12.03.2018 Drucksache 6/5410Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 27. März 2018 Schreibschrift an Thüringer Schulen Die Kleine Anfrage 2802 vom 30. Januar 2018 hat folgenden Wortlaut: Wie in vielen Bundesländern gibt es auch in Thüringen keine verbindlichen Regeln, die das Erlernen der Schreibschrift im Grundschulalter vorschreiben. So heißt es im Thüringer Lehrplan für die Grundschule und für die Förderschule mit dem Bildungsgang Grundschule, Fach Deutsch: "Mit Beginn der Grundschulzeit gewinnt der Schüler aufbauend auf seinen Vorkenntnissen, in der Auseinandersetzung mit Geschriebenem Einsichten in den Aufbau und die Struktur der Sprache. Der Schüler eignet sich in einem Schreiblehrgang die Druckschrift an." Nach Beendigung der vierten Grundschulklasse wird laut Lehrplan erwartet, dass der Schüler "mit einer gut lesbaren individuellen Handschrift schreiben" kann. Um welche Schrift es sich dabei handelt, legt der Lehrplan seit 2010 nicht mehr fest. Traditionell wird in Thüringen die Schulausgangsschrift genutzt. Einige Schulen verwenden die Grundschrift. Ich frage die Landesregierung: 1. Hat die Landesregierung Kenntnis darüber, in welchen Klassen und an welchen Standorten von Grundund Gemeinschaftsschulen in Thüringen das Erlernen einer Schreibschrift unterrichtet wird? Wenn die Frage mit Ja beantwortet wird, um welche Klassen an welchen Standorten handelt es sich? Wenn die Frage mit Nein beantwortet wird, warum hat die Landesregierung keine Kenntnis darüber und plant sie diesbezüglich Erhebungen anzustellen? 2. Welche Gründe gibt es dafür, dass es keine Festlegung im Lehrplan der Grundschule zum Erlernen einer Schreibschrift gibt? 3. Welche Festlegungen zum Erlernen des Schreibens gab es in den vorherigen Lehrplänen, die im Freistaat Thüringen Geltung hatten? Welche Gründe gab es gegebenenfalls für die Änderung dieser? 4. Wie schätzt die Landesregierung die Fähigkeiten Thüringer Schüler in Bezug auf das Schreiben ein und auf welche Grundlage stützt sich die Landesregierung dabei? 5. Teilt die Landesregierung die Bedenken vieler Eltern, dass die Schüler, die keine Schreibschrift erlernen, langfristig Schwierigkeiten haben, sich schriftlich mitzuteilen? 6. Wie beurteilt die Landesregierung die Aussage, dass es sich bei der Schreibschrift um eine elementare Kulturtechnik handelt, die zunehmend verloren geht? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Muhsal (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5410 7. Welche Maßnahmen wird die Landesregierung ergreifen, um die Schreibschrift als elementare Kulturtechnik innerhalb des Lehrplans zu stärken? Das Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Kleine Anfrage namens der Lan desregierung mit Schreiben vom 9. März 2018 wie folgt beantwortet: Vorbemerkung: Die Handschrift ist eine tragende Säule der Schriftkultur. Sie dient dem Austausch, dem Ausdruck und der Entwicklung und Verbreitung von Ideen. Deshalb ist es Ziel des Deutschunterrichts an den Thüringer Grundschulen , dass alle Thüringer Schülerinnen und Schüler bis zum Ende der 4. Klasse über eine flüssige und gut lesbare Handschrift verfügen. Zu 1.: An Thüringer Grund-, Gemeinschafts- und Förderschulen eignen sich die Schülerinnen und Schüler laut Lehrplan für die Grundschule und für die Förderschule mit dem Bildungsgang der Grundschule Deutsch 2010 in einem Schreiblehrgang eine flüssige, formklare und leserliche Druckschrift an. Bis zum Ende der Klassenstufe 4 sollen die Kinder mit einer gut lesbaren und individuellen Handschrift formklar, flüssig und in angemessenem Tempo schreiben und Texte übersichtlich gestalten können. In der Regel erlernen die Kinder in Thüringen nach der Druckschrift eine verbundene Schrift, zumeist die Schulausgangsschrift, die vereinfachte Ausgangschrift, in wenigen Fällen die Grundschrift. Lehrkräfte gestalten ihren Unterricht eigenverantwortlich im Rahmen der rechtlichen Vorgaben. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Unabhängig davon ist im Rahmen der Auswertung der Untersuchung "IQB-Bildungstrend 2016" eine Erhebung darüber geplant, ob, in welcher Form und zu welchem Zeitpunkt eine verbundene Schrift an den einzelnen Schulen eingeführt wird. Zu 2.: Für die im September 2008 begonnene und zum Schuljahr 2010/2011 in Kraft getretene Arbeit an den weiterentwickelten Lehrplänen der allgemeinbildenden Schulen in Thüringen, so auch im Fach Deutsch in der Grundschule, sind besonders zwei Gründe zu nennen: Erstens finden die aktuellen Vorgaben und Empfehlungen der Kultusministerkonferenz (KMK) Beachtung. Die Ziele im Deutschlehrplan am Ende der Klassenstufe 4 orientieren sich an den Anforderungen der Bildungsstandards im Fach Deutsch im Primarbereich nach Beschluss der KMK vom 15. Oktober 2004. Die Bildungsstandards legen hinsichtlich des Schreibens und der Handschrift fest, dass die Schülerinnen und Schüler über verschiedene Möglichkeiten der ästhetischen Darstellung entsprechend dem Schreibanlass verfügen und mit unterschiedlichen Medien arbeiten. Sie schreiben eine lesbare und flüssige Handschrift. Laut Empfehlungen zur Arbeit in der Grundschule nach Beschluss der KMK vom 2. Juli 1970 in der Fassung vom 11. Juni 2015 sollen die Kinder sowohl Druckschrift als auch eine verbundene Schrift lernen und bis zum Ende der Jahrgangsstufe 4 eine individuelle, gut lesbare und flüssige Handschrift entwickeln. Diese Empfehlungen können auf der Grundlage des aktuellen Thüringer Lehrplans erfolgreich umgesetzt werden. Zweitens basieren die weiterentwickelten Lehrpläne auf dem Thüringer Kompetenzmodell und beschreiben die Ziele der Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler in den einzelnen Fächern und deren Lernbereichen unter Beachtung der Entwicklung der Sach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz. Wichtigstes Anliegen ist die Herausbildung von Lernkompetenz. Die Lehrpläne beschreiben Ziele und ermöglichen Freiräume für die Unterrichtsgestaltung. Der Lehrplan im Fach Deutsch 2010 beschreibt die Ziele der Kompetenzentwicklung in den Bereichen Hör-/ Hör-Sehverstehen, Sprechen, Leseverstehen, Schreiben sowie über Sprache, Sprachverwendung und Sprachenlernen reflektieren für die Schuleingangsphase und bis zum Ende der Klassenstufe 4. Die vielfältigen methodischen Schritte und Vorgehensweisen, die zur Erreichung der Ziele möglich und notwendig sind, werden im weiterentwickelten kompetenzorientierten Lehrplan nicht vorgeschrieben. Diese müssen im Rahmen der schulinternen Lehr- und Lernplanung in den dafür zuständigen Gremien und vom einzelnen Lehrenden mit Blick auf die Lernvoraussetzungen seiner Schülerinnen und Schüler festgelegt 3 Drucksache 6/5410Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode werden. Im Bereich Schreiben sind unter anderem Wahrnehmungs- und Orientierungsübungen, Übungen zur Entwicklung der Feinmotorik und der Schreibhaltung, Übungen zum Erfassen der Buchstabenformen und Schreibabläufe, das Erlernen der Druckschrift als Erstschrift und einer verbundenen Schrift wichtige Schritte auf dem Weg zum erfolgreichen Schriftspracherwerb und zur Entwicklung einer gut lesbaren, formklaren und flüssigen individuellen Handschrift. Druckschrift als Erstschrift bedeutet nicht, dass die Kinder keine verbundene Schrift lernen. Unverbundene Schrift unterstützt das Erlernen von Buchstaben und Lauten , das Lesenlernen, das Verständnis des alphabetischen Prinzips der Deutschen Sprache und ermöglicht Schreiben von Anfang an. Verbundene Schrift verdeutlicht das Wort als Einheit und Bestandteil von Sätzen und Texten, unterstützt den Erwerb der orthografischen und morphematischen Strategie, das Erlernen der Regeln der deutschen Sprache und die Entwicklung der Schreibgeläufigkeit. Die Wahl des methodischen Vorgehens liegt laut Dienstordnung für Lehrer, Erzieher und sonderpädagogische Fachkräfte an den staatlichen Schulen in Thüringen in der pädagogischen Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrer. Zu 3.: Im vorläufigen Lehrplan für die Grundschule Deutsch 1991 ist formuliert, dass die Druckschrift als Erstschrift beim Leselehrgang verwendet wird. Die Schreiberziehung zielt auf die verbundene Schreibschrift und ist in einem Lehrgang zu vermitteln. Es können die Schulausgangsschrift und auch die lateinische Ausgangsschrift verwendet werden. Grundlage für diese Festlegungen im Lehrplan ist der Beschluss der KMK vom 21. Oktober 1953 in der Fassung vom 28./29. September 1961. Weiterhin wird bereits in diesem Lehrplan auf die notwendige Verbindung von Lese- und Schreiblehrgang hingewiesen. Im vorläufigen Lehrplan für die Grundschule Deutsch Juli 1993 wird zwischen Erstschreiben und weiterführendem Schreiben unterschieden. Um den Schrifterwerb zu unterstützen, kann am Anfang des Schreiblehrgangs die Druckschrift verwendet werden. Durch sie kann sehr früh die Verbindung von Erstschreiben und Erstlesen hergestellt werden. Die Schreiberziehung zielt jedoch auf die Schreibschrift ab. Es können die Schulausgangsschrift und die vereinfachte Ausgangsschrift verwendet werden. Das weiterführende Schreiben hat zum Ziel, die Schreibgeschwindigkeit in angemessener, altersgerechter Weise zu fördern und die Ausgangsschrift zu einer zügigen, gut lesbaren Verkehrsschrift fortzuführen. Die Handschrift gilt als Ausdruck der Person. Der Wille zum Schreiben einer deutlichen und klaren Schrift, zur übersichtlichen Gliederung sowie zur zweckmäßigen und ästhetischen Gestaltung von Texten soll entwickelt werden. Laut Lehrplan für die Grundschule und für die Förderschule mit dem Bildungsgang Grundschule 1999 sollen die Schülerinnen und Schüler durch sorgfältiges, den individuellen Entwicklungsstand berücksichtigendes Vorgehen bis zum Ende der 2. Klasse in die Lage versetzt werden, eine formorientierte, verbundene Schrift zu schreiben. Sie erlernen die Druckschrift als Erstschrift, erarbeiten eine verbundene Schrift und entwickeln diese zu einer individuellen, zügigen und gut lesbaren Handschrift weiter. Als verbundene Schrift werden die Schulausgangsschrift oder die vereinfachte Ausgangsschrift empfohlen. Im aktuellen Lehrplan für die Grundschule und für die Förderschule mit dem Bildungsgang Grundschule Deutsch 2010 sind als Ziele der Kompetenzentwicklung festgelegt, dass sich die Schülerinnen und Schüler in der Schuleingangsphase die Druckschrift in einem Schreiblehrgang aneignen, diese flüssig, formklar und leserlich schreiben können und am Ende der Klassenstufe 4 eine gut lesbare individuelle Handschrift formklar, flüssig und im angemessenen Tempo schreiben. Gründe für die Weiterentwicklung der Lehrpläne sind bereits in der Antwort zur Frage 2 aufgezeigt. Ergänzend dazu ist festzustellen, dass sich im Laufe der Entwicklung bundesweit die Druckschrift als Erstschrift durchgesetzt hat, weil diese auch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sinnvoll an die Vorerfahrungen der schulischen Lernanfänger anknüpft und der engen Verbindung von Lesen und Schreiben im Lernprozess und im Anfangsunterricht gerecht wird. Die aktuellen Regelungen in den Bundesländern sind in diesem Rahmen vergleichbar. In fast allen Bundesländern ist die Druckschrift als Erstschrift in den Lehrplänen festgelegt. Aussagen zur verbundenen Schrift sind unterschiedlich offen gehalten. Zu 4.: Die Einschätzung der Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf das Schreiben mit der Hand sowie des Erreichens der Ziele der Kompetenzentwicklung und der notwendigen individuellen Förderung in diesem Bereich muss an der Schule erfolgen. Diese Fähigkeiten sind beispielsweise im Rahmen der Kompetenztests oder anderer nationaler und internationaler Tests und Erhebungen nicht valide mess- und vergleichbar . 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5410 Zu 5.: Die Ziele der Kompetenzentwicklung im Thüringer Lehrplan für die Grundschule Deutsch 2010 verdeutlichen , dass vom Anfangsunterricht bis zum Ende der Klassenstufe 4, also über die gesamte Grundschulzeit , an der Entwicklung der Handschrift gearbeitet werden soll, weil diese gleichzeitig ein wichtiger Lerngegenstand im Fach Deutsch und eine wichtige Lerngrundlage in anderen Fächern und für das Lernen über die Grundschulzeit hinaus ist. Deshalb sollen die Kinder in den verschiedenen Kompetenzbereichen neben der Entwicklung der Handschrift auch Wörter und Texte mit Schrift übersichtlich und kreativ gestalten, eigene Texte verfassen, unterschiedliche Schreibwerkzeuge, Materialien, Lineaturen und Schriftzeichen nutzen und über Schrift reflektieren, sich also vielfältig mit Schrift beschäftigen und auseinandersetzen. Die Entwicklung der Motivation und des Willens zum richtigen und gut lesbaren Schreiben ist von hoher Bedeutung. Auch in den Lehrplänen Deutsch für die weiterführenden Schulen sind Ziele der Kompetenzentwicklung bezogen auf die Handschrift formuliert. Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 6 und 7 verwiesen. Zu 6. und 7.: Lesen- und Schreibenlernen wird in den Thüringer Lehrplänen als ein lebenslanger Prozess beschrieben, der den Weg in die Schriftkultur eröffnet und die eigenständige Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben sichert. Die Aneignung und Beherrschung der Standardsprache spielt eine wichtige Rolle, da sie eine wesentliche Grundlage für den Schulerfolg jedes Kindes bildet. Die Förderung des Lese- und Schreibinteresses , des Erwerbs grundlegender Lese- und Schreibfähigkeiten und der Anwendung der geschriebenen Sprache sind zentrale Anliegen in der Grundschule. Dazu gehört die Entwicklung der Handschrift. Sie ist elementar für den Schriftspracherwerb und das Lernen insgesamt und ist fest im Lehrplan verankert. Schreiben wird in der Grundschule über das Schreiben mit der Hand erlernt und ist eng mit dem Lesen verbunden . Beides sind elementare Kulturtechniken, die in der modernen Welt mit neuen Medien im Alltagsgebrauch Wandlungen unterworfen sind. Holter Minister Schreibschrift an Thüringer Schulen Ich frage die Landesregierung: Vorbemerkung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6. und 7.: