20.12.2017 Drucksache 6/4888Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 10. Januar 2018 Einrichtung von "All-Gender-Toiletten" an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Die Kleine Anfrage 2672 vom 13. November 2017 hat folgenden Wortlaut: Zum 16. Mai 2017 beschloss der Senat der Friedrich-Schiller-Universität Jena die Einführung von sogenannten "All-Gender-Toiletten" in den Universitätsgebäuden. Der Universitätskanzler führte dazu aus, dass "in dem stark frequentierten Gebäude Carl-Zeiss-Straße 3 ... zeitnah eine Damentoilette oder eine Herrentoilette im 1. UG komplett als 'All-Gender-Toilette' ausgewiesen werden" könne. Weiter hieß es, dass "in vielen Gebäuden vorhandene Toiletten mit behindertengerechter Ausstattung, ... zusätzlich als 'All-Gender-Toiletten' gekennzeichnet und Personen nicht-binärer Geschlechter zur Nutzung angeboten werden" könnten. Der Senat sprach sich überdies dafür aus, bei Sanierungs- und Neubaumaßnahmen darauf zu achten, "All-Gender-Toiletten" vorzusehen. In der Begründung zum Antrag des "Studierendenrates" auf Einführung von Gender-Toiletten vom 31. Mai 2016 heißt es, dass "Personen nichtbinärer Geschlechter ... sich nicht sicher sein [könnten], auf Toiletten so akzeptiert zu werden, wie sie sich selber fühlen und identifizieren." Weiter wurde ausgeführt, dass "[a]bweisende Blicke, leises Lästern oder verbale Ablehnung ... den Gang zur Toilette zu einer Unannehmlichkeit" machten. "Unisextoiletten" würden "dazu beitragen, dass für Inter-, Trans-und Queer-Personen ein sicherer Raum (Safespace) geschaffen würde, in dem sie unbeschwert auf Toilette gehen" könnten. Gleichzeitig heißt es in dem besagten Antrag ausdrücklich, dass die Benutzung der "All-Gender-Toiletten" "allen Personen " möglich sein soll, auch Nicht-Inter-, Nicht-Trans- und Nicht-Queer-Personen. Aufgrund der schlechten hygienischen Zustände der Herren- und Damentoiletten im Haupteingangsbereich des Gebäudes Carl- Zeiss-Straße 3 kann davon ausgegangen werden, dass viele Studenten weiterhin auf die Toiletten im ersten Stock des Gebäudes ausweichen werden, auch wenn diese zukünftig (oder bereits jetzt) als "All-Gender- Toiletten" ausgewiesen sind. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung darüber vor, inwieweit der besagte Beschluss des Senats und die in den Ausführungen des Universitätskanzlers erwähnten Maßnahmen bereits umgesetzt wurden? 2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung darüber vor, welche Kosten die bereits umgesetzten Maßnahmen aus Frage 1 verursacht haben und welche Kosten beziehungsweise Mehrkosten in Zukunft für den Neubau von "All-Gender-Toiletten" beziehungsweise Umbau von Herren- oder Damentoiletten in "All-Gender-Toiletten" noch verursachen werden? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Muhsal (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4888 3. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung darüber, auf welcher Grundlage der Senat der Universität Jena annimmt, dass ein Bedarf an "All-Gender-Toiletten" besteht? 4. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung darüber, wie die Universität Jena sicherstellen will, dass die Kosten beziehungsweise Mehrkosten des Neubaus von "All-Gender-Toiletten" beziehungsweise Umbaus von Herren- oder Damentoiletten in "All-Gender-Toiletten" zum Bedarf derselben im Verhältnis stehen? 5. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass es an der Universität Jena zuletzt zu Sparmaßnahmen auf Kosten der Studienqualität kam, während diese zusätzliche Kosten für derartige Neu- und Umbaumaßnahmen in Kauf nimmt? 6. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung dazu vor, wie die Universität sicherstellen will, dass die eventuell zu erwartende hohe Frequentierung der "All-Gender-Toiletten" durch Personen, die keine Inter -, Trans- und Queer-Personen sind, nicht dazu führt, dass der in der Begründung des "Studierendenrates " zu seinem Antrag erwähnte "Safespace" für Inter-, Trans- und Queer-Personen gar nicht entsteht? 7. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung darüber vor, wie die Universität Jena sicherstellen will, dass die geplante Öffnung der bisher nur für Menschen mit einer Behinderung zugänglichen Toiletten für alle Personen nicht zu einer tatsächlichen Benachteiligung der Behinderten führt, etwa durch lange Wartezeiten durch Benutzung und Besetzung der Toiletten durch Nichtbehinderte oder durch zusätzliche Verschmutzung , die mit einer eventuell zu erwartenden höheren Frequentierung der Toiletten einhergeht? 8. Wie kann nach Ansicht der Landesregierung ausgeschlossen werden, dass es zu Konflikten kommt, wenn sich Personen unterschiedlichen Geschlechts auf der Toilette begegnen und welche Rolle spielen bei der Beurteilung der Sachlage beispielsweise religiöse Hintergründe? 9. An welchen anderen Hochschulen und öffentlichen Gebäuden in Thüringen gab es nach Kenntnis der Landesregierung in der Vergangenheit bereits ähnliche Umbaumaßnahmen und mit welchen Kosten waren diese jeweils verbunden (bitte einzeln auflisten)? Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 20. Dezember 2017 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Zur Umsetzung der im Senat der Friedrich-Schiller-Universität Jena am 16. Mai 2017 besprochenen Maßnahmen erfolgte bisher in einem Universitätsgebäude die Ausweisung von "All-Gender-Toiletten" durch Umnutzung eines bisher kaum genutzten Toilettenbereichs (vier Kabinen), in dessen unmittelbarer Nähe eine ausreichende Anzahl von Damen- und Herrentoiletten vorhanden ist. In vier weiteren Universitätsgebäuden mit starkem Publikumsverkehr erfolgte eine Kennzeichnung vorhandener Toiletten für Menschen mit Behinderungen durch zusätzliche Ausschilderung als "All-Gender-Toiletten ". Gesonderte Umbaumaßnahmen zur Einrichtung von "All-Gender-Toiletten" haben nicht stattgefunden. Zu 2.: Für die bereits umgesetzten Maßnahmen nach Frage 1 sind Kosten in Höhe von 200 Euro für die Beschilderung von fünf Bestandstoilettenanlagen angefallen, weitere Schilder wurden für 145 Euro bestellt. Bisher sind keine Mehrkosten durch Umbau oder Neubaumaßnahmen angefallen. Kosten für künftig gegebenenfalls neu einzurichtende "All-Gender-Toiletten" wären im Rahmen konkreter Bauvorhaben zu ermitteln. Zu 3.: Sowohl bei der Studierendenvertretung der Friedrich-Schiller-Universität Jena als auch im universitären Gleichstellungsbüro liegen nach Angabe der Hochschule mehrere Beschwerden transgender-identer Personen vor, die sich auf Herren- beziehungsweise Damentoiletten belästigt fühlen. In der Senatssitzung vom 16. Mai 2017 wurde der Sachverhalt überdies für die Teilnehmenden persönlich nachvollziehbar dargelegt. 3 Drucksache 6/4888Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 4.: Die mitgeteilten Kosten für die Beschilderung stehen in einem angemessenen Verhältnis zu dem durch die Friedrich-Schiller-Universität Jena festgestellten Bedarf. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Zu 5.: Nach Ansicht der Landesregierung ist es unzutreffend, dass es an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zuletzt zu Sparmaßnahmen auf Kosten der Studienqualität gekommen sei. Der Friedrich-Schiller-Universität Jena standen allein aus Landesmitteln gemäß der aktuellen Ziel- und Leistungsvereinbarung für den Zeitraum 2016 bis 2019 im Jahr 2017 insgesamt 160,4 Millionen Euro und damit sechs Millionen Euro mehr als im Jahr 2016 zur Erfüllung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre zu. Auch die der Friedrich-Schiller-Universität Jena zur Verfügung gestellten Mittel aus dem Hochschulpakt 2020 stiegen in 2017 gegenüber 2016. Weder aufgrund der mitgeteilten Kosten für die Beschilderung von "All-Gender-Toiletten" noch aus sonstigem Grund kam es an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu Sparmaßnahmen auf Kosten der Studienqualität. Zu 6.: Nutzende von "All-Gender-Toiletten" akzeptieren, dass Personen aller Geschlechter diese benutzen. Eine hohe Frequentierung der "All-Gender-Toiletten" durch Personen, die keine Inter-, Trans- und Quer-Personen sind, ist angesichts der bisherigen Nutzung dieser Toiletten nicht zu erwarten. Auf die Antwort zu Frage 8 wird ergänzend verwiesen. Zu 7.: Die Erweiterung des Kreises der Nutzenden von Toiletten für Menschen mit Behinderungen erfolgte mit Zustimmung der Schwerbehindertenvertretung der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Beschwerden von Menschen mit Behinderung hinsichtlich einer Beeinträchtigung durch längere Wartezeiten oder stärkere Verschmutzungen sind der Hochschule bisher nicht bekannt. Zu 8.: Nach Ansicht der Landesregierung wird allein ein umsichtiges, respektvolles und angemessenes Verhalten, welches Studierende sowie Beschäftigte der Hochschulen regelmäßig an den Tag legen, Konflikte vermeiden . Dabei stehen etwaige religiöse Hintergründe nicht im Vordergrund. Zudem könnten entsprechende Begegnungen allenfalls im Vorraum der unter Frage 1 benannten Toilettenanlage stattfinden, in dem sich Handwaschbecken befinden. Alle anderen ausgewiesenen "All-Gender-Toiletten " sind Einzelkabinen-Toiletten. Für Personen, die als All-Gender gekennzeichnete Toiletten nicht benutzen möchten, stehen weiterhin ausreichend nach Geschlechtern getrennte Toiletten zur Verfügung. Auch bei Toiletten für Menschen mit Behinderung findet in aller Regel eine gemischtgeschlechtliche Nutzung statt, ohne dass dies zu Konflikten führt. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena geht insgesamt davon aus, dass Konfliktpotentiale durch die Einrichtung der "All-Gender-Toiletten" gegenüber der vormaligen Situation vermindert werden. Auf die Antwort zu Frage 6 wird ergänzend verwiesen. Zu 9.: An der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben keine Umbaumaßnahmen im Zusammenhang mit der Einrichtung von "All-Gender-Toiletten" stattgefunden. Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. In den öffentlichen Gebäuden der anderen Hochschulen in Thüringen sind nach Kenntnis der Landesregierung bisher keine "All-Gender-Toiletten" eingerichtet worden. Tiefensee Minister Einrichtung von "All-Gender-Toiletten" an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: