27.04.2018 Drucksache 6/5646Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 17. Mai 2018 Aktionsplan der Landesregierung innerhalb des Thüringer Landesprogramms für Akzeptanz und Vielfalt Die Kleine Anfrage 2854 vom 2. Februar 2018 hat folgenden Wortlaut: Presseberichten zufolge hat das Kabinett am 30. Januar 2018 das Thüringer Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt beschlossen. Der Aktionsplan der Landesregierung soll dabei die Gleichstellung von Lesben , Schwulen, Bisexuellen, Transidenten und Intergeschlechtlichen sowie queeren Personen fördern. Unter anderem sollen politisch motivierte Straftaten besser dokumentiert und die Opfer solcher Übergriffe von der Polizei über ihre Rechte beraten werden. Bei den Staatsanwaltschaften sollen dafür Ansprechpartner für von solchen Übergriffen betroffene Menschen benannt werden. Zu dem insgesamt 228 Einzelmaßnahmen umfassenden Programm sollen auch Schulungen und Weiterbildungen von Polizisten, Lehrern und Mitarbeitern etwa von Jugendämtern gehören. Ich frage die Landesregierung: 1. Auf welcher rechtlichen und tatsächlichen Grundlage wurde dieses Programm erstellt? 2. Ist die Landesregierung nach wie vor der Auffassung, dass Menschen, die "die Akzeptanz anderer Lebensweisen und das Verständnis für Vielfalt vermissen lassen" (vergleiche Drucksache 6/1191) die Zielgruppe des Landesprogramms darstellen? 3. Auf welcher rechtlichen und tatsächlichen Grundlage beruht diese Auffassung? 4. Welche persönlichen und sächlichen Mittel und welche Haushaltsmittel werden nach Kenntnis der Landesregierung dafür aufgewendet (bitte nach Eingruppierungen und Haushaltstiteln aufschlüsseln)? 5. Welche Datengrundlage dient zur Untersetzung des Programms, wenn doch ausweislich der Antwort zu den Fragen 5 und 6 in der Drucksache 6/1191 keine Statistik zur Diskriminierung von Lesben, Schwulen , Bisexuellen, Transidenten und Intergeschlechtlichen sowie queeren Personen geführt wird? 6. Welchen Stand hat der in Drucksache 6/1191 genannte Verdachtsfall wegen Volksverhetzung aus dem Jahr 2013, welcher in diesem Zusammenhang registriert wurde beziehungsweise wie wurde das dazu geführte Verfahren abgeschlossen? 7. Wie viele solcher Fälle gab es seitdem (bitte aufschlüsseln nach Jahr, Tatbestand, Stand des Verfahrens)? 8. Welche Weiterbildungsangebote aus dem "Bereich LSBTIQ" sind der Landesregierung für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und an den Bildungseinrichtungen des Landes bekannt und welche Weiterbildungsangebote sollen neu geschaffen werden beziehungsweise wurden bereits geschaffen? Wie viele Landesbedienstete nahmen bislang an solchen Maßnahmen teil? K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Herold (AfD) und A n t w o r t der Thüringer Staatskanzlei 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5646 9. Welche Laufzeit hat das Thüringer Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt? Die Thüringer Staatskanzlei hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 25. April 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1. bis 3. und 9.: Die Fragen 1 bis 3 und 9 werden im Zusammenhang beantwortet. Nach Artikel 2 Abs. 3 der Verfassung des Freistaats Thüringen darf niemand wegen seiner Herkunft, seiner Abstammung, seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner sozialen Stellung, seiner Sprache, seiner politischen , weltanschaulichen oder religiösen Überzeugung, seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung bevorzugt oder benachteiligt werden. In einer Zeit, in der Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen in unserer Gesellschaft wieder aktiv betrieben wird, kommt dem verfassungsrechtlichen Schutzauftrag besondere Bedeutung zu. Der der Arbeit der Thüringer Landesregierung zugrundeliegende Koalitionsvertrag konkretisiert diesen Verfassungsauftrag mit der Verpflichtung die Akzeptanz und Gleichstellung aller Lebensweisen zu befördern. Dementsprechend wurden durch den Thüringer Gesetzgeber die haushaltsrechtlichen Grundlagen geschaffen, um durch das Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt Tendenzen von diskriminierender Ungleichbehandlung von LSBTIQ* durch Information und Offenheit präventiv entgegenwirken zu können. In der Drucksache 6/1191 wurde ausgeführt, dass die einzelfallbezogene Durchsetzung des Schutzes eines Menschen, der aufgrund seiner sexuellen Orientierung diskriminiert wird, nicht Aufgabe des Landesprogramms für Akzeptanz und Vielfalt ist, sondern es im Schwerpunkt präventive Wirkung entfalten soll. Zielgruppe des Programms sind daher nicht alleinig Homosexuelle, Bi- und Transsexuelle, Transgender und intergeschlechtliche Menschen. Das Programm soll allgemein in der Gesellschaft das Verständnis und die Akzeptanz für deren Lebenssituation befördern. Hierzu wird auf die ausführliche Antwort auf die Kleine Anfrage 492 in der Drucksache 6/1191 verwiesen. Die Laufzeit des Thüringer Landesprogramms für Akzeptanz und Vielfalt ist nicht beschränkt. Zu gegebener Zeit wird es entsprechend der weiteren Entwicklungen im Themenfeld LSBTIQ* zu aktualisieren sein. Zu 4.: Das Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt beschreibt eine Querschnittsaufgabe der gesamten Landesregierung . Für die Vielzahl der Maßnahmen gibt es daher im Landeshaushalt keinen zentralen Ansatz, vielmehr sind grundsätzlich die Maßnahmen in eigener Verantwortung der Ressorts umzusetzen. Es werden Aufgaben beschrieben, bei denen es sich nicht nur um Zuschüsse an Dritte handelt, sondern um die adäquate Behandlung der beschriebenen Themen in der eigenen Tätigkeit im jeweiligen Geschäftsbereich. Flankierend hierzu sind im Haushalt der Staatskanzlei im Ansatz für die Antidiskriminierungsstelle in der Titelgruppe 77 Kapitel 02 01 Titel 684 77 Fördermittel in Höhe von jeweils 180.000 Euro pro Jahr für 2018 und 2019 veranschlagt, aus denen unter anderem auch Projekte im Rahmen des Landesprogramms, insbesondere die zukünftige hauptamtlich besetzte landesweite Koordinierungsstelle für die LSBTIQ*-Arbeit in zivilgesellschaftlicher Trägerschaft, gefördert werden sollen. Zusätzlich stehen unter anderem auch zur Unterstützung der Implementierung dieses Programms im Kapitel 02 01 Titel 531 77 jeweils 50.000 Euro in 2018 und 2019 für Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen zur Verfügung. Zu 5.: Hierzu wird auf die Antwort auf die Kleine Anfrage 492 in der Drucksache 6/1191 verwiesen. Es wurde ausgeführt , dass die Zeiten des Erfassens solcher Angaben vorbei sind und dass das gut so ist. Weiter heißt es: "Besondere Schutzbedürftigkeit ergibt sich nicht aus der Anzahl der Betroffenen. Nach der Wertung von Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetzes würde bereits ein Mensch genügen, der aufgrund seiner sexuellen Orientierung diskriminiert wird, um den Schutzbereich der Verfassungsnorm zu eröffnen." Der politische Wille , das Thüringer Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt umzusetzen, findet "seine Begründung nicht in der 'Anzahl' von Homosexuellen, Bi- und Transsexuellen, Transgender und intergeschlechtlichen Menschen , sondern allein in deren Erfahrungen des Verhaltens ihnen gegenüber. Der diesbezüglich über Jahre auch wissenschaftlich fundiert publizierte Erfahrungshorizont von Betroffenen, bietet Veranlassung genug, hier tätig zu werden. Laut Thüringen-Monitor 2014 war bei 23 Prozent der Thüringer Bevölkerung Homosexuellenfeindlichkeit festzustellen. Dass Homophobie ausagiert wird und nicht nur im mentalen Bereich der Einstellungsträger verbleibt, belegen nicht nur die Erfahrungsberichte Einzelner, sondern eine Vielzahl von Untersuchungen. Stellvertretend seien hier genannt der European Union lesbian, gay, bisexual and transgender survey aus dem Jahr 2013 der European Union Agency for Fundamental Rights (FRA), die Studie des Instituts für Psychologie der Christian-Albrechts-Universität Kiel 'Lebenssituationen und Diskriminierungs- 3 Drucksache 6/5646Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode erfahrungen schwuler und bisexueller Männer' aus dem Jahr 2013 im Auftrag der Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung, die Studie (2010-2012) zu Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen von lesbischen und bisexuellen Frauen und Trans*Personen in Deutschland von LesMigraS (Antidiskriminierungs- und Antigewaltbereich der Lesbenberatung Berlin e.V.), der Auswertungsbericht zur Online-Befragung 'Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen' zur Lebenssituation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen in Rheinland-Pfalz sowie die Auswertung der Onlinebefragung zur Lebenssituation von LSBTTIQ-Menschen in Baden-Württemberg aus dem Jahr 2014." Ergänzend kann nunmehr auf folgende Publikationen hingewiesen werden: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2015): Erfahrungen sexualisierter Gewalt. Ausgewählte Ergebnisse der Studie Jugendsexualität 2015; Change Centre Foundation (2015): Queeres Deutschland 2015 - Zwischen Wertschätzung und Vorbehalten; Krell, Claudia (2016): Coming-out - und dann…?! Deutsches Jugendinstitut; BMFSFJ (2016): Zur aktuellen Situation und Erfahrung von trans* und transsexuellen Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern sowie ihren Angehörigen; Oliver Decker, Johannes Kiess u. Elmar Brähler (2016).Die enthemmte Mitte : Autoritäre und rechtsextreme Einstellung in Deutschland; Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017): Einstellungen gegenüber Lesben, Schwulen und Bisexuellen in Deutschland. Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage; Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017): Gleiches Recht für jede Liebe - Themenjahr für sexuelle Vielfalt; Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2017): Diskriminierungserfahrungen in Deutschland. Ergebnisse einer Repräsentativ- und einer Betroffenenbefragung; Institut für Diversity- & Antidiskriminierungsforschung (IDA) (2017): "Out im Office. Zur Arbeitssituation lesbischer, schwuler, bisexueller und Trans*-Beschäftigter in Deutschland" sowie Martin Kroh, Simon Kühne, Christian Kipp, David Richter: Einkommen, soziale Netzwerke, Lebenszufriedenheit: Lesben, Schwule und Bisexuelle in Deutschland . DIW Wochenbericht 35/2017. Zu 6. und 7.: Die Fragen 6 und 7 werden im Zusammenhang beantwortet. Das entsprechende Ermittlungsverfahren zum genannten Verdachtsfall wurde am 3. Dezember 2013 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt. Für die Beantwortung der Frage 7 wurden alle politisch motivierten Straftaten der Jahre 2013 bis 2017, die dem Themenfeld "Hasskriminalität", Unterthema "sexuelle Orientierung" zugeordnet wurden, geprüft. Im Ergebnis der Prüfung wurden für den besagten Zeitraum insgesamt vier nachfolgend aufgeführte Straftaten, inklusive der unter Frage 6 benannten, bekannt: Jahr der Tat Tatbestand Verfahrensausgang 2013 gefährliche Körperverletzung (§ 224 Strafgesetzbuch - StGB -) Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 2013 Volksverhetzung (§ 130 StGB) Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 2016 Volksverhetzung (§ 130 StGB) Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO 2017 Volksverhetzung (§ 130 StGB) Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO Zu 8.: Auf der Grundlage der inhaltlichen Kooperation zwischen dem Landesprogramm für Akzeptanz und Vielfalt und dem Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit ("Denk bunt") wurde als einer von vier Qualifizierungsbereichen der Denk-Bunt-Seminare der Bereich "Förderung von Akzeptanz vielfältiger sexueller Orientierungen, Geschlechtsidentitäten und Beziehungsformen" neu in das Fortbildungsangebot aufgenommen. Angaben über Teilnahmezahlen können in der Startphase dieses Angebots noch nicht gemacht werden. Die Fortbildungsangebote richten sich an Lehrerinnen und Lehrer, Mitarbeitende der Polizei, Mitarbeitende in Verwaltungen, Mitarbeitende der Justiz, Mitarbeitende in Kindertageseinrichtungen, Mitarbeitende in Beratungsdiensten, Mitarbeitende der Jugendhilfe, Ehren- und Hauptamtliche in Vereinen sowie Mitarbeitende in Gesundheits- und Pflegeberufen. Es ist zudem davon auszugehen, dass auch Weiterbildungsangebote , die sich mit Begriffen wie Diversity, Vielfalt, Toleranz und Weltoffenheit verbinden, ebenfalls Aspekte aus dem LSBTIQ*-Bereich aufgreifen. Prof. Dr. Hoff Minister Aktionsplan der Landesregierung innerhalb des Thüringer Landesprogramms für Akzeptanz und Vielfalt Ich frage die Landesregierung: Zu 1. bis 3. und 9.: Zu 4.: Zu 5.: Zu 6. und 7.: Zu 8.: