17.01.2018 Drucksache 6/4953Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 30. Januar 2018 Nutzen Thüringer Bestatter eine Gesetzeslücke im Bestattungsrecht? - Teil I Die Kleine Anfrage 2586 vom 29. September 2017 hat folgenden Wortlaut: In der Thüringer Allgemeinen wurde am 4. September 2017 berichtet, dass in Sachsen-Anhalt bei einer unklaren Todesursache keine Obduktion vorgeschrieben ist. Bestatter aus Thüringen würden diese Regelung nutzen, um die strengeren Regeln in Thüringen zu umgehen. Offenbar werden Verstorbene von Thüringen aus dorthin zur Verbrennung transportiert, um Obduktionen zu vermeiden. Rechtsmediziner kritisieren , dass so die Möglichkeit bestünde, dass Todesfälle mit einer nicht natürlichen Todesart/Todesursache so nicht erkannt würden und Beweise bei Verbrennungen vernichtet würden. In den Medien wird seit vielen Jahren immer wieder berichtet, dass Kriminalisten und renommierte Rechtsmediziner beklagen, dass etwa jeder zweite Mord wegen mangelhafter Leichenschauen unentdeckt bleibe. Dazu gibt es auch eine Studie der Universität Münster aus dem Jahr 1997. Die darin genannten erschreckenden Zahlen sollen auch heute noch aktuell sein, so ein Bericht auf www.kriminalpolizei.de. Die Gründe für nicht entdeckte Morde sind verschieden, beginnen aber immer mit der Leichenschau durch den herbeigerufenen Arzt. Nur eine qualifizierte Leichenschau kann Verbrechen aufdecken, deshalb fordern auch Rechtsmediziner bundesweit seit vielen Jahren neue gesetzliche Regelungen mit dem Vorschlag, dass nur speziell ausgebildete Ärzte diese vornehmen sollten. In einem Bericht auf der Homepage von WELT und N24 heißt es dazu beispielsweise: "Zwei von drei Tötungsdelikten bleiben unentdeckt. Todesursachen werden oft falsch eingeschätzt, Morde nicht erkannt. Ärzten fehlen Erfahrung und Zeit. Außerdem sitzen ihnen die Trauernden im Nacken." In § 6 Abs. 4 Thüringer Bestattungsgesetz (ThürBestG) ist eindeutig geregelt, wie bei einem nicht natürlichen Tod oder einer unklaren Todesursache zu verfahren ist. In § 21 ThürBestG ist geregelt, dass bei einer Feuerbestattung eine zweite Leichenschau durchzuführen ist. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse liegen der Landregierung hinsichtlich der Verbrennung von Verstorbenen mit unklarer Todesursache aus Thüringen ohne Obduktion in anderen Bundesländern oder dem angrenzenden europäischen Ausland und deren durchschnittliche Anzahl pro Jahr vor? Kann die Berichterstattung in dem oben genannten Pressebericht der Thüringer Allgemeinen vom 4. September 2017 bestätigt werden? 2. Wer kontrolliert in Thüringen die tatsächliche Durchführung von Obduktionen bei allen unklaren Todesfällen und wer ist verpflichtet dazu, diese einzuleiten beziehungsweise durchführen zu lassen? Welche Kosten fallen durchschnittlich für eine Obduktion an und wer hat diese zu tragen? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Lehmann (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/4953 3. Wie kann die oben genannte einschlägige Regelung dazu im Thüringer Bestattungsgesetz überhaupt umgangen werden? 4. Stellt die Landesregierung eine Gesetzeslücke in Thüringen fest und was ist im Gesetz zu ändern, um künftig solche Transporte von Verstorbenen mit unklarer Todesursache/Todesart in andere Bundesländer oder in das europäische Ausland zu verhindern? Was beabsichtigt die Landesregierung aufgrund der oben genannten Berichterstattung zu unternehmen? 5. Ist der Landesregierung bekannt, mit welchen Fristen in Sachsen-Anhalt die geplante Einäscherung von Verstorbenen, auch aus Thüringen, rechtzeitig vorab angezeigt werden muss und welche Frist der jeweilige Staatsanwalt zur Reaktion überhaupt hat, um die Einäscherung ohne zweite Leichenschau zu verhindern ? Ist der Landesregierung bekannt, wie oft dadurch eine Einäscherung von verstorbenen Thüringer Bürgern mit unklarer Todesursache aufgehalten wird und eine zweite Leichenschau beziehungsweise Obduktion doch noch durchgeführt wird? 6. Wie viele Fälle gab es Thüringen in den Jahren 2014 bis einschließlich 30. Juni 2017, bei denen eine unklare Todesursache auf dem Totenschein vermerkt wurde und wie viele Fälle davon wurden pro Jahr tatsächlich obduziert (bitte Aufstellung nach Jahren)? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 16. Januar 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich der Verbrennung von Verstorbenen mit unklarer Todesursache aus Thüringen ohne Obduktion in anderen Bundesländern oder dem angrenzenden Ausland vor. Dementsprechend kann der Pressebericht vom 4. September 2017 nicht bestätigt werden. Zu 2.: Die Staatsanwaltschaft ist grundsätzlich verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (vergleiche § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung -StPO-). Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat stehen bei unklaren Todesfällen im Raum. Damit die Staatsanwaltschaft von diesen Kenntnis erhält, hat der Arzt unverzüglich die Polizei oder die Staatsanwaltschaft zu verständigen , wenn durch äußere Merkmale bereits erkennbar ist oder sich nicht ausschließen lässt, dass es sich um einen nicht natürlichen Tod handelt, oder wenn es sich um einen unbekannten Toten handelt (§ 6 Abs. 4 Thüringer Bestattungsgesetz -ThürBestG-). Wenn die Polizei verständigt wird, unterrichtet diese die Staatsanwaltschaft (entsprechend § 163 Abs. 2 StPO). Sind Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass jemand eines nicht natürlichen Todes gestorben ist, oder wird die Leiche eines Unbekannten gefunden, so prüft die Staatsanwaltschaft, ob eine Leichenschau oder eine Leichenöffnung (Obduktion) erforderlich ist. Eine Leichenschau wird regelmäßig schon dann nötig sein, wenn eine Straftat als Todesursache nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (vergleiche Nummer 33 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren -RiStBV-). Lässt sich auch bei der Leichenschau eine Straftat als Todesursache nicht ausschließen oder ist damit zu rechnen, dass die Feststellungen später angezweifelt werden, so veranlasst die Staatsanwaltschaft grundsätzlich die Leichenöffnung (vergleiche Nummer 33 Abs. 2 Satz 1 RiStBV). Die Obduktionskosten liegen zwischen 1.100 und 1.800 Euro pro Obduktion. Die Kosten für eine rechtsmedizinische Obduktion sind im Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) bundeseinheitlich geregelt . Wenn die Obduktion von einer Justizbehörde angeordnet wird, werden deren Kosten aus dem Justizhaushalt beglichen. Bei Anordnung in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren können die Kosten im Fall einer rechtskräftigen Verurteilung von dem Verurteilten zurückgefordert werden. Zu 3.: Die Regelung gemäß § 6 Abs. 4 ThürBestG kann nach Auffassung der Landesregierung nicht umgangen werden. Die Bestatter sind zwar frei, die Verstorbenen auch über Landesgrenzen hinweg in ein Krematorium ihrer Wahl zur Einäscherung zu bringen. In dem ausgewählten Krematorium gilt das Bestattungsrecht des jeweiligen Bundeslandes. Der Transport in ein Bundesland mit einem weniger strengen Bestattungsgesetz als in Thüringen kann jedoch erst erfolgen, wenn die Leiche von der Staatsanwaltschaft freigegeben wurde. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 3 Drucksache 6/4953Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 4.: Nach Auffassung der Landesregierung gibt es keine Gesetzeslücke. Sowohl § 6 Abs. 4 als auch § 21 Abs. 1 ThürBestG stellen eine hinreichende Grundlage für die Klärung unklarer Todesfälle und damit den Ausschluss von strafrechtlicher Relevanz dar. Zu 5.: Gemäß § 18 Abs. 1 und 2 des Bestattungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt muss auch in Sachsen- Anhalt vor der Kremation eine zusätzliche Leichenschau durch eine dafür besonders qualifizierte ärztliche Person, einen Facharzt für Pathologie oder Rechtsmedizin, durchgeführt werden. Die von dem die zweite Leichenschau durchführenden Arzt auszustellende Unbedenklichkeitsbescheinigung für eine Kremation ist Voraussetzung für die Kremation. Mit einer staatsanwaltschaftlichen Beschlagnahme verlängern sich auch die Bestattungsfristen laut Bestattungsgesetz , da das staatsanwaltschaftliche und damit öffentliche Interesse an der Abklärung eines möglichen Fremdverschuldens Vorrang vor der Bestattung hat. Dies gilt sowohl in Thüringen als auch in Sachsen -Anhalt. In Sachsen-Anhalt gibt es eine analoge Regelung zu § 6 Abs. 4 ThürBestG. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zu 6.: Entsprechende statistische Angaben liegen der Landesregierung nicht vor. Maier Minister Nutzen Thüringer Bestatter eine Gesetzeslücke im Bestattungsrecht? - Teil I Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: