13.04.2018 Drucksache 6/5411Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 26. April 2018 Finanzierung von ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen in Thüringen durch Dritte Die Kleine Anfrage 2869 vom 22. Februar 2018 hat folgenden Wortlaut: In der Mai-Ausgabe 2017 berichtete das Thüringer Ärzteblatt über wesentliche Ergebnisse eines Runden Tisches zum Thema Antikorruptionsgesetz Anfang März 2017. An diesem Austausch nahmen die Landesärztekammer Thüringen, die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen, die Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen sowie Vertreter der Staatsanwaltschaft Erfurt und der Generalstaatsanwaltschaft Jena teil. Die Ärztekammer Thüringen informierte in dem genannten Artikel darüber, dass die Vertreter der genannten Staatsanwaltschaften einen Anfangsverdacht für die Verwirklichung von § 299a Strafgesetzbuch (StGB) bereits dann als gegeben ansehen, wenn die bloße Teilnahme an einer ärztlichen Fortbildungsveranstaltung von der Industrie finanziert wird. Diese Auffassung vertreten die Staatsanwaltschaften in Widerspruch zu den berufsrechtlichen Regelungen der Ärzteschaft, insbesondere in Widerspruch zu § 32 Abs. 2 und Abs. 3 der Berufsordnung der Landesärztekammer Thüringen sowohl auf das individuelle Fortbildungssponsoring als auch auf das kollektive Veranstaltungssponsoring. Jede Annahme von Beiträgen Dritter zur Durchführung von ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen begründe einen Anfangsverdacht nach § 299a StGB. Ich frage die Landesregierung: 1. Ist es richtig, dass der oben beschriebene Austausch Anfang des Jahres 2017 stattgefunden hat und wenn ja, wann genau hat er stattgefunden? 2. Ist der Landesregierung die Rechtsauffassung der oben genannten Staatsanwaltschaften bekannt, wonach sie bereits dann einen Anfangsverdacht nach § 299a StGB als gegeben ansehen, wenn eine ärztliche Fortbildungsveranstaltung von Dritten finanziert wird, ohne dass weitere Anhaltspunkte (insbesondere das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung) hinzutritt? 3. Welche Rechtsauffassung vertritt die Landesregierung? 4. Müssen Angehörige der Landesärztekammer Thüringen per se mit strafrechtlichen Ermittlungen der zuständigen thüringischen Behörden rechnen, wenn sie an Fortbildungsveranstaltungen in Thüringen oder in anderen Bundesländern teilnehmen, wenn die Veranstaltungen von Dritten (mit-)finanziert werden? 5. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden gegen Mitglieder der Thüringer Ärzteschaft aufgrund der Teilnahme an von Dritten (mit-)finanzierten Fortbildungsveranstaltungen seit Inkrafttreten des § 299a StGB eingeleitet? 6. Ist der Landesregierung bekannt, welche Rechtsauffassung von Staatsanwaltschaften anderer Bundesländer vertreten wird und wie viele Ermittlungsverfahren jeweils eingeleitet wurden? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Zippel (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5411 Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 11. April 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: In Umsetzung der gesetzlichen Neuregelungen in § 81a Abs. 3 und § 197a Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) fanden am 1. März 2017 bei der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen und am 29. März 2017 mit Vertretern der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Thüringen sogenannte Runde Tische zum Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen (BGBl 2016 I S. 1254 ff.) statt. An diesen nahmen jeweils auch Vertreter der Thüringer Generalstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft Erfurt (Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Korruptionsdelikte) teil. Zu 2.: Die von der Generalstaatsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft Erfurt vertretene Rechtsauffassung zu den Vorschriften des § 299a ff. Strafgesetzbuch (StGB) ist hier bekannt und wird geteilt. Sie entspricht jedoch nicht der in der Fragestellung dargestellten Auffassung. Das Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 Strafprozessordnung) verpflichtet die Strafverfolgungsbehörden bei Vorliegen eines Anfangsverdachts ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Ein Anfangsverdacht für eine Straftat nach § 299a StGB liegt in der Regel vor, wenn konkrete Tatsachen den Verdacht begründen, dass ein Angehöriger eines Heilberufs im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufes einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Verordnung oder dem Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln sowie Medizinprodukten oder bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial einen anderen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt. Neben dem Vorteil, wie zum Beispiel der Übernahme von Reisekosten bei Fortbildungsveranstaltungen, müssen auch konkrete Anhaltspunkte für die vom Gesetzgeber geforderte Unrechtsvereinbarung im oben dargestellten Sinne bestehen. So können zum Beispiel die Übernahme der Kosten für Begleitpersonen, aufwändige Freizeitaktivitäten, nicht der Fortbildung dienende Begleitveranstaltungen, Übernachtungen in Luxushotels und/oder auch ein auffälliges Verordnungsverhalten Anknüpfungspunkte für das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung sein und damit einen Anfangsverdacht begründen. Zu 3.: Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Zu 4.: Nein; die Berufsgruppe der Ärzte steht weder unter Generalverdacht, noch ist beabsichtigt, Ärzte zu kriminalisieren . Die Ärzte und ihre Vertretungen sollen sensibilisiert werden, dass die Annahme von Vorteilen, die die ärztliche Berufsordnung zwar billigt, im entsprechenden Kontext, das heißt bei Vorliegen einer entsprechenden Unrechtsvereinbarung, jedoch strafbar sein kann. Geschützte Rechtsgüter der §§ 299a und 299b StGB sind der faire Wettbewerb im Gesundheitswesen und das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen und mittelbar auch der Schutz von Vermögensinteressen. Zu 5.: Bei der für Korruptionsverfahren thüringenweit zuständigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft Erfurt wurden bislang keine Ermittlungsverfahren gegen Angehörige von Heilberufen wegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen gemäß § 299a StGB allein aufgrund der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen eingeleitet. Zu 6.: Die rechtliche Problematik war Gegenstand einer Länderanfrage an sämtliche Generalstaatsanwaltschaften. Hinsichtlich der begrifflichen Identität des "Vorteilsbegriffs" der §§ 299a und 299b StGB und der §§ 31 und 32 MBO besteht Übereinstimmung. Im Übrigen ist es aufgrund der (verkürzten) Darstellung der Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft Erfurt und der Generalstaatsanwaltschaft im Thüringer Ärzteblatt 5/2017, welche ohne vorherige Autorisation durch die Staatsanwaltschaft Erfurt beziehungsweise die Generalstaatsanwaltschaft erfolgte, vereinzelt zu abweichenden Bewertungen in anderen Bundesländern gekommen. Wie viele Ermittlungsverfahren in anderen Bundesländern eingeleitet worden sind, ist nicht bekannt. Lauinger Minister Finanzierung von ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen in Thüringen durch Dritte Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: