24.04.2018 Drucksache 6/5627Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 11. Mai 2018 Streuobstbestände in Thüringen - Teil II Die Kleine Anfrage 2914 vom 26. Februar 2018 hat folgenden Wortlaut: Bundesweit gab es in den vergangenen Jahrzehnten einen massiven Rückgang der Streuobstbestände. Derzeit wird der Bestand auf noch circa 300.000 Hektar geschätzt. Dabei gelten Streuobstbestände als "Hotspots" der biologischen Vielfalt. Für die mitteleuropäische Biodiversität spielen Streuobstbestände mit über 5.000 Tier- und Pflanzenarten sowie über 3.000 Obstsorten eine herausragende Rolle. Neben der Bestandsaufnahme der aktuellen Situation ist es deshalb wichtig, welche Ziele die Landesregierung in der Bestandssicherung und der Entwicklung von Streuobstwiesen verfolgt. Ich frage die Landesregierung: 1. Welchem Schutz unterliegen Streuobstbestände in Thüringen und welche Begründungen liegen den rechtlichen Regelungen zugrunde? 2. Wie viele Apfel-, Birnen-, Süßkirschen-, Walnuss- und Prunus-Sorten (Mirabellen, Pflaumen, Zwetschgen ) gibt es nach aktuellem Erkenntnisstand noch in Thüringen? 3. Wie wird vor dem Hintergrund der bundesweiten Gütebestimmungen für Hochstamm-Obstbäume behördlicherseits sichergestellt, dass bei Pflanzungen als "Hochstamm" deklarierte Bäume auch bestimmte Größenvorgaben einhalten? 4. Wie viele und welche Obstsortenlehrpfade oder sonstige Einrichtungen gibt es im Land, in denen Obstsorten auf Hochstamm-Obstbäumen gesichert und dokumentiert werden? In welcher Form unterstützt die Landesregierung diese? Welche Bedeutung kommt hierbei nachgeordneten Behörden des Freistaats zu? 5. Stimmt die Landesregierung der Aussage aus Kreisen von Verbraucherzentralen zu, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher bei Produkten mit der Bezeichnung "aus Streuobst" beziehungsweise "aus Streuobstwiesen" Pestizidfreiheit erwarten und wie begründen sie dies? 6. Sieht die Landesregierung das Angebot von Qualitätszeichen für Streuobstprodukte (unter anderem der Naturschutzverbände) als hilfreich für die Unterstützung von Keltereien und anderen Streuobst-Vermarktern an? 7. Welche Streuobstinitiativen und welche Angebote mit etwaigen regionalen Qualitätszeichen für Streuobstprodukte sind der Landesregierung in Thüringen bekannt? K l e i n e A n f r a g e des Abgeordneten Kobelt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5627 8. Welche Bemühungen unternimmt die Landesregierung, um die Verwertung oder Vermarktung von getrennt erfasstem Streuobst zu unterstützen? 9. Welche Auffassung vertritt die Landesregierung zur Forderung der Streuobst-Aufpreisvermarkter beim vierten bundesweiten Treffen im Jahr 2014 in Kassel, dass für eine betriebswirtschaftlich rentable Bewirtschaftung von Streuobstbeständen zum Zwecke der Verwertung des Obstes für Getränke ein Preis von mindestens 25 Euro pro Doppelzentner erforderlich ist (vergleiche Nummer 1 Abs. 2 der Kasseler Erklärung zum Streuobstbau) beziehungsweise liegen der Landesregierung eigene Erfassungen vor? 10. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um die Bewirtschaftung, Verwertung und Vermarktung von Streuobstprodukten zu fördern? 11. In welchem Umfang wurden in den vergangenen fünf Jahren wie viel Hektar Streuobstfläche vom Land gefördert? Wie viel Fördermittel stehen noch für die Jahre 2018 und 2019 zur Verfügung? Wie beurteilt die Landesregierung die Nachfrage? Das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft hat die Kleine Anfrage namens der Landesre gierung mit Schreiben vom 23. April 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Bestimmte Streuobstwiesen sind nach § 18 Thüringer Gesetz für Natur und Landschaft (ThürNatG) gesetzlich geschützte Biotope. Diese müssen mindestens zehn Obstbäume umfassen und Grünland als Unterwuchs haben, die Bäume müssen überwiegend hochstämmig sein. Für diese Streuobstwiesen gilt der Biotopschutz nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz, wonach Zerstörungen und erhebliche Beeinträchtigungen verboten sind. Die Begründung für den Schutz liegt in der Bedeutung der Streuobstwiesen als Lebensraum insbesondere für die Tierwelt, aber auch - hinsichtlich des Unterwuchses - für die Pflanzenwelt. Auf die Antwort zu den Fragen 7 und 8 der Kleinen Anfrage 2913 wird verwiesen. Regelungen, die im Einzelfall auch zum Schutz vor erheblichen Beeinträchtigungen beitragen beziehungsweise einen rechtlichen Schutz verschaffen, sind die Bestimmungen über die Eingriffsregelung (§ 13 ff. Bundesnaturschutzgesetz [BNatSchG]) und die Bestimmungen für Schutzgebiete nach Naturschutzrecht (§ 20 Abs. 2, § 22 ff. BNatSchG). Zu 2.: Im Obstsortengarten auf dem Schlachtberg bei Bad Frankenhausen wird versucht, alle in Thüringen verwendeten Streu-Obstsorten inklusive erhaltenswerter Typen, die noch keiner eigentlichen Sorte zugeordnet werden können, in einigen Exemplaren anzubauen. Die einzelnen Sorten sind für die Süß- und Sauerkirschen sowie die Äpfel auf der Internetseite1 namentlich aufgeführt. Folgende Anzahlen an Sorten sind in diesem Obstsortengarten derzeit vorhanden: Süßkirschen circa 110 Sauerkirschen circa 30 Äpfel circa 240 Birnen circa 80 Pflaumen (inkl. Zwetschen, Mirabellen, …) circa 90 Pfirsiche circa 25 Aprikosen 35 Walnüsse 5 Außerdem gibt es im Sortengarten noch die Hambuttenbirne, Ebereschen und Mispeln. Die Zahlen aus dem Obstsortengarten lassen einen recht guten Rückschluss auf die derzeit insgesamt in Thüringen vorhandene Vielfalt an Obstsorten zu. Diese dürfte nur wenig höher liegen. Für den Thüringer Anteil am Biosphärenreservat Rhön liegen Zahlen zu den dort vorhandenen Obstsorten vor. Diese liegen aber deutlich unter denen des Obstsortengartens am Kyffhäuser. Der erste integrierte Umweltbericht für das länderübergreifende UNESCO-Biosphärenreferat Rhön enthält dazu weitere Informationen2. 3 Drucksache 6/5627Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Zu 3.: Von der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung und Landschaftsbau (FLL) und dem Verband deutscher Forstbaumschulen (VDF) werden auf freiwilliger Basis Gütebestimmungen für Baumschulpflanzen in Abstimmung mit dem Bund deutscher Baumschulen entwickelt und regelmäßig dem aktuellen Stand angepasst . Diese Gütebestimmungen sind in der Regel Basis der Produktion von Baumschulgehölzen und des Vertragswesens (Kaufverträge, Ausschreibungen), obwohl eine gesetzliche Verpflichtung zur Einhaltung nicht besteht. Ausgenommen sind hier Anforderungen des Pflanzenschutzes (Pflanzenpass bei Handel mit Gehölzen) die entsprechend auch behördlich geprüft werden können. Zu 4.: Der Obstsortengarten auf dem Schlachtberg bei Bad Frankenhausen ist die wichtigste Einrichtung zur Erhaltung von Obstsorten in Thüringen. Hier werden unter der Regie des Kyffhäuserkreises und mit Unterstützung des Naturparks Kyffhäuser, der Stiftung Naturschutz Thüringen und einer privaten Stiftung umfangreiche Anstrengungen unternommen. Zum Gesamtbestand siehe Antwort zu Frage 2. Auch in der Rhön wurde ein Obstsortengarten angelegt, bei dem auf zwei Standorten 121 verschiedene Apfelsorten angepflanzt beziehungsweise veredelt wurden3. Im Rahmen des Projektes "Thüringer Obstraritätenpfad" sollen alte Obstsorten am Jakobsweg in der Gemeinde Drei Gleichen gepflanzt werden. Das Projekt startete 2013 und bis ins Jahr 2017 erfolgte immer wieder die Pflanzung weiterer Obstbäume4. Darüber hinaus können folgende Initiativen genannt werden: - Obstsortenlehrpfad Tiefengruben mit gekennzeichneten hochstämmigen Obstbäumen, - gemeindeeigene Streuobstwiese Wohlsborn mit 2017 angelegtem Sortenlehrpfad, - Sortengarten Fröbelweg bei Bad Blankenburg; LEADER-Förderung, - Lehr- und Versuchsanstalt Gartenbau Erfurt, - Freilichtmuseum Hohenfelden, - Europaweg Vierzehnheiligen-Krippendorf, - Obstbaumuseum Fahner Höhe. Lehrpfade können fallweise über Naturschutzprogramme (zum Beispiel ENL) gefördert werden. Zu 5.: Nähere Untersuchungen zur Konsumentenerwartung in diesem Punkt sind der Landesregierung nicht bekannt . Da Streuobstwiesen häufig geschützte Biotope sind, auf denen naturgemäß keine Pflanzenschutzmittel angewendet werden dürfen, ist eine solche Verbrauchererwartung aber naheliegend. Zudem assoziiert der Verbraucher mit dem Streuobstwiesencharakter eine extensive Bewirtschaftung. Zu 6.: Regionale Qualitätszeichen können unterstützend bei der Vermarktung von Streuobstprodukten wirken. Sie heben die naturnahe Erzeugung, die hohen Qualitätsansprüche und den regionalen Charakter hervor . Grundsätzlich ist auch die Nutzung des Herkunftszeichens "Geprüfte Qualität aus Thüringen" möglich. Zu 7.: Folgende Streuobstinitiativen sind bekannt: • Aktivitäten der Grünen Liga (Schwerpunkt Weimar und Weimarer Land, Vorhaben Obst in aller Munde): Baumpatenschaften, Betreiber einer mobilen Saftpresse für Streuobstprodukte, Organisation von Kursen zum Obstbaumschnitt • Streuobstinitiative Ostthüringen (in Vorbereitung, Schwerpunkt Kreise Saalfeld-Rudolstadt und Saale- Orla-Kreis): Initiiert durch KulturNaturhof Bechstedt e.V, • Vermarktungsinitiative im Thüringer Grabfeld des Landschaftspflegeverbandes Thüringer Grabfeld e.V. (Grabfelder Streuobstservice): Aufpreismodell für Öko-Obst; Zusammenarbeit mit einer Bio-Mosterei Zu 8.: Im Rahmen von Naturschutzvorhaben (ENL) kann fallweise auch der Aufbau von Vermarktungswegen unterstützt werden. Die Verarbeitung und Vermarktung von Streuobst kann über die landwirtschaftliche Förderung unterstützt werden. Zum Teil erfolgt auch eine Förderung über LEADER (mobile Saftpressen). 4 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5627 Zu 9.: Eigene Erfassungen der Landesregierung zur Rentabilität des Streuobstanbaus liegen nicht vor. Nach Erfahrungen benachbarter Bundesländer ist ein Erlös von 25 bis 30 Euro/dt erforderlich. Zu 10.: Für die Bewirtschaftung der Flächen sind Prämien über das KULAP beziehungsweise über den Vertragsnaturschutz möglich. Im Rahmen von Naturschutzvorhaben (ENL) kann fallweise auch der Aufbau von Vermarktungswegen unterstützt werden. Für die Verarbeitung und Vermarktung stehen landwirtschaftliche Förderprogramme zur Verfügung. Zu 11.: Im KULAP wird die Grünlandpflege auf den Streuobstwiesen mit etwa 900.000 Euro/Jahr gefördert (betrifft rund 2.513 Hektar). Über die Förderung von Naturschutz und Landespflege (NALAP) werden etwa zusätzlich 100.000 Euro/Jahr - für die Grünlandpflege (rund 225 Hektar), den regelmäßigen Baumschnitt sowie die Ergänzungspflanzung - verausgabt. Keller Ministerin Endnote: 1 Siehe http://www.deutsche-genbank-obst.de/. 2 Siehe http://biosphaerenreservat-rhoen.de/_umweltbericht/html/c9.1_streuobst_in_der_rhon.htm. 3 Siehe https://thueringen.lpv.de/lokale-verbaende/lpv-br-thueringische-rhoen/realisierung-von-verschiedenen-artenschutzprojekten /sortengarten-der-rhoen.html. 4 Siehe http://www.lebensgut-cobstaedt.de/pages/de/thueringer-obstraritaetenpfad.php. Streuobstbestände in Thüringen - Teil II Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6.: Zu 7.: Zu 8.: Zu 9.: Zu 10.: Zu 11.: Endnote: