09.05.2018 Drucksache 6/5679Thüringer LandTag 6. Wahlperiode Druck: Thüringer Landtag, 30. Mai 2018 Ältere Gefangene in Thüringen Die Kleine Anfrage 2952 vom 26. März 2018 hat folgenden Wortlaut: In der Bundesrepublik Deutschland wächst die Lebenserwartung ständig, der demographische Wandel ist auch in den Gefängnissen angekommen. Der Anteil der Straftäter, die älter als 60 Jahre sind, soll sich seit dem Jahr 1995 mehr als verdoppelt haben. Die demografische Entwicklung dürfte auch in den Thüringer Haftanstalten spürbar sein. Andere Bundesländer haben bereits darauf reagiert. So gibt es in Singen, Baden-Württemberg, das einzige Gefängnis in Deutschland ausschließlich für Senioren. In der Justizvollzugsanstalt Waldheim, Sachsen, hat man sich im Jahr 2005 entschlossen, eine seniorengerechte Abteilung aufzubauen. Im Westdeutschen Rundfunk wurde am 22. Januar 2018 in einer Dokumentation über die Situation von älteren Gefangenen und die Maßnahmen dazu in der Justizvollzugsanstalt Rheinbach in Nordrhein -Westfalen berichtet. Auch im Mitteldeutschen Rundfunk wurde kürzlich über Senioren in Gefängnissen in Mitteldeutschland berichtet. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Gefangene, die älter als 60 Jahre sind, befanden sich mit Stichtag 31. Dezember 2017 in Thüringer Haftanstalten und wie hat sich diese Zahl seit dem Jahr 2010 entwickelt? 2. Welche spezifischen Anforderungen stellen sich durch mehr ältere Strafgefangene beim Strafvollzug, beispielsweise in Bezug auf Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte, Freizeitgestaltung, die psychologische Betreuung und ähnliches? 3. Beabsichtigt die Landesregierung, auch in Thüringen eine seniorengerechte Abteilung zentral für unser Bundesland in einer Justizvollzugsanstalt einzurichten? 4. Wie werden die Justizvollzugsbeamten auf den demografischen Wandel in den Anstalten vorbereitet oder fortgebildet? Das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat die Kleine Anfrage namens der Lan desre gierung mit Schreiben vom 8. Mai 2018 wie folgt beantwortet: Zu 1.: Es wird auf die nachfolgende Übersicht verwiesen (jeweiliger Stichtag in den Jahren 2010 bis 2017 war der 31. März). K l e i n e A n f r a g e der Abgeordneten Lehmann (CDU) und A n t w o r t des Thüringer Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 2 Thüringer Landtag - 6. WahlperiodeDrucksache 6/5679 Jahre 60 bis 65 66 bis 70 70+ gesamt 2010 17 8 7 32 2011 22 5 8 35 2012 23 7 9 39 2013 22 8 9 39 2014 23 14 4 41 2015 20 8 11 39 2016 14 9 9 32 2017 19 11 11 41 Zu 2.: Ältere Strafgefangene leiden häufiger an chronischen Erkrankungen. Daraus resultierend sind der Behandlungs - und Diagnostikaufwand sowie der Medikamenteneinsatz und die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln in der Regel höher. Die Anstalten berichten außerdem, dass viele Patienten ab dem 50. Lebensjahr biologisch deutlich vorgealtert sind. Bei Krankenhausbehandlungen besteht meist die Notwendigkeit einer komplexen Behandlung, verbunden mit einer längeren stationären Behandlungsdauer. Zu den häufigen Krankheitsbildern gehören: koronare Herzkrankheiten beziehungsweise Herz-Kreislauferkrankungen, (insulinpflichtiger) Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen, Gefäßerkrankungen beziehungsweise Durchblutungsstörungen , Lungenerkrankungen, verminderte Hirnleistungsfunktion beziehungsweise Kognition sowie eingeschränkte Mobilität und Hilfebedarf bei alltäglichen Verrichtungen. Das bedeutet, dass ältere Gefangene teilweise schon vor Erreichen der Altersruhegrenze mit altersgerechten Angeboten unterstützt und gefördert werden müssen. Spätestens durch den Wegfall der Arbeitspflicht ist dann nicht nur der Alltag mit sinnvollen Tätigkeiten auszufüllen, auch die geistige und körperliche Gesundheit gilt es zu fördern und zu erhalten. In allen Thüringer Anstalten werden bereits physiotherapeutische Behandlungen bei entsprechend medizinischer Indikation durch externe Fachkräfte durchgeführt. Gefangene, die geistig oder körperlich nicht mehr in der Lage sind, am Gemeinschaftsleben teilzunehmen und Pflege benötigen, bedürfen hingegen auch einer entsprechenden geriatrischen Unterbringung und Betreuung beziehungsweise Pflege durch Fachpersonal. Zu 3.: Die Zahl und der Anteil der Inhaftierten mit einem Lebensalter über 65 Jahren werden in den nächsten Jahren kontinuierlich ansteigen. Legt man die Werte der 1. regionalisierten Bevölkerungsvorausberechnung Thüringens (rBV) zugrunde, erhöht sich ihr Anteil in der Gesamtbevölkerung bis zum Jahr 2035 auf 34,4 Prozent, während er im Jahr 2014 noch bei 24 Prozent lag. Damit steigen die Anforderungen an einen altersgerechten Vollzug. Auf Grund des derzeit geringen Anteils von Gefangenen mit einem Lebensalter ab 65 Jahren wird im Thüringer Justizvollzug keine Einrichtung mit einer Behandlungsstation vorgehalten, die sich ausschließlich an den Bedürfnissen älterer Gefangener ohne und mit Pflegestufe ausrichtet. Festzustellen ist, dass sich die betroffenen Inhaftierten oftmals auf altersgemischten Stationen integrierter fühlen, zumal die jüngeren Gefangenen eine große Hilfsbereitschaft zeigen und ihre älteren Mitgefangenen in vielen Alltagsangelegenheiten unterstützen. Gleichwohl wird darauf geachtet, bei Mehrfachbelegung ältere Gefangene eher getrennt von jüngeren im Haftraum unterzubringen. Der Thüringer Justizvollzug hat sich daher dafür entschieden, die Gefangenen auch nach Eintritt der Grenze des Rentenalters solange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung zu belassen. Dessen ungeachtet müssen sie jedoch mit altersgerechten Angeboten unterstützt und gefördert werden. Durch den Wegfall der Arbeitspflicht und die - wie oben bereits dargestellt - früher eintretenden gesundheitlichen Alterserscheinungen bei Inhaftierten, ist nicht nur der Alltag mit sinnvollen Tätigkeiten auszufüllen, auch die geistige und körperliche Gesundheit gilt es zu fördern und zu erhalten. Hier hat sich in anderen Bundesländern der Einsatz von Bediensteten bewährt, die über ergotherapeutische Kenntnisse verfügen. Der Thüringer Vollzug wird in den kommenden Jahren die Möglichkeiten des Einsatzes von entsprechenden ergo- und physiotherapeutischen sowie altenpflegerischen Maßnahmen und des benötigten Fachpersonals prüfen. 3 Drucksache 6/5679Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode Eine weitere Herausforderung für ältere und/oder pflegebedürftige Inhaftierte resp. den Justizvollzug stellt der Übergang von der Haft in die Freiheit dar. Inwiefern die Kooperation mit Pflegeheimen eine angemessene Reaktion auf diese Herausforderung darstellen kann, wird ebenfalls Gegenstand zukünftiger Prüfungen sein. Zu 4.: Derzeit gibt es für die Justizvollzugsbeamten keine spezifische Veranstaltung zum demographischen Wandel . Der demographische Wandel wird in vielen Veranstaltungen als Querschnittsthema behandelt. Lauinger Minister Ältere Gefangene in Thüringen Ich frage die Landesregierung: Zu 1.: Zu 2.: Zu 3.: Zu 4.: