21.03.2018 Drucksache 6/5480Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 5. April 2018 Umsetzung von § 49 Thüringer Straßengesetz in Bezug auf den Winterdienst am Beispiel der Gemeinde Neustadt am Rennsteig Die Kleine Anfrage 2839 vom 12. Februar 2018 hat folgenden Wortlaut: In Neustadt am Rennsteig ist in der gültigen Straßenreinigungssatzung festgelegt, dass die Bürger seit dem Jahr 2013 die Gehwege nicht räumen müssen. Dafür werden durch den Winterdienst die Straßen auf breiter Fläche freigemacht. Das gilt insbesondere für die durch den Ort führende Landesstraße, auf der die Fußgänger dann laufen dürfen. Schilder am Ortseingang weisen darauf entsprechend hin. Im Rahmen einer Einwohnerversammlung informierte nunmehr der Bürgermeister darüber, dass aufgrund einer Beschwerde , das Straßenbauamt Mittelthüringen als Straßenbaulastträger ihn angewiesen habe, unverzüglich für die Räumung der Gehwege zu sorgen (vergleiche Thüringer Allgemeine Ilmenau und Freies Wort Ilm-Kreis vom 9. Februar 2018). Ich frage die Landesregierung: 1. Welches Ermessen haben die Gemeinden im Zuge der Umsetzung des § 49 des Thüringer Straßengesetzes , welcher die Straßenreinigung und den Winterdienst innerhalb der geschlossenen Ortslage regelt und wie wird diese Auffassung begründet? 2. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung bezüglich der oben genannten Straßenreinigungssatzung der Gemeinde Neustadt am Rennsteig, welche festlegt, dass die Gehwege von den Bürgern nicht geräumt werden müssen und diese stattdessen die Straße benutzen dürfen und wie wird diese Auffassung begründet? 3. Unter welchen Bedingungen kann die Gemeinde, wie im Fall von Neustadt am Rennsteig, als Ortsbehörde Schilder mit dem im Eingangstext beschriebenen Hinweisen am Ortseingang aufstellen und wie wird diese Auffassung begründet? 4. Mit welcher Begründung hat das Straßenbauamt Mittelthüringen das Vorgehen in Neustadt am Rennsteig untersagt und eine unverzügliche Räumung der Gehwege angewiesen? 5. Welche Rechtsfolgen entstehen für die Gemeinde Neustadt am Rennsteig? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5480 Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 20. März 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Nach § 49 Thüringer Straßengesetz haben die Gemeinden zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung alle öffentlichen Straßen innerhalb der geschlossenen Ortslage zu reinigen. Die Reinigungspflicht umfasst auch die Verpflichtung, die Gehwege und Überwege für Fußgänger vom Schnee zu räumen und bei Schnee- und Eisglätte zu streuen. Die Gemeinden sind berechtigt, durch Satzung die Verpflichtung zur Reinigung ganz oder teilweise den Eigentümern oder Besitzern der durch öffentliche Straßen erschlossenen Grundstücke aufzuerlegen oder sie zu den entsprechenden Kosten heranzuziehen. Hinsichtlich des Winterdienstes hat die Gemeinde Neustadt am Rennsteig für Gehwege von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, diese Verpflichtung den in der Straßenreinigungssatzung genannten Verpflichteten aufzuerlegen. Ab einer Schneehöhe von zehn Zentimetern sind Ausnahmen vorgesehen. Zu 2.: Die "Satzung über die Straßenreinigung (Straßenreinigungssatzung) im Gebiet der Gemeinde Neustadt a. Rstg. vom 9. Dezember 2013" ist rechtsaufsichtlich nicht beanstandet und entspricht den Bestimmungen des Thüringer Straßengesetzes. Dies gilt auch, soweit es die Ausnahmeregelungen zu der Schneeräumpflicht und deren Umsetzung betrifft. Wesentlich für diese Bewertung ist der von der "thüringischen Rechtsprechung herangezogene Zumutbarkeitsgedanke". Eine Regelung, wonach die Bürger die Straße benutzen dürfen oder müssen, enthält die Straßenreinigungssatzung nicht. Da dies nicht Gegenstand der gesetzlichen Verpflichtung der Gemeinde nach § 49 Thüringer Straßengesetz ist, könnte das auch nicht in der Straßenreinigungssatzung geregelt werden. Zu 3.: Zum eigenständigen Aufstellen der genannten Beschilderung (Zeichen 133-10 sowie 274-30, also Vorsicht Fußgänger und Tempo 30) ist die Gemeinde nicht befugt. Verkehrszeichen dürfen grundsätzlich nur nach vorheriger verkehrsrechtlicher Anordnung seitens der zuständigen Straßenverkehrsbehörde, hier des Landratsamtes des Ilm-Kreises, aufgestellt werden. Verkehrszeichen dürfen von der Straßenverkehrsbehörde nur dort angeordnet werden, wo dies zwingend erforderlich ist. Im vorliegenden Fall existiert eine entsprechende verkehrsrechtliche Anordnung des Landratsamtes an das Straßenbauamt für die Landesstraßen in der Gemeinde Neustadt am Rennsteig und im Ortsteil Kahlert vom 15. Dezember 2017. Sie sieht die oben genannte Beschilderung für den Zeitraum vom 14. Dezember 2017 bis zum 1. April 2018 vor. Das Landesverwaltungsamt als obere Straßenverkehrsbehörde und damit zuständige Fachaufsichtsbehörde sieht die genannte verkehrsrechtliche Anordnung als rechtswidrig an, weil das zwingende Erfordernis nicht besteht. Im Fall einer entsprechenden Witterungslage ist die Situation einerseits dem ortsansässigen Fahrzeugführer bekannt und auch einem nicht ortsansässigen Fahrzeugführer wird sich diese Situation bei der Durchfahrt durch den Ort erschließen. Fahrzeugführer haben ihre Fahrweise entsprechend der Vorgaben des § 1 StVO anzupassen. Weder bedarf es hierzu eines besonderen Hinweises mittels Gefahrzeichen 133 StVO noch der Anordnung einer maximal zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h mittels Zeichen 274-53 StVO. Das Landesverwaltungsamt hat das Landratsamt deshalb am 6. März 2018 angewiesen, diese verkehrsrechtliche Anordnung zurückzunehmen. Zu 4.: Das Straßenbauamt hat weder das Vorgehen der Gemeinde Neustadt am Rennsteig untersagt noch eine unverzügliche Räumung der Gehwege angewiesen. Im Zuge der regelmäßigen Streckenkontrollen auf den Landesstraßen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht war dem Straßenbauamt am 19. Dezember 2017 aufgefallen, dass die erforderlichen Durchfahrtsbreiten auf den Landesstraßen L 1137 und L 1143 in Neustadt am Rennsteig nicht mehr gegeben waren. 3 Drucksache 6/5480Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Der zuständige Gebietsingenieur des Straßenbauamtes wandte sich daraufhin am selben Tag an die Gemeinde Neustadt und die Verwaltungsgemeinschaft Langer Berg, um auf diesen Umstand hinzuweisen. Er führte in diesem Zusammenhang sinngemäß aus, Ursache sei die nicht erfolgte Beseitigung der Schneemassen am Fahrbahnrand, verbunden mit nicht mehr funktionierenden Gehwegen. Der Gebietsingenieur forderte schließlich dazu auf, sofort mit der Beseitigung der Schneemassen am Fahrbahnrand zu beginnen, um der für den Winterdienst in Zuständigkeit der Gemeinde liegenden Verkehrssicherungspflicht nachzukommen. Die Landesregierung hält dieses Vorgehen des Straßenbauamtes für angebracht. Der Hinweis und diese Aufforderung waren der kritischen Situation und dem Untätigbleiben der Gemeinde geschuldet. Die Mitteilung des Gebietsingenieurs erweckte auch nicht den Eindruck einer aufsichtlichen Weisung . Im Übrigen ist es durchaus üblich, dass das Land und die anderen Gebietskörperschaften im Zuge der Bewältigung des Winterdienstes miteinander in Kontakt stehen, um sich abzustimmen und gegenseitig über relevante Feststellungen zu informieren. Auch wenn der innerörtliche Winterdienst in die Zuständigkeit der Gemeinden fällt, so hat das Land durchaus ein Interesse, dass ein gefahrloser Verkehr auf Landesstraßen immer gewährleistet bleibt und die Gemeinden ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen, um dies zu gewährleisten. Insofern ist hervorzuheben, dass die Einengung der Fahrbahn nicht auf eine unzureichende Räumung der Fahrbahn vom Schnee zurückzuführen war, sondern darauf, dass die nach Räumung am Fahrbahnrand entstandenen Schneemassen nicht abtransportiert wurden. Das Landesamt für Bau und Verkehr wurde gebeten, nochmals sicherzustellen, dass im Falle entsprechender Hinweise immer auch die zuständige Kommunalaufsicht informiert wird. Im vorliegenden Fall hatte das zuständige Landratsamt noch am 19. Dezember 2017 in dieser Angelegenheit telefonisch Kontakt mit dem Straßenbauamt aufgenommen. Dabei wurde auch dem Landratsamt erläutert, dass zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit ein Abtransport der Schneemassen am Fahrbahnrand erforderlich war. Zu 5.: Für die Gemeinde ergeben sich derzeit keine Rechtsfolgen. In Vertretung Dr. Sühl Staatssekretär P49-A5 _GoBack