16.04.2018 Drucksache 6/5562Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 27. April 2018 Unterschiedliche Kostentragung der Kampfmittelbeseitigung im Freistaat Thüringen Die Kleine Anfrage 2842 vom 14. Februar 2018 hat folgenden Wortlaut: Einem Bericht der Thüringischen Landeszeitung vom 3. Februar 2018 zufolge wurden zwei Privatleu te durch das Nordhäuser Rathaus schriftlich dazu aufgefordert, Kampfmittelräumungskosten in Höhe von 12.000 Euro für die Beseitigung einer nicht detonierten Bombe zu zahlen, die am 3. April 2017 auf ihrem Feld aufgefunden wurde. Als Grund für die Zahlungsaufforderung wird zum einen angeführt, dass es sich um eine Hinterlassenschaft der Alliierten handele und zum anderen, dass das betroffene Feld im Wege der Verpachtung auch der Er zielung von Einnahmen diene. Während der Bund die Kosten einer Kampfmittelbeseitigung trägt, sofern sich die Kampfmittel auf bundes eigenen Liegenschaften befinden oder wenn es sich um ehemals reichseigene Kampfmittel handelt, die sich auf nicht bundeseigenen Liegenschaften befinden, tragen die Länder die Kosten für die Beseitigung der von den Alliierten verursachten Kampfmittelbelastung auf allen anderen als im Eigentum des Bundes stehenden Flächen. Im Freistaat Thüringen erstattet das Thüringer Landesverwaltungsamt kommunalen Gebietskörperschaf ten und Privatpersonen nach Antragstellung die Kosten für die Beförderung, Lagerung und Vernichtung von nicht ehemals reichseigener Munition nur unter der Bedingung, dass das betroffene Grundstück nicht für die Erzielung von Einkünften genutzt wird. Dies hat zur Folge, dass Grundstückseigentümer, die ihr Grundstück zur Erzielung von Einkünften nutzen, die Kosten einer Kampfmittelbeseitigung vom Bund ersetzt bekommen, sofern es sich um ehemals reichs eigene Kampfmittel handelt. Im Falle von alliierten Kampfmitteln ersetzt der Freistaat Thüringen die Kosten einer Kampfmittelbeseitigung demgegenüber nicht. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie oft wurden Grundstückseigentümern die Kosten für die Beseitigung von alliierten Kampfmitteln im Freistaat Thüringen innerhalb der letzten zehn Jahre a) erstattet beziehungsweise b) nicht erstattet, so dass die Grundstückseigentümer die finanzielle Belastung selbst zu tragen hatten (bitte nach Jahres scheiben, Kostenhöhe und Fundort des Kampfmittels aufschlüsseln)? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Möller (AfD) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Inneres und Kommunales 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5562 2. Wie wird die Regelung begründet, dass Grundstückseigentümer, die ihr Grundstück zur Erzielung von Einkünften nutzen, im Freistaat Thüringen die Kosten einer Kampfmittelbeseitigung selbst zu tragen haben, sofern es sich um Kampfmittel der Alliierten handelt (während der Bund die Kosten übernimmt, wenn es sich um ehemals reichseigene Kampfmittel handelt)? 3. Beabsichtigt die Landesregierung eine Änderung der geltenden Regeln bezüglich der Kostenerstattung für die Beseitigung von alliierten Kampfmitteln auf Grundstücken, die zur Erzielung von Einkünften ge nutzt werden? Wenn ja, wie sollen die Regelungen künftig aussehen? 4. Wie sind nach Kenntnis der Landesregierung die Regelungen bezüglich der Kostentragung für die Be seitigung von nicht ehemals reichseigenen Kampfmitteln auf nicht bundeseigenen Liegenschaften in den übrigen Bundesländern ausgestaltet (bitte nach Bundesland und dazugehöriger Rechtsgrundlage aufschlüsseln)? Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 12. April 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Das für die Kostenerstattung der Kampfmittelbeseitigung zuständige Thüringer Landesverwaltungsamt er fasst statistisch nur die Anträge von Privatpersonen und kommunalen Gebietskörperschaften. Angaben zu den Fundorten werden in diesem Zusammenhang nicht erfasst. Andere Grundstückseigentümer, die von der Praxis der Kostenerstattung für die Kampfmittelbeseitigung nichtreichseigener Munition ausgeschlossen sind (gewerbliche Unternehmen, Vereine, Landesentwicklungs gesellschaft Thüringen, Behörden des Freistaats wie zum Beispiel ThüringenForst), stellen in der Regel kei ne Anträge auf Kostenerstattung. Jahr Stattgegebene Anträge Gesamtbetrag der Kostenerstat tung in Euro Abgelehnte Anträge von Privatpersonen Abgelehnte Anträge von Kommunen Gesamtbetrag der abgelehnten Anträge in Euro 2008 45 35.500,00 1 3 1.265.67 2009 54 35.131,00 1 2 1.475,78 2010 51 31.995,08 7 4 3.712,58 2011 51 23.906,38 2 1 1.043,85 2012 51 28.733,17 2 3 2.834,86 2013 65 37.263,44 1 2 775,84 2014 66 34.319,28 2 5 3.735,74 2015 67 31.070,60 3 0 904,65 2016 78 32.600,35 4 5 13.451,89 2017 82 38.899,60 5 0 11.148,21 Zu 2.: Für die Kostentragung bei der Beseitigung von Kampfmitteln sind zunächst die Sondervorschriften des Ar tikels 120 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) und das Allgemeine Kriegsfolgengesetz (Gesetz zur allgemei nen Regelung durch den Krieg und den Zusammenbruch des Deutschen Reiches entstandener Schäden vom 5. November 1957, BGBl. I S. 2512 AKG) anzuwenden, soweit es sich um reichseigene Kampfmit tel handelt. Nach § 2 Nr. 3, § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG sind Ansprüche, die auf eine Beeinträchtigung oder Ver letzung des Eigentums an einer Sache beruhen, durch den Bund zu erfüllen, wenn die Erfüllung des An spruchs zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben erforderlich ist. Nach der von der Bundesregierung erlassenen Verwaltungsvorschrift zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz richtet sich die Kostenerstattung des Bundes für die Suche und Räumung gegenüber den Ländern nach der auf die 50er Jahre zurückgehenden "Staatspraxis", welche der Bund im Jahr 1991 mit Erlass auch in den neuen Bun desländern für anwendbar erklärte. 3 Drucksache 6/5562Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Der Bund finanziert auf dieser Grundlage - unabhängig vom Fundort - im Rahmen der Staatspraxis ledig lich die Räumung von reichseigenen Kampfmitteln und im bestimmten Umfang auch die Suche nach die sen. Die Räumung nichtreichseigener Kampfmittel (zum Beispiel alliierter oder des Warschauer Pakts) fi nanziert der Bund grundsätzlich nur, wenn es sich um bundeseigene Liegenschaften handelt. Anders verhält es sich bei nichtreichseigenen Kampfmitteln auf nichtbundeseigenen Liegenschaften: Wer den solche Kampfmittel aufgefunden, dann greift nach der durch das Grundgesetz festgelegten Zuständig keitsregelung im Sinne von Artikel 30 GG die Zuständigkeit der Länder für die Gefahrenabwehr. Für die Ab wehr von Gefahren sind in Thüringen die Gemeinden im übertragenen Wirkungskreis in ihrer Eigenschaft als Ordnungsbehörden gemäß § 1 Satz 1 Ordnungsbehördengesetz (OBG) zuständig. Verantwortlich für die Beseitigung im ordnungsbehördlichen Sinne ist neben dem Handlungsstörer der Zustandsverantwortliche gemäß § 11 OBG, in aller Regel also der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über das Grundstück also ins besondere der Besitzer oder der Grundstückseigentümer. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfas sungsgerichts begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Vorschriften über die Zustands verantwortlichkeit dahingehend auszulegen, dass der Eigentümer eines Grundstücks wegen seiner durch die Sachherrschaft vermittelten Einwirkungsmöglichkeit auf die gefahrenverursachende Sache verpflichtet werden kann, von dem Grundstück ausgehende Gefahren zu beseitigen, auch wenn er die Gefahrenlage weder verursacht noch verschuldet hat (Beschluss vom 16. Februar 2000, Az.: 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99). Das gemäß §§ 27, 28 OBG zuständige Thüringer Landesverwaltungsamt hat am 12. September 2016 die Ordnungsbehördliche Verordnung über die Abwehr von Gefahren durch Kampfmittel (KampfMGAVO) er lassen (vergleiche Thüringer Staatsanzeiger, 2016, S. 1279). Für die Kampfmittelvernichtung sieht § 4 Abs. 2 KampfMGAVO vor, dass aus Gründen der öffentlichen Si cherheit und Ordnung in Thüringen nur ein einziges Unternehmen beauftragt wird. Das beauftragte Unter nehmen wurde gemäß § 4 Abs. 3 KampfMGAVO im Staatsanzeiger bekannt gegeben (vergleiche Thüringer Staatsanzeiger, 2016, S. 1335). Es ist gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 KampfMGAVO berechtigt, den nach §§ 10 und 11 OBG Verantwortlichen Kosten in Rechnung zu stellen. Die Feststellung der Verantwortlichkeit nach §§ 10, 11 OBG trifft die zuständige Ordnungsbehörde (§ 4 Abs. 2 Satz 3 KampfMGAVO). Nach geübter Praxis übernimmt der Freistaat Thüringen aus Billigkeitsgründen und ohne Anerkennung ei ner Rechtspflicht in der Regel die Kosten für den Transport, die Entschärfung, Lagerung und Vernichtung von nicht reichseigener Munition nur gegenüber Privatpersonen und kommunalen Gebietskörperschaften. Die Kostenübernahme erfolgt allerdings unter der Einschränkung, dass es sich bei den betroffenen Grund stücken um solche handelt, die nicht für gewerbliche oder industrielle Zwecke oder auf andere Weise zur Einnahmeerzielung genutzt werden. Zu 3.: Eine Änderung der landesrechtlichen Erstattungsregelungen ist nur sinnvoll, wenn sich die bundesrecht lichen Rahmenbedingungen ändern und der Bund ebenfalls seiner Verantwortung für die Übernahme der Kosten für die Beseitigung nichtreichseigener Kampfmittel gerecht wird. In den vergangenen 26 Jahren hat der Freistaat Thüringen jedoch im Bundesrat immer wieder Gesetzesin itiativen unterstützt, die darauf abzielten, die Kostenlast bezüglich der Räumung aller Kampfmittel aus dem Zweiten Weltkrieg dem Bund zu übertragen. Alle Initiativen scheiterten im Bundestag. Zuletzt hat der Bundesrat am 2. März 2018 einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen, der nun dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt wird. Die Vorlage entspricht wortgleich einem Gesetzentwurf, den der Bundesrat bereits 2011 und noch einmal 2014 in den Bundestag eingebracht hatte. Beide Entwür fe wurden in der 17. und 18. Wahlperiode vom Bundestag jeweils nicht abschließend beraten und sind der Diskontinuität unterfallen. Zudem hatte der Bundesrat in einer Entschließung zum Haushaltsgesetz 2015 nochmals deutlich gemacht, dass die Kampfmittelbeseitigung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei. Er bat die Bundesregierung nachdrücklich, die notwendige Haushaltsvorsorge zu treffen. Die Vorschläge des Bundesrates wurden allerdings bislang nicht umgesetzt. Zu 4.: Der Landesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5562 Hinweise zu den Verfahrensabläufen der Länder bei der Kampfmittelbeseitigung enthalten unter A 1.3 die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und dem Bundesministerium für Verteidigung herausgegebenen "Arbeitshilfen Kampfmittelräumung" *. Dort werden unter anderem unverbindliche Ausführungen zur Kostentragung für die Kampfmittelbeseiti gung in den Ländern gemacht. Maier Minister Endnote: * Vergleiche http://www.arbeitshilfen-kampfmittelraeumung.de/anhang_1.3.html. Unterschiedliche Kostentragung der Kampfmittelbeseitigung im Freistaat Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Endnote: