02.02.2018 Drucksache 6/5291Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 16. Februar 2018 Tuberkulosegefahr in Thüringen? Die Kleine Anfrage 2745 vom 22. Dezember 2017 hat folgenden Wortlaut: Wie der Mitteldeutsche Rundfunk Sachsen am 13. Dezember 2017 in seiner Online-Ausgabe berichtete, wurden in zwei Dresdner Schulen bei 21 Schülern neue Tuberkulose-Infektionen nachgewiesen, aktuell ist von mindestens 43 Personen mit Tuberkulose-Erregern in Dresden auszugehen. Dem epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts ist zu entnehmen, dass in Thüringen im Jahr 2017 über 100 Tuberkulose- Infektionen gemeldet wurden. Die gesetzlichen Meldedaten zeigen vor allem in den Jahren 2014 und 2015 einen Anstieg der Tuberkulose-Erkrankungsfälle insgesamt sowie einen Anstieg der Anzahl von Tuberkulosen , die bei der Untersuchung (gemäß § 36 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz [IfSG]) anlässlich der Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende beziehungsweise Flüchtlinge diagnostiziert wurden. In Anbetracht der aktuellen demografischen Entwicklung (alternde Bevölkerung, aktuelle Migrationsbewegung ) ist anzunehmen, dass diese Zahlen weiter ansteigen. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Formen von Tuberkulose-Erkrankungen sind aktuell in Thüringen gemeldet (bitte mit Angabe der aktuellen Fallzahl insgesamt sowie der hochansteckenden sogenannten offenen Tuberkulose für das Jahr 2017 zum Zeitpunkt der Beantwortung)? 2. Wie viele der vorgenannten Fälle traten in Kommunen auf, in denen sich Erstaufnahmeeinrichtungen beziehungsweise Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber und Flüchtlinge befinden? 3. Wie hat sich die Anzahl der Tuberkulose-Erkrankungen in Thüringen im Zeitraum von 2007 bis 2017 entwickelt (bitte Angabe der Fälle pro Jahr; für das Jahr 2017 bitte Angabe der aktuellen Fallzahl zum Zeitpunkt der Beantwortung)? 4. Welche Maßnahmen ergreifen die Landesregierung beziehungsweise die zuständigen Gesundheitsämter zur Verhinderung einer Ausbreitung von Tuberkulose in Thüringer Erstaufnahme einrichtungen und Sammelunterkünften? 5. Wie werden in Thüringen im Falle von Tuberkulose-Erkrankungen, die durch die Überwachung nach § 36 Abs. 1 Nr. 5 IfSG oder die Gesundheitsuntersuchung nach § 62 Asylgesetz festgestellt werden, der Behandlungsstatus und die Heilung überprüft? 6. Welche Maßnahmen unternimmt die Landesregierung, um die Bürger (Schüler, Auszubildende, Eltern, Angehörige von Pflegebedürftigen et cetera) über die Gefahren einer Tuberkulose-Erkrankung aufzuklären? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Herold (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5291 7. Welche Maßnahmen ergreifen die Landesregierung beziehungsweise die zuständigen Gesundheitsämter zur Verhinderung einer Ausbreitung von Tuberkulose in Thüringer Kindertagesstätten, Schulen, Kinderheimen , Seniorenhäusern, Pflegeheimen sowie anderen öffentlichen Einrichtungen? 8. Wie wird sichergestellt, dass an Tuberkulose erkrankte Asylbewerber beziehungsweise Flüchtlinge die Krankheit nicht weiterverbreiten, wenn sie sich bewusst oder unbewusst nicht an den Verhaltenskodex zum eigenen Umgang mit der Erkrankung (Stichwort: Therapieverweigerung, Therapieabbruch et cetera ) halten? 9. Wie oft wurde in den Jahren 2007 bis 2017 in Thüringen von Quarantänemaßnahmen gemäß § 30 IfSG bei Tuberkulose-Erkrankten Gebrauch gemacht (bitte Angabe in Jahresscheiben)? 10. Verstärken die zuständigen Gesundheitsämter in Thüringen nach dem Bekanntwerden neuer Tuberkulose -Fälle in Sachsen ihre Bemühungen um flächendeckende Untersuchungen zur Feststellung möglicher Tuberkulose-Infektionen in Thüringen? 11. Wie viele Untersuchungsteams zur Feststellung von Tuberkulose-Erkrankungen sind gegenwärtig in Thüringen eingesetzt und wurden nach dem Auftreten neuer Tuberkulose-Erkrankungen in Dresden für Thüringen zusätzliche Untersuchungsteams mobilisiert? 12. Wie werden die Tuberkulose-Meldedaten von den zuständigen Gesundheitsämtern evaluiert und wie werden die entsprechenden Daten für Präventionsstrategien genutzt? Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 2. Februar 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In Thüringen wurden im Jahr 2017 mit Datenstand 5. Januar 2018 110 Tuberkulose-Erkrankungen gemeldet , davon handelte es sich bei 46 Erkrankungen (42 Prozent) um sogenannte offene Lungentuberkulosen. Da zum Datenstand 5. Januar 2018 aufgrund der langen Anzuchtphase des Erregers von bis zu acht Wochen noch nicht alle kulturellen Befunde vorlagen, können sich bei den Fallzahlen für 2017 noch Veränderungen ergeben. Zu 2.: Alle meldepflichtigen Erkrankungen werden von den Gesundheitsämtern gemäß § 11 Infektionsschutzgesetz (IfSG) anonymisiert an die Landesstellen und von hier aus an das Robert Koch-Institut übermittelt. Dem Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz (TLV) liegen daher keine Daten zu den Wohnorten der Erkrankten vor, sondern nur die betreffenden Landkreise beziehungsweise kreisfreien Städte. Daher ist es nicht möglich, die Erkrankungsfälle bestimmten Kommunen zuzuordnen. In Tabelle 1 ist die territoriale Verteilung aller im Jahr 2017 in Thüringen aufgetretenen Tuberkulose-Erkrankungen nach Landkreisen beziehungsweise kreisfreien Städten ersichtlich. Zur Anzahl der Tuberkulose-Erkrankungen in den kreisfreien Städten Gera und Suhl mit den dort befindlichen Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes wird ebenfalls auf die Tabelle 1 verwiesen. Tabelle 1: Anzahl der Tuberkulose-Erkrankungen gesamt sowie Anzahl der Lungentuberkulosen in Thüringen 2017 (Datenstand: 5. Januar 2018) Landkreis/kreisfreie Stadt Tuberkulose-Erkrankungen gesamt davon Lungentuberkulosen mit Erregernachweis (offene) ohne Erregernachweis (geschlossene) Altenburger Land 5 1 1 Eichsfeld 1 1 0 Gotha 6 4 0 Greiz 6 2 2 Hildburghausen 1 1 0 Ilm-Kreis 3 3 0 Kyffhäuserkreis 6 5 0 3 Drucksache 6/5291Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Landkreis/kreisfreie Stadt Tuberkulose-Erkrankungen gesamt davon Lungentuberkulosen mit Erregernachweis (offene) ohne Erregernachweis (geschlossene) Nordhausen 3 1 1 Saale-Holzland-Kreis 1 0 0 Saale-Orla-Kreis 0 0 0 Saalfeld-Rudolstadt 7 2 2 Schmalkalden-Meiningen 0 0 0 Sömmerda 0 0 0 Sonneberg 1 1 0 Unstrut-Hainich-Kreis 11 3 7 Wartburgkreis 4 0 4 Weimarer Land 11 6 2 Eisenach 1 1 0 Erfurt 11 2 4 Gera 19 8 4 Jena 9 3 3 Suhl 1 0 1 Weimar 3 2 0 Zu 3.: Die Zahlen sind Tabelle 2 zu entnehmen. Tabelle 2: Anzahl der Tuberkulose-Erkrankungen in Thüringen 2007 bis 2017 Jahr Tuberkulose-Erkrankungen in Thüringen 2007 102 2008 122 2009 104 2010 94 2011 70 2012 75 2013 67 2014 88 2015 115 2016 113 2017* 110 * Datenstand: 5. Januar 2018 Zu 4. und 5.: Die Fragen werden gemeinsam beantwortet. Es wird auf die Antwort zur Kleine Anfrage 2333 der Abgeordneten Herold und Brandner (AfD) (Drucksache 6/4292) verwiesen, in der die entsprechenden Maßnahmen bereits ausführlich dargelegt wurden. Zu 6. Das TLV hat ein Merkblatt für die Thüringer Bevölkerung mit Informationen zur Tuberkulose* veröffentlicht. Daneben halten die Gesundheitsämter kostenlose und anonyme Beratungsangebote zur Tuberkulose auf Grundlage des § 19 IfSG vor. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5291 Zu 7.: Bewohner von Seniorenhäusern und Pflegeheimen sind gemäß § 36 Abs. 4 IfSG bei der Aufnahme in eine solche Einrichtung verpflichtet, einen ärztlichen Nachweis darüber vorzulegen, dass bei ihnen keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer ansteckungsfähigen Lungentuberkulose vorhanden sind. Bei Kindern, die in eine Kindertagesstätte aufgenommen werden, muss gemäß § 18 Abs. 1 Thüringer Kindertagesbetreuungsgesetz eine ärztliche Tauglichkeitsbescheinigung vorgelegt werden. Die diesbezügliche ärztliche Untersuchung zielt auch auf das eventuelle Vorliegen ansteckender Krankheiten ab. Des Weiteren besteht ein gesetzliches Betretungsverbot gemäß § 34 Abs. 1 IfSG für Personen, die an ansteckungsfähiger Lungentuberkulose erkrankt oder dessen verdächtig sind und eine Gemeinschaftseinrichtung nach § 33 IfSG besuchen beziehungsweise dort tätig sind. Beim Auftreten in einer der oben genannten Einrichtungen leitet das zuständige Gesundheitsamt entsprechende Umgebungsuntersuchungen ein, spricht gegebenenfalls Betretungs- oder Tätigkeitsverbote aus und ordnet eine Absonderung von Erkrankten oder Krankheitsverdächtigen an. Diese Maßnahmen schließen ein, dass Betroffene über die einzuhaltenden Verhaltensweisen aufgeklärt werden. Die weiteren Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung entsprechen den Maßnahmen, die bereits in der Antwort zur Kleine Anfrage 2333 der Abgeordneten Herold und Brandner (AfD) dargelegt wurden. Zu 8.: Siehe Antwort zu den Fragen 4 und 5. Zu 9.: Grundsätzlich wird bei allen Personen, die an einer ansteckenden (offenen) Lungentuberkulose erkrankt sind, von Absonderungsmaßnahmen gemäß § 30 IfSG Gebrauch gemacht, dass heißt, vom Gesundheitsamt wird die Absonderung in einem Krankenhaus angeordnet. Eine Statistik über die angeordneten Absonderungen liegt der Landesregierung nicht vor. Die Anzahl entspricht jedoch aus den oben genannten Gründen in der Regel der Fallzahl offener Lungentuberkulosen. Diese sind Tabelle 3 zu entnehmen. Tabelle 3: Anzahl der potentiell ansteckenden (offenen) Lungentuberkulosen in Thüringen 2007 bis 2017 Jahr offene Lungentuberkulosen 2007 61 2008 76 2009 63 2010 62 2011 43 2012 43 2013 43 2014 59 2015 84 2016 75 2017 46 Zu 10.: Ein flächendeckendes Screening auf Tuberkulose wäre angesichts der sehr geringen Ansteckungsgefahr für die Thüringer Bevölkerung nicht verhältnismäßig. Die sich aus dem IfSG sowie § 62 Asylgesetz ergebenden Maßnahmen werden vor dem Hintergrund der aktuellen epidemiologischen Situation als ausreichend erachtet. Zu 11.: In der Thüringer Erstaufnahmeeinrichtung wird vom Deutschen Roten Kreuz ein mobiles Röntgengerät inklusive Fahrzeug und Fachpersonal zur Durchführung von Röntgenaufnahmen der Lunge im Rahmen des Tuberkulosescreenings nach § 36 Abs. 4 IfSG vorgehalten. Weitere Einrichtungen im Sinne eines Untersuchungsteams bestehen nicht. Das Röntgenmobil inklusive Personal steht im Falle umfangreicher Umgebungsuntersuchungen zudem den Thüringer Gesundheitsämtern zur Verfügung. Des Weiteren wird es in Thüringer Justizvollzugsanstalten zur Untersuchung von Gefangenen gemäß § 36 Abs. 5 IfSG eingesetzt. 5 Drucksache 6/5291Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 12.: Eine Evaluation der Meldedaten geschieht primär auf Bundesebene durch das Robert Koch-Institut sowie auf Landesebene durch das Landesamt für Verbraucherschutz. Ein Jahresbericht zu den Tuberkulose-Meldezahlen in Thüringen wird regelmäßig erstellt und veröffentlicht. Zur Festlegung des Umfangs für die gemäß § 36 IfSG und § 62 AsylG geforderten Screeninguntersuchungen wird von der obersten Landesgesundheitsbehörde auf diese Daten zurückgegriffen. Werner Ministerin Endnote: * Siehe: www.thueringen.de/mam/th7/Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz/Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz _merkblatt_tuberkulose.pdf. Tuberkulosegefahr in Thüringen? Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4. und 5.: Zu 6. Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: Zu 12.: Endnote: