass den Tieren keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt und sie nicht ohne vernünftigen Grund getötet werden dürfen. Zudem darf das Töten eines Tieres nur so erfolgen, dass nicht mehr als unvermeidbare Schmerzen entstehen. Aufgrund der Wehrhaftigkeit des Waschbären ist somit nur die Tötung mittels Kugelschuss im Rahmen der waidgerechten Ausübung der Fallenjagd als tierschutzkonform zu bezeichnen. Das Vergrämen mittels Geräuschen, Duftstoffen oder Elektrozaun ist zu-lässig. Zu 3.: Ganze Körper oder Teile von Wildtieren (wie z. B. Waschbären), bei denen kein Verdacht besteht, dass sie mit einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit infiziert sind, unterfallen nicht dem Tierische Nebenprodukte -Beseitigungsrecht. Dies folgt aus Artikel 2 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 (Verordnung über tierische Nebenprodukte) in der geltenden Fassung. 3 Drucksache 6/4887Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Verendete Wildtiere können grundsätzlich in der Natur verbleiben, sofern sie sich der Jagdausübungsberechtigte nicht aneignet. Sofern der Jagdausübungsberechtigte sich das tote Wildtier aneignet und es nicht an Ort und Stelle bleiben kann, ist der Tierkadaver in der Regel als Abfall nach dem Kreislaufwirtschaftsund Abfallrecht zu entsorgen. Wenn dagegen ein Verdacht einer auf Mensch oder Tier übertragbaren Krankheit besteht (z. B. Staupe), ist das Wildtier Material der Kategorie 1 gemäß Artikel 8 Buchst. a, ii der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 und als solches beseitigungspflichtig nach dem Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsrecht. Beseitigungspflichtiger ist in diesem Fall der Zweckverband Tierkörperbeseitigung Thüringen, der zur Erfüllung seiner Pflicht die SecAnim GmbH in Elxleben beauftragt hat. Die aktuelle Gebührensatzung des Zweckverbandes (veröffentlicht im Amtsblatt für den Zweckverband Tierkörperbeseitigung Thüringen Jahrgang 7, Nr. 2 S. 4 - Gebührensatzung des Zweckverbandes Tierkörperbeseitigung Thüringen vom 13. März 2017) weist für die Beseitigung von einem Waschbären (= Wild < 50 Kilogramm) einen Betrag von 6,03 Euro beziehungsweise von 0,45 Euro pro Kilogramm Gewicht und für die Transport von einzelnen Tierkörpern einen Betrag von 25,08 Euro aus. Wer der Gebührenschuldner ist, ist bei Wild davon abhängig, ob es einen Aneignungsberechtigten (Jagdausübungsberechtigten ) gibt und dieser dieses Recht auch ausübt. Ist Wild herrenlos, verbleiben die Kosten der Entsorgung beim Straßenbaulastträger oder Grundstückseigentümer (je nach Anfall des Wildkörpers). Falls Waschbären an das Landesamt für Verbraucherschutz zur Untersuchung eingesandt werden, trägt das Land die Kosten der Entsorgung, Zu 4.: Seitens der Landesregierung gibt es vorläufige Vollzugshinweise zum Umgang mit dem Waschbären im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 zum Schutz vor invasiven Arten an die unteren Naturschutzbehörden . Ein Managementplan im Sinne von Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 befindet sich in der Abstimmung. Auf die Antwort auf Frage 5 wird verwiesen. Die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG) informiert zum Waschbären darüber hinaus unter anderem auf ihrer Webseite* sowie in der Veröffentlichung Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen , Sonderheft 4/2016 "Invasive gebietsfremde Tiere und Pflanzen in Thüringen - welche Arten bedrohen unsere heimische Natur?". Zu 5.: Der Waschbär ist im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 seit dem 14. Juli 2016 als unionsweit invasive Art gelistet. Als in Deutschland weit verbreitete Art im Sinne des Artikels 19 der Verordnung müssen ein Managementplan für diese Tierart entworfen und im Einzelfall - nach Abwägung von Kosten und Nutzen - konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Die damit zwingend verbundene Öffentlichkeitsbeteiligung fand vom 18. September bis zum 20. November 2017 statt. Eine Auswertung und Implementierung der Stellungnahmen in das Managementblatt erfolgen aktuell. Im ersten Quartal 2018 wird ein Managementplan für den Waschbären vorliegen und dazu eine Information der Öffentlichkeit und der zuständigen Behörden erfolgen. Zu 6.: Die Landesregierung empfiehlt, Speisereste und Futtermittel für Waschbären unzugänglich aufzubewahren . Sämtliche Tierfütterungen sind nur unter Beobachtung zu betreiben. Nicht aufgenommene Futtermittel sind wieder einzusammeln. Darüber hinaus sind: - Müll und Abfälle unzugänglich aufzubewahren, - Müll- und Biotonnen mit starken Spanngummis zu sichern und mindestens einen halben Meter entfernt vom Zaun oder einer Mauer (Auf- und Einstiegshilfen!) aufzustellen, - Gelbe Säcke erst morgens herauszustellen oder in verschließbaren Boxen aufzubewahren, - keine Speisereste (Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Brot, Obst etc.) auf den Komposthaufen zu werfen, - keine Nahrungsmittelreste in offen zugänglichen Abfallkörben in Parks etc. zu hinterlassen, - reifes Obst und Beeren zu ernten und Fallobst aufzusammeln, - Haustiere nicht draußen zu füttern oder die Futterreste abends ins Haus zu räumen. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4887 Hochstämmige (Obst-)Bäume können durch eine etwa ein Meter hohe, glatte Metallmanschette, die keinerlei Haltemöglichkeiten bieten darf, geschützt werden, sofern außerdem keine Überstiegsmöglichkeiten von benachbarten Bäumen, einem Haus oder Schuppen bestehen. Um das Haus zu sichern, sollte der Aufstieg auf das Dach durch glatte Blechmanschetten (ein Meter hoch, ein Meter breit) verhindert werden, die sich um die Fallrohre der Regenrinnen schmiegen. Bäume und Sträucher , die an oder über das Dach reichen, sollten großzügig eingekürzt werden, Einstiege in das Dach oder den Schornstein sollten konsequent und mit soliden Baumaterialien verschlossen werden, beispielsweise indem ein starkes Metallgitter auf dem Schornstein angebracht wird. Ein schwer zu sicherndes Haus kann man mit einer Elektrozaunanlage ausstatten. Nachts sollten die Katzenklappen verschlossen werden. Nach den Vorgaben des § 6 ThJG können Eigentümer oder Nutznießer von befriedeten Bezirken unter Beachtung des Tierschutzgesetzes Haarraubwild (unter anderem Waschbären) fangen, töten und sich aneignen . Siehe dazu auch die Antwort auf die Frage 2 der Kleinen Anfrage 2645. Zu 7.: In Thüringen gelten für das Aussetzen von Tieren die Regelungen des § 34 ThJG in Verbindung mit dem Bundesjagdgesetz (BJagdG). Da der Waschbär im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 seit dem 3. August 2016 als invasive Art gilt, ist das Aussetzen eines Waschbären nach Artikel 7 der Verordnung verboten. Weiteres dazu siehe Antwort auf Frage 8. Zu 8.: Nach § 39 BJagdG handelt ordnungswidrig, wer gegen § 28 BJagdG verstößt und ohne schriftliche Genehmigung der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle fremde Tiere in der freien Natur aussetzt oder ansiedelt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu fünftausend Euro geahndet werden. Ordnungswidrig nach § 69 Abs. 6 BNatSchG handelt zudem, wer einen Waschbär in die Umwelt freisetzt. Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu fünfzigtausend Euro geahndet werden. In Vertretung Möller Staatssekretär Endnote: * Siehe: http://www.thueringen.de/th8/tlug/umweltthemen/naturschutz/invas_arten/invas_tierarten/index.aspx. Umgang mit Waschbären in Thüringen - Teil II Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Endnote: