29.03.2018 Drucksache 6/5523Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 17. April 2018 CRISPR/Cas9 - Bewertung von Genome-Editing-Verfahren aus umwelt- und naturschutzrechtlicher Sicht Die Kleine Anfrage 2845 vom 15. Februar 2018 hat folgenden Wortlaut: Die neue molekularbiologische Methode CRISPR/Cas9 ermöglicht es, DNS gezielt zu schneiden und zu verändern. Damit können einzelne Gene beziehungsweise DNS-Bausteine umgeschrieben werden. CRIS- PR/Cas9 lässt sich grundsätzlich bei allen lebenden Zellen und Organismen anwenden; somit auch bei der Züchtung von Pflanzen und Tieren. Damit kann diese Methode nachfolgende Populationen beeinflussen, da die genetischen Veränderungen in einer befruchteten Eizelle an die Nachkommen vererbt werden. In Kombination mit Gene-Drive-Ansätzen können Gene damit in einer Population vollständig ausgelöscht oder auch neu integriert werden. Damit ist es theoretisch möglich, die Erbinformation von Individuen einer Population zu verändern. Somit wären vollständig künstlich geschaffene und/oder veränderte Lebensformen möglich. Fraglich ist, ob die Genom-Editierung als Gentechnik einzuordnen ist. Der Vollzug des Gentechnikgesetzes und seiner Verordnungen liegt mit Ausnahme der Genehmigungen zur Freisetzung und zum Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen bei der zuständigen Landesbehörde. In Europa erfolgte bislang keine Entscheidung darüber, wie zum Beispiel editierte Pflanzen umweltrechtlich einzuordnen sind. Durch die präzise Arbeitsweise des Enzyms Cas9 ist es nicht möglich, hierdurch erzeugte Veränderungen von natürlichen Mutationen zu unterscheiden. Vorschriften für solche gentechnisch veränderten Pflanzen, zum Beispiel Kennzeichnungs- und Anbaubestimmungen, sind am Produkt selbst nicht kontrollierbar - ein rechtlicher Nachweis ist damit schwer zu führen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zum neuen molekularbiologischen Verfahren der Genveränderung CRISPR/Cas9 sowie zu weiteren Genome-Editing-Verfahren aus umwelt- und naturschutzrechtlicher Sicht? 2. Wo liegen im Bereich des Natur- und Umweltschutzes für die Landesregierung die Grenzen für die Nutzung von Genome-Editing-Verfahren? 3. Welche Kenntnis hat die Landesregierung über die Arbeit an rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit Genom-Editierung? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kießling (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5523 4. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung darüber, ob und wenn ja, in welcher Weise länderübergreifend an umwelt- und naturschutzrechtlichen Sicherheitsrichtlinien und Empfehlungen zum Umgang mit dieser Technologie gearbeitet wird? 5. Wie sollte nach Ansicht der Landesregierung die Verwendung von Genome-Editing-Verfahren/CRISPR/ Cas9 aus naturschutzrechtlicher Sicht kontrolliert werden? 6. Was unternimmt die Landesregierung, um eine gesellschaftliche Debatte zur Frage des ethischen Umgangs mit dieser Technologie in Gang zu bringen? Das Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 28. März 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Neue molekulargenetische Verfahren wie zum Beispiel CRISPR/Cas9 haben das Potenzial, Organismen zielgenauer als konventionelle Züchtungsverfahren genetisch zu verändern, indem Gene ausgeschaltet, verändert oder ersetzt werden. Hierdurch eröffnen sich neue Chancen, Organismen für einen bestimmten Nutzen zu gestalten, es können aber auch neue Risiken für Mensch, Natur und Umwelt entstehen. Die Landesregierung sieht es unter umwelt- und naturschutzrechtlichen Aspekten als essentiell an, die mit Hilfe dieser Techniken veränderten Organismen erst nach einer Einzelfallprüfung möglicher Risiken für Mensch, Natur und Umwelt zu verwenden. Eine am Vorsorgeprinzip orientierte Risikobewertung sollte sich auf die physiologischen, auf die phäno- und genotypischen Veränderungen beziehen sowie auf die Nachweis - und damit Nachverfolgbarkeit dieser Organismen in der Natur und deren potenzielle ökologischen Auswirkungen. Dies muss auf europäischer und auf nationaler Ebene geschehen. Bei den Nachweismethoden wird durch die Landesregierung Entwicklungsbedarf gesehen. Zu 2.: Für die Landesregierung liegen aus Sicht des Natur- und Umweltschutzes die Grenzen der Genome-Editing- Verfahren dort, wo durch deren Anwendung gegen das Vorsorgeprinzip, das in § 1 des Gentechnikgesetzes verankert ist, verstoßen wird. Vor einer Freisetzung dieser Organismen in die Umwelt muss vordringlich auf europäischer und dann auf nationaler Ebene geklärt werden, welche Risiken bestehen und wie sie ausgeschlossen werden könnten und wie die Nachverfolgbarkeit dieser Organismen sichergestellt wird. Außerdem muss gewährleistet sein, dass landwirtschaftliche Produkte gentechnikfrei erzeugt und in den Verkehr gebracht werden können (sogenannte Koexistenzregelung nach EU-Verordnung 1829/2003). Zwar können durch gentechnische Veränderungen (wie beispielsweise bei Glyphosatresistenz) Ertragsausfälle minimiert werden, langfristig ist aber nicht auszuschließen, dass solche technologischen Entwicklungen das Entstehen von Resistenzen und dadurch so genannter Superunkräuter bewirken. Dies kann zu einem vermehrten Einsatz von beispielsweise Herbiziden führen, wodurch der Rückgang der Biodiversität in den Agrarlebensräumen weiter vorangetrieben wird. Zu 3.: Hinsichtlich einer gentechnikrechtlichen Einordnung bleibt weiterhin eine rechtliche Bewertung auf europäischer Ebene abzuwarten. Die Genom-Editierung ist derzeit Gegenstand von Prüfungen durch die EU-Kommission und auch eines beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahrens (Rechtssache C-528/16). Im Übrigen sind der Landesregierung keine Arbeiten an rechtlichen Rahmenbedingungen für den Umgang mit Genom-Editierung bekannt. Eine Position der Bundesregierung, ob Organismen, die mit Hilfe der sogenannten neuen Techniken entwickelt wurden, in den Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes fallen, liegt bisher nicht vor. Thüringen setzt sich dafür ein, dass die Bundesregierung tätig wird und unter anderem die EU-Kommission auffordert, so bald wie möglich eine rechtliche Einordnung der neuen Techniken vorzunehmen. Zu 4.: Diesbezüglich wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Auf den wissenschaftlichen Bericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) vom 23. November 2017 zu den neuen Techniken in der Pflanzenzüchtung und der Tierzucht wird verwiesen. 3 Drucksache 6/5523Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Im jüngst auf Bundesebene geschlossenen Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD darauf verständigt , im Anschluss an die noch ausstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs die "neuen Züchtungstechniken" national so zu regeln, dass das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit der Verbraucher gewährleistet sein sollen. Die Landesregierung unterstützt diese Forderungen. Zu 5.: Aus Sicht des Naturschutzes muss im Hinblick auf die Freisetzung von mit Genome-Editing-Verfahren erzeugten Pflanzen eine am Vorsorgeprinzip orientierte Risikobewertung sichergestellt sein. Darüber ist ein langfristiges Monitoring notwendig, das die Wirkung und Ausbreitung dieser Organismen in der Umwelt beobachtet und dokumentiert. Zudem wäre erstrebenswert, einen molekulargenetischen Nachweis dieser Organismen zur Sicherstellung einer Nachverfolgbarkeit zu ermöglichen. Zu 6.: Thüringen wurde am 23. November 2010 als eines der ersten deutschen Bundesländer Mitglied im "Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen". Dieses Netzwerk bietet eine Plattform für öffentliche Diskussionen zu allen Belangen des Umgangs mit Gentechnik und neuen Technologien der Züchtung. Die Landesregierung ist zudem über die zuständigen Fachministerien und deren Fachbehörden in oben genannten Debatte eingebunden. Informationen zum rechtlich verbindlichen Umgang für gentechnische Verfahren werden auf der Internetseite des Thüringer Landesverwaltungsamtes veröffentlicht. Durch das BMEL wurde im Jahr 2017 ein öffentlicher Dialogprozess zu den neuen molekularbiologischen Techniken initiiert*. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe werden unter anderem auch Fragen des ethischen Umgangs mit den neuen molekularbiologischen Techniken öffentlich diskutiert. Eine darüber hinausgehende Initiierung von Debatten zum ethischen Umgang mit den Genome-Editing-Verfahren in der Züchtung erachtet die Landesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt für nicht erforderlich. In Vertretung Möller Staatssekretär Endnote: * Siehe: https://www.bmel.de/DE/Landwirtschaft/Pflanzenbau/Gentechnik/gentechnik_node.html. CRISPR/Cas9 - Bewertung von Genome-Editing-Verfahren aus umwelt- und naturschutzrechtlicher Sicht Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Endnote: