26.01.2018 Drucksache 6/5261Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 8. Februar 2018 Chronisches Erschöpfungssyndrom in Thüringen - Fallzahlen, Behandlung, Förderpotentiale - Teil I Die Kleine Anfrage 2660 vom 2. November 2017 hat folgenden Wortlaut: Das Chronische Erschöpfungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome = CFS), auch bezeichnet als Myalgische Enzephalomyelitis, ist eine komplexe Erkrankung, die sich vor allem in einer extremen Erschöpfung/ Erschöpfbarkeit äußert. Nach Aussagen des Bundesverbands Chronisches Erschöpfungssyndrom - Fatigatio e. V. - leiden in Deutschland circa 300.000 Menschen am CFS. Die internationale Klassifikation der Krankheiten der Weltgesundheitsorganisation listet das CFS unter dem Diagnoseschlüssel G 93.3. Bei einer großen Anzahl der Erkrankten entwickelt sich die Krankheit schlagartig, andere berichten von einer schleichenden Verschlechterung ihres Allgemeinzustands. Die Beschwerden halten über Jahre hinweg, teilweise auch lebenslang an. Die Ursache von CFS ist bislang nicht bekannt. Vermutet werden unter anderem ein Zusammenhang mit einer Schwächung des Immunsystems und genetisch bedingte Entgiftungsstörungen. Die Diagnose CFS ist nicht leicht zu stellen und wird daher nur bei einem kleinen Teil der Betroffenen diagnostiziert . Behandlungsmöglichkeiten sind sehr begrenzt, da die Krankheit einerseits in Deutschland keine offizielle Anerkennung erfährt und es andererseits an der Erforschung dieser Krankheit mangelt. Vorreiter ist die lmmundefekt Ambulanz der Berliner Charité, die die Symptomatik ausdrücklich als CFS benennt und Patienten aus dem Raum Berlin-Brandenburg versorgt. Ich frage die Landesregierung: 1. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse zum CFS vor und wenn ja, wie viele Menschen sind hiervon in Thüringen betroffen? 2. Liegen der Landesregierung Kenntnisse zur Frühverrentung wegen CFS vor und wenn ja, wie viele Menschen sind hiervon in Thüringen betroffen? 3. Liegen der Landesregierung Kenntnisse zu Pflegeleistungen aufgrund von CFS vor und wenn ja, wie viele Menschen sind hiervon in Thüringen betroffen? 4. Welche Kenntnisse besitzt die Landesregierung zur Berücksichtigung von CFS in der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung? 5. Inwieweit beabsichtigt die Landesregierung durch eine Reform der Ausbildung und Fortbildung der Ärzte oder eine nachhaltige lnformationskampagne, die Diagnose von CFS zu erleichtern? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Krumpe (fraktionslos) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5261 6. Welche medizinischen Möglichkeiten bestehen nach Kenntnis der Landesregierung in Thüringen, um CFS zu therapieren? 7. An welchen Standorten in Thüringen werden Patienten mit CFS von fachkundigen Ärzten und Therapeuten behandelt? 8. An welchen Standorten in Thüringen werden Möglichkeiten der stationären Behandlung angeboten? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 25. Januar 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Der vom Thüringer Landesamt für Statistik zur Verfügung gestellten tabellarischen Aufstellung ist - entsprechend den Meldungen aus Thüringer Krankenhäusern und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen - die Anzahl der entlassenen vollstationär behandelten Patientinnen und Patienten mit der Diagnose G93.3 Chronisches Müdigkeitssyndrom der Jahre 2001 bis 2016 zu entnehmen, die ihren regelmäßigen Wohnsitz in Thüringen haben und deutschlandweit behandelt wurden (siehe Anlage). Zu 2.: Der Landesregierung liegen keine Kenntnisse zur Frühverrentung wegen eines CFS vor. Zu 3.: Der Landesregierung liegen keine Kenntnisse zu Pflegeleistungen aufgrund von CFS vor. Zu 4.: Zur Frage der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung teilt die Landesärztekammer Thüringen mit, dass bei den relevanten Fachgebieten, insbesondere als erster Ansprechpartner der Facharzt für Allgemeinmedizin und bei den weiteren relevanten Fachgebieten im Sinne der interdisziplinären Zusammenarbeit wie Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Fachärzte für Neurologie, Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin und Schmerztherapeuten, entsprechende Kenntnisse Inhalt der Weiterbildung sind. Weiterhin werden im Rahmen des "Kompetenzzentrums Allgemeinmedizin" für seltene Krankheitsbilder zusätzlich in Seminarform Fort- und Weiterbildungen angeboten. Zudem findet das Krankheitsbild bei vielen Fortbildungen zum Erwerb verschiedener Qualifikationen Berücksichtigung. Die Symptome werden in den einzelnen Fächern jeweils aus Sicht der speziellen Krankheitslehre behandelt und in der ärztlichen Aus-, Weiter- und Fortbildung unterrichtet. Zu 5.: Im Kontext zur Beantwortung von Frage 4 ist eine Reform der ärztlichen Aus- und Fortbildung nicht beabsichtigt . Zudem wird angemerkt, dass die ärztliche Ausbildung bundesrechtlich geregelt ist. Die Landesregierung beabsichtigt auch keine staatliche Informationskampagne, da sie davon ausgeht, dass die Thüringer Ärzteschaft auch die medizinische Versorgung von Patienten mit CFS adäquat sicherstellt. Zu 6.: Die genauen Ursachen und Krankheitsmechanismen des Myalgischen Enzephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndromes (ME/CFS) sind bis heute nicht hinreichend geklärt. Die Diagnose ME/CFS kann daher bisher nur über eine umfangreiche somatische Ausschlussdiagnostik gestellt werden. Das muss durch eine gründliche Anamnese, eine eingehende körperliche Untersuchung sowie den Ausschluss zahlreicher anderer Erkrankungen , die ebenfalls eine anhaltende Erschöpfung verursachen können, wie zum Beispiel Schilddrüsen-, Leber-, Stoffwechsel-, neurologische und Tumorerkrankungen, erfolgen. Diese Vorgehensweise prädestiniert den Hausarzt als langjährigen Behandler und damit Kenner der gesundheitlichen Situation seiner Patienten auch als Betreuer für ME/CFS-Patienten. Auch eine anerkannte ursächliche Behandlung des ME/ CFS gibt es aufgrund des wissenschaftlichen Kenntnisstandes sowie der Individualität des oft sich auch ändernden Symptomenkomplexes bisher nicht. Die stets individuell auszurichtende Behandlung richtet sich entsprechend auf die individuell vorherrschenden Symptome. Die Landesärztekammer Thüringen teilt entsprechend mit, dass aufgrund des vielgestaltigen Krankheitsbildes und der damit verbundenen Komplexität sich die CFS-Therapie nach den am meist belastenden Symptomen richtet und sowohl medikamentöse als auch nichtmedikamentöse Maßnahmen beinhaltet. Daraus ergibt sich, dass die Therapie multimodal 3 Drucksache 6/5261Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode und im Wesentlichen durch die in der Beantwortung von Frage 4 genannten Fachärzte interdisziplinär erfolgt . Die individuelle und symptombezogene Behandlung beinhaltet zum Beispiel den Ausgleich von Mangelzuständen , die Behandlung chronischer Infektionen, physiotherapeutische Maßnahmen, Schmerztherapie sowie insbesondere bei Depressionen und Angststörungen auch Psychotherapie. Die entsprechenden therapeutischen Angebote, wie schmerz-, physio- und psychotherapeutische Behandlungsmethoden, sind aus Sicht der Landesärztekammer Thüringen in Thüringen adäquat vorhanden. Zu 7.: In der Regel ist der Hausarzt, der den Patienten über viele Jahre kennt, erster Ansprechpartner, der in der Folge auch eine entsprechende Diagnostik einleiten kann, bei entsprechenden spezifischen Symptomen auch mit interdisziplinärer Beteiligung anderer Fachärzte. Der Facharzt für Allgemeinmedizin ist in der Regel auch der langjährige Betreuer für diese Patienten. Zu 8.: Spezialisierte Kliniken zur stationären Behandlung von CFS sind nicht vorhanden. In den Jahren 2012 bis 2016 wurden in Thüringen zwischen 9 und 19 an CFS Erkrankte pro Jahr in 19 verschiedenen Kliniken behandelt . Ein flächendeckendes Angebot zur Behandlung ist vorhanden. Gemäß den ausgewiesenen Behandlungsspektren sind nachfolgende Rehabilitationseinrichtungen in Thüringen aus Sicht der Landesärztekammer Thüringen für die Betreuung von CFS-Patienten geeignet: Burg- Klinik Stadtlengsfeld, Klinik Bergfried Saalfeld, MEDIAN Quellbrunn-Klinik Bad Berka und Rehaklinik Bad Langensalza. In Vertretung Feierabend Staatssekretärin 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5261 Anlage Aus Krankenhäusern und Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen* entlassene vollstationäre Patienten und Patientinnen 2001 bis 2016 nach Wohnsitz in Thüringen und Geschlecht Patienten und Patientinnen mit der ICD G93.3 Jahr Insgesamt davon männlich weiblich 2001 5 2 3 2002 11 8 3 2003 4 2 2 2004 19 9 10 2005 25 9 16 2006 17 10 7 2007 14 9 5 2008 17 7 10 2009 19 10 9 2010 19 7 12 2011 23 6 17 2012 28 9 19 2013 22 8 14 2014 39 14 25 2015 23 7 16 2016 29 7 22 * Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen mit mehr als 100 Betten Copyright © Thüringer Landesamt für Statistik, Europaplatz 3, 99091 Erfurt - Postfach 900163, 99104 Erfurt Chronisches Erschöpfungssyndrom in Thüringen - Fallzahlen, Behandlung, Förderpotentiale - Teil I Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Anlage