29.03.2018 Drucksache 6/5519Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 16. April 2018 Verbot bleihaltiger Munition zur Jagdausübung in Thüringen Die Kleine Anfrage 2861 vom 21. Februar 2018 hat folgenden Wortlaut: Wie aus dem unter anderem mir vorliegenden Referentenentwurf der Thüringer Landesregierung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Thüringer Jagdgesetzes vom 12. Februar 2018 und aus verschiedenen Medienberichten hervorgeht, beabsichtigt die Thüringer Landesregierung , die Verwendung bleihaltiger Schrotmunition sowie ab dem 1. Juli 2019 auch die Verwendung bleihaltiger Büchsen- und Flintenlaufgeschosse zur Jagdausübung zu verbieten. Ich frage die Landesregierung: 1. Besitzt aus Sicht der Landesregierung der Freistaat Thüringen die notwendige rechtliche Kompetenz zum Verbot bleihaltiger Büchsen- und Flintenlaufgeschosse zur Jagdausübung oder liegt dies im Bereich der Bundeskompetenz? 2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über den Standpunkt der Bundesregierung zum Verbot bleihaltiger Jagdmunition durch die Bundesländer vor? 3. Beabsichtigt die Landesregierung perspektivisch auch bleihaltige Fangschussmunition für Kurzwaffen zur Jagdausübung zu verbieten und falls ja, weshalb und falls nein, warum nicht? 4. Auf welchen wissenschaftlichen Grundlagen, Studien beziehungsweise Stellungnahmen basiert das beabsichtigte Verbot bleihaltiger Munition zur Jagdausübung (bitte mit Quellenangabe)? 5. Welche Erkenntnisse besitzt die Landesregierung über das von bleihaltiger Jagdmunition abweichende Abprallverhalten bleifreier Jagdmunition beim Auftreffen auf harte und weiche Oberflächen sowie im Wildkörper (bitte mit Quellenangabe)? 6. Welche Preissteigerung erwartet die Landesregierung bei bleifreier Jagdmunition, falls bleihaltige Schrotmunition und bleihaltige Büchsen- und Flintenlaufgeschosse zur Jagdausübung verboten werden sollten? 7. Welche zusätzlichen Kosten erwartet die Landesregierung für die Jägerschaft, falls bleihaltige Schrotmunition und bleihaltige Büchsen- und Flintenlaufgeschosse zur Jagdausübung verboten werden sollten? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Möller (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5519 8. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse besitzt die Landesregierung über die toxischen Auswirkungen der derzeit für bleifreie Jagdmunition verwendeten Werkstoffe auf die hiesige Flora und Fauna (bitte mit Quellenangabe)? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 28. März 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Bei dem Verbot bleihaltiger Büchsen- und Flintenlaufgeschosse zur Jagdausübung geht es nicht um ein generelles Verbot bleihaltiger Munition, wofür der Bund nach Artikel 73 Abs. 1 Nr. 12 Grundgesetz (GG) (Waffen - und Sprengstoffrecht) die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz besitzt, sondern um die Verwendung bleihaltiger Geschosse bei der Jagd. Insofern handelt es sich um eine jagdrechtliche Bestimmung, die gemäß Artikel 74 Abs. 1 Nr. 28 GG der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes zuzuordnen ist, von der die Länder aber gemäß Artikel 72 Abs. 3 Nr. 1 GG abweichen dürfen. Somit besitzt der Freistaat Thüringen die notwendige rechtliche Kompetenz zum Verbot bleihaltiger Büchsen- und Flintenlaufgeschosse zur Jagdausübung. Zu 2.: Im Zusammenhang mit der Einführung bleifreier Jagdmunition in Schleswig-Holstein liegt der Landesregierung ein Schreiben des damaligen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vom 27. Juni 2013 vor, nach dem das damalige BMEL bei gesetzlichen Regelungen zur Verwendung bleihaltiger Munition bei der Jagdausübung eine Doppelkompetenz des Bundes nach Artikel 73 Abs. 1 Nr. 12 GG (Waffen - und Sprengstoffrecht) und nach Artikel 74 Abs. 1 Nr. 28 GG beansprucht. Das damalige BMEL kommt in dem genannten Schreiben deshalb zum Schluss, dass ein Verbot bleihaltiger Munition bei der Jagd nur vom Bund normiert werden kann. Zu 3.: Die Landesregierung beabsichtigt derzeit aus Sicherheitsgründen (Abprallverhalten bleifreier Munition) nicht, bleihaltige Fangschussmunition für Kurzwaffen zur Jagdausübung zu verbieten. Zu 4.: - Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Bleibelastung von Wildbret durch Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, Stellungnahme des BfR vom 3. Dezember 2010 - Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Gesundheits- und Umweltaspekte bei der Verwendung von Bleimunition bei der Jagd, BfR-Forum Spezial, 3.-4. November 2011 in Berlin - Group of Scientists, 2014. Wildlife and Human Health Risks from Lead-Based Ammunition in Europe: A Consensus Statement by Scientists. - Fisher. IJ, Pain; DJ, & Thomas, VG, 2006. A review of lead poisoning from ammunition sources in terrestrial birds. Biol. Cons. 131(3): 421 bis 432. - Bundesinstitut für Risikobewertung, Abschlussbericht zum Forschungsprojekt "Lebensmittelsicherheit von jagdlich gewonnenem Wildbret" (LEMISI) vom 19. Dezember 2014. Zu 5.: Maßgebend sind für die Landesregierung die Ergebnisse eines Forschungsvorhabens des Bundesamtes für Landwirtschaft und Ernährung zum "Abprallverhalten von Jagdmunition". Die Ergebnisse der durchgeführten Versuche lassen die folgenden Schlüsse zu: - Die beim Abprallen entstehenden Ablenkwinkel bleifreier Geschosse unterscheiden sich nicht signifikant von den Ablenkwinkeln bleihaltiger Geschosse. - Die seitlichen Ablenkwinkel sind im Mittel klein (< zwei Grad). Die extremsten Seitenwinkel waren immer noch kleiner als 20 Grad. - Abgeprallte Geschosse beziehungsweise Geschossreste bleifreier Konstruktion besitzen eine signifikant größere Masse und eine signifikant höhere Energie. In 30 Prozent der Abprallkonstellationen haben dennoch die bleihaltigen Geschosse mehr Energie als bleifreie. - Die mittlere maximale Reichweite der Abpraller ist bei bleifreien Geschossen signifikant höher als bei bleihaltigen. - Bei der Reichweite ist beim Unterschied zwischen bleihaltigen und bleifreien Geschossen eine Abhängigkeit vom Kaliber feststellbar. 3 Drucksache 6/5519Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - Ein bleihaltiges Geschoss mit sehr dickem Mantel ähnelt in seinem Abprallverhalten demjenigen eines bleifreien Geschosses. - Das Medium, an dem ein Geschoss abprallt, übt einen Einfluss darauf aus, ob bleihaltige oder bleifreie Geschosse "gefährlicher" abprallen, das heißt mit größerem Ablenkwinkel oder besserer Energieerhaltung. Zu 6. und 7.: Die Kosten für Jagdmunition (bleihaltig und bleifrei) hängen sehr stark vom Kaliber, Geschosstyp und Hersteller ab. Für alle gängigen Kaliber kann der Jäger zwischen einer Vielzahl von bleihaltiger und bleifreier Munition wählen. Bleifreie Büchsenmunition in den gängigen Kalibern gibt es zum Beispiel ab 50 Euro je 20 Stück, bleihaltige Büchsenmunition kann bis 90 Euro je 20 Stück kosten. Es liegt in der Entscheidung des einzelnen Jägers, welche Jagdmunition er verwenden möchte und wieviel Geld er bereit ist, dafür auszugeben . Insofern ist es nicht möglich, zusätzliche Kosten für die Jägerschaft zu benennen. Zu 8.: Bekannte alternative Werkstoffe zur bleihaltigen Munition sind Kupfer, Tombak (stark kupferhaltige Messinglegierung ), Messing (Kupfer-Zink-Legierung), Bronze (Kupfer-Zinn-Legierung). Die Ökotoxizität von Jagdbüchsengeschossen wurde unter anderem im Rahmen einer Bachelorarbeit an der Technischen Universität München untersucht (veröffentlicht in AFZ-Der Wald, Heft 22/2015, ab Seite 36). Die Ergebnisse verdeutlichen , dass bleifreie Jagdbüchsengeschosse ein sehr unterschiedliches Lösungsverhalten für verschiedene Schwermetalle aufweisen können. Einige Geschosse müssen nach diesen Untersuchungen mindestens so wie Bleigeschosse eingestuft werden. Andere bleifreie Geschosse sorgen in Vergleich zu konventionellen Geschossen für eine geringere Umweltbelastung im Boden. Die Ökotoxizität ist deshalb ganz entscheidend vom Hersteller abhängig. Grundsätzlich sind Bleigeschosse jedoch im Vergleich zu bleifreier Munition kritischer in Bezug auf die Ökotoxizität zu betrachten. Insbesondere bei Greifvögeln konnte nachgewiesen werden, dass diese durch die Aufnahme bleibelasteter Aufbrüche das Blei akkumulieren und dadurch verenden können. Die bleifreie Munition ist deshalb in Bezug auf die Ökotoxität eine umweltfreundlichere Alternative. Keller Minister Verbot bleihaltiger Munition zur Jagdausübung in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6. und 7.: Zu 8.: