02.03.2018 Drucksache 6/5377Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 21. März 2018 Impfquoten in Thüringen Die Kleine Anfrage 2781 vom 24. Januar 2018 hat folgenden Wortlaut: Medienberichten zufolge (vergleiche zum Beispiel Online-Ausgabe der Thüringer Allgemeinen vom 9. Januar 2018) liegen die Thüringer Impfquoten bei den empfohlenen Kinderimpfungen gegen Rotaviren, Pneumokokken , Masern, Polio und Humane Papillomviren (HPV) sowie bei der Influenza-Impfung bei ab 60-Jährigen unter dem Durchschnitt der neuen Bundesländer, teilweise sogar unter dem Bundesdurchschnitt (Masern, Pneumokokken und Polio). Dies stelle eine Verschlechterung der Thüringer Impfquoten im Vergleich zu den vergangenen Jahren dar. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Ursachen sieht die Landesregierung für die gesunkenen Impfquoten im Vergleich mit den anderen Bundesländern? 2. Welche Maßnahmen hat die Landesregierung ergriffen und wird sie ergreifen, um die Impfquoten in Thüringen zu erhöhen? 3. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Landesregierung in Thüringen in den vergangenen zehn Jahren verstorben oder behielten bleibende Schäden durch eine Erkrankung an Masern, Influenza oder Polio beziehungsweise durch eine Infektion mit Rotaviren oder Pneumokokken? 4. In welchen Thüringer Landkreisen beziehungsweise kreisfreien Städten sind nach Kenntnis der Landesregierung die Quoten der Impfungen gegen die in der Einleitung erwähnten Erkrankungen besonders niedrig und worauf sind diese schlechteren Impfquoten nach Ansicht der Landesregierung zurückzuführen? 5. Welche Handlungsmöglichkeiten haben Gesundheitsämter, um sogenannten Impfkritikern entgegenzuwirken und welche weiteren selbständigen Möglichkeiten gibt es für die Gesundheitsämter nach Ansicht der Landesregierung, zu höheren Impfquoten beizutragen? 6. Sind der Landesregierung Vorgänge bekannt, wonach ärztliches beziehungsweise nichtärztliches medizinisches Fachpersonal oder Heilpraktiker bewusst von einer Schutzimpfung eines Kindes abgeraten haben? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Zippel (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5377 Das Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 28. Februar 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Die vom Robert Koch-Institut (RKI) berechneten Impfquoten beruhen auf Abrechnungsdaten, welche von den gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen der "KV-Impfsurveillance" zur Verfügung gestellt wurden. Vergleicht man diese mit den Impfquoten, die jährlich bei den Einschulungsuntersuchungen erhoben werden, so sind die vom RKI veröffentlichten KV-Impfquoten deutlich niedriger. Hauptursache hierfür ist, dass bei der "KV-Impfsurveillance" nur Kinder als vollständig geimpft betrachtet werden, die alle notwendigen Impfdosen im von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Zeitraum erhalten haben, die Impfquoten gegen Rotaviren, Masern, Pneumokokken und Polio werden also zu einem Zeitpunkt erhoben, der weit vor den Einschulungsuntersuchungen liegt. Aus dem Vergleich der KV-Daten mit den Impfquoten des Öffentlichen Gesundheitsdienstes kann demnach geschlossen werden, dass ausgebliebene Impfungen bei Kindern in Thüringen meist bis zum Einschulungsalter nachgeholt werden. Von einem signifikanten Absinken der Impfquoten in den letzten Jahren kann nicht die Rede sein. Bei den Einschulungsuntersuchungen haben sich die Impfquoten in Thüringen gegen Masern, Pneumokokken und Polio nur minimal verändert. Die Quoten der Rotavirus-Impfung sind seit Bestehen der STIKO-Empfehlung bis zum Schuljahr 2016/2017 kontinuierlich gestiegen. Die KV-Impfquoten gegen Masern (2. Impfung mit 24 Monaten) sind im Vergleich zum Vorjahr in Thüringen leicht gestiegen. Die Tatsache, dass auch bei den RKI-Daten in Thüringen die Quote der 1. Masernimpfung deutlich höher ist als die der 2. Impfdosis zeigt, dass insbesondere die 2. Impfdosis, die zur Vervollständigung des Impfschutzes notwendig ist, zu spät oder gar nicht verabreicht wird. Die Ursachen hierfür sind weniger in einer wachsenden kritischen Grundhaltung gegenüber Impfungen zu suchen, wahrscheinlicher ist es, dass die Vervollständigung begonnener Impfserien häufig vergessen wird oder aufgrund falscher Kontraindikationen (zum Beispiel leichte Erkältungen) zu weit nach hinten verschoben wird. Letzteres könnte auch die Ursache dafür sein, dass insbesondere die neuen Bundesländer bei der "KV-Impfsurveillance" schlechtere Impfquoten gegen Masern aufweisen: Kinder besuchen in den neuen Bundesländern wesentlich häufiger und früher Kindertagesstätten und sind dadurch anfangs aufgrund der vermehrten Kontakte zu anderen Kindern auch anfälliger für Infektionskrankheiten, was dann mitunter dazu führt, dass Impftermine immer weiter verschoben werden. Zu 2.: Im September 2017 wurde das neue Thüringer Impfportal gestartet. Die in Zusammenarbeit mit den Partnern des Projekts "Impfen 60+" (RKI, Uni Erfurt, Uniklinik Jena, Lindgrün GmbH) entstandene Website* bietet umfassende, leicht verständliche und transparente Informationen zu den von der STIKO empfohlenen Schutzimpfungen und impfpräventablen Krankheiten für Angehörige aller Altersgruppen. Des Weiteren wurden zielgruppenspezifische Broschüren zum Thema Impfen gedruckt, die auf den im Impfportal zur Verfügung gestellten Informationen basieren und zum Beispiel in Arztpraxen ausgelegt werden. Weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Impfquoten, wie zum Beispiel ein Impfangebot im Rahmen der Schuleingangsuntersuchungen zur Nachholung von Impfungen werden derzeit erörtert. Zu 3.: Die Sterbefälle sind in Tabelle 1 dargestellt. Bleibende Schäden sind kein Meldetatbestand, somit liegen der Landesregierung dazu keine Daten vor. Bei Pneumokokken ist zu beachten, dass in Thüringen lediglich eine Meldepflicht für eine Erkrankung und Tod in Zusammenhang mit einer Meningitis besteht. Weitere Todesfälle, beispielsweise durch eine Pneumokokken -Sepsis oder -Pneumonie, finden sich in dieser Statistik nicht wieder. 3 Drucksache 6/5377Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Tabelle 1 Erkrankung Anzahl der Sterbefälle 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018* gesamt Influenza 0 3 3 0 0 3 1 6 6 12 0 34 Masern 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Pneumokokken 0 1 1 0 2 0 0 2 0 0 0 6 Polio 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Rotaviren 1 2 1 0 1 1 2 0 1 2 0 11 * Stand: 19. Februar 2018 Zu 4.: Auch in Bezug auf die regionale Verteilung der Impfquoten zeigen sich je nach Erhebung deutliche Unterschiede . Betrachtet man die KV-Daten, so wurden insbesondere in der Stadt Gera sowie in den Landkreisen Hildburghausen und Altenburger Land sehr niedrige Impfquoten von unter 60 Prozent für die 2. Masernimpfung im Alter von 24 Monaten festgestellt (Geburtsjahrgang 2014). Während Hildburghausen und das Altenburger Land auch bei den Einschulungsuntersuchungen im Schuljahr 2016/2017 vergleichsweise niedrige Impfquoten von unter 90 Prozent für die 2. Masernimpfung zeigten, stellte sich die Situation in Gera anders dar: Hier waren im Schuljahr 2016/2017 mehr als 95 Prozent der einzuschulenden Kinder zweimal gegen Masern geimpft. Auch die Städte Jena und Eisenach wiesen hier Impfquoten von unter 90 Prozent auf. Die für die Masern-Eliminierung notwendige Impfquote von 95 Prozent wurde bei der Einschulungsuntersuchung 2016/2017 insgesamt nur in vier Landkreisen und kreisfreien Städten erreicht. Für die weiteren Impfungen liegen detaillierte regionale Daten nur aus den schulärztlichen Untersuchungen vor. Tabelle 2 zeigt jeweils die fünf Thüringer Landkreise und kreisfreien Städte mit den niedrigsten Impfquoten im Vergleich zum Thüringer Gesamtwert. Die Daten beziehen sich auf die Schuleingangsuntersuchung 2016/2017, aktuellere Daten liegen der Landesregierung noch nicht vor. Für HPV und Influenza liegen keine validen Daten zur Regionalität vor. Tabelle 2 Impfung Rotaviren (Prozent) Pneumokokken (Prozent) Polio (Prozent) Hildburghausen (42,9) Hildburghausen (86,3) Suhl (92,4) Kyffhäuserkreis (39,1) Wartburgkreis (85,2) Saale-Orla-Kreis (91,6) Erfurt (38,9) Eisenach (81,0) Hildburghausen (88,5) Jena (28,9) Eichsfeld (80,5) Jena (88,0) Eisenach (21,4) Suhl (78,6) Eisenach (85,4) Thüringen gesamt: 50,9 90,1 93,6 Grundsätzlich zeigen die Daten, dass es bisweilen große regionale Unterschiede in der Inanspruchnahme von Schutzimpfungen gibt, wobei dies besonders bei der Masern- und der Rotavirusimpfung deutlich wird. Zu möglichen Ursachen für die unterschiedliche regionale Verteilung liegen der Landesregierung keine weiteren Erkenntnisse vor. Zu 5.: Gemäß § 1 der Verordnung über den öffentlichen Gesundheitsdienst und die Aufgaben der Gesundheitsämter in den Landkreisen und kreisfreien Städten vom 8. August 1990 haben die Gesundheitsämter die Aufgabe , eine Impfberatung zu gewährleisten. Einige Gesundheitsämter führen zu diesem Zweck Impfsprechstunden und Schutzimpfungen als subsidiäres Angebot durch. Dies schließt auch die Impfberatung von Eltern, deren Kinder eine Gemeinschaftseinrichtung besuchen, gemäß § 34 Abs. 10 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ein. Sorgeberechtigte, die bei der Erstaufnahme ihrer Kinder in eine Kindertagesstätte der Verpflichtung der Vorlage eines Impfberatungsnachweises gemäß § 34 Abs. 10a IfSG nicht nachkommen, können vom Gesundheitsamt zu einer Impfberatung geladen werden. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5377 Zudem kann bei Nichterbringen des Beratungsnachweises gemäß § 73 IfSG ein Bußgeld bis zu einer Höhe von 2.500 Euro verhängt werden. Des Weiteren können die Gesundheitsämter im Falle des Ausbruchs einer impfpräventablen Erkrankung in einer Einrichtung erweiterte Schutzmaßnahmen gemäß § 28 ff. IfSG gegenüber Personen mit unzureichendem Impfschutz anordnen. Dies schließt vorübergehende Tätigkeitsoder Betretungsverbote ein. Zuwiderhandlungen sind ebenfalls bußgeldbewehrt. Zur Erhöhung der Impfquoten wird derzeit geprüft, inwieweit Möglichkeiten bestehen, im Rahmen der schulärztlichen Untersuchungen die Nachholung fehlender Schutzimpfungen anzubieten. Zu 6.: Der Landesregierung sind keine konkreten Vorgänge bekannt, bei denen bewusst medizinisches Fachpersonal oder Heilpraktiker entgegen der STIKO-Empfehlungen von einer Schutzimpfung eines Kindes abgeraten haben. Werner Ministerin Endnote: * Vergleiche http://www.thüringen-impft.de. Impfquoten in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Endnote: